Foto: Jan Ehlers

Viele Menschen werden aktuell von Existenzängsten geplagt, sorgen sich um ihre Zukunft, ihren Job und ihre Familie. In Zeiten wie diesen ist es nachvollziehbar, dass man sich in einen kleineren Kreis zurückzieht – die eigene Wohnung wird zum Ort des alltäglichen Geschehens. Wer aber keine Wohnung hat, lebt im öffentlichen Raum, pflegt Freundschaften, Kommunikation und Austausch in eben diesem und verfügt über keinen privaten Rückzugsort. Durch die aktuellen Corona-Regelungen fallen die sozialen Kontakte von Wohnungslosen zunehmend weg, wodurch sich ihre Isolation von der Gesellschaft weiter verstärkt. Was können wir dagegen tun? Wie können wir helfen?

Seit Anfang November dürfen sich in der Öffentlichkeit nur noch zwei Haushalte und aus diesen maximal zehn Personen treffen. Für Menschen ohne Wohnsitz bedeutet das, dass sie lediglich eine weitere Person auf der Straße treffen dürfen – Sonderregelungen gibt es hier für Obdachlose keine und auch Bußgelder werden gleichermaßen verhängt.

Trotz eigener Sorgen sehen viele Ehrenamtliche und soziale Organisationen die Notwendigkeit, denen zu helfen, die auf das öffentliche Leben angewiesen sind. „Die Hilfsbereitschaft der Darmstädter ist in diesem Bereich schon immer hoch gewesen und nun sogar noch weiter gestiegen“, freut sich Nicole Frölich, Bereichsleiterin der Wohnungsnotfallhilfe in der Diakonie. Das Engagement der Mitarbeiter kommt von Herzen, bringt diese durch ihre Empathie und das Verantwortungsgefühl für die Menschen auf der Straße aber auch immer wieder an persönliche Grenzen.

 

Darmstadts Hilfsorganisationen und Ehrenamt

Von 2015 bis 2017 hatten Hilfsbedürftige vor dem Justus-Liebig-Haus die Möglichkeit, sich bedürfnisorientiert am Sozialen Zaun selbst an gespendeten Dingen wie Kleidung oder Schlafsäcken zu bedienen. Dieses anonyme und barrierefreie Angebot konnte leider nicht aufrechterhalten werden. Allerdings ist das ehrenamtliche Team rund um Sabrina Anna Hänsel alles andere als untätig: Helfer verteilen regelmäßig Sachspenden per Bollerwagen an Wohnungslose. Die Freiwilligen sind nicht entsprechend ausgebildet und arbeiten deshalb eng mit Behörden und professionellen Organisationen zusammen. Viele Spenden werden nicht selbst verteilt, sondern zum Beispiel an die Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie abgegeben. Diese umfasst sowohl drei stationäre Wohnheime für Männer, Frauen und Mütter mit kleinen Kindern als auch betreutes Wohnen, die Bahnhofsmission und die Teestube „Konkret“ – eine ambulante Beratungsstelle mit Tagesaufenthaltsbereich. So werden die Grundbedürfnisse vieler Menschen gesichert, die auf der Straße leben und auf Hilfe dieser Art angewiesen sind.

„Außerdem kooperiert der Soziale Zaun ab diesem Jahr dauerhaft mit der zuvor lange unerreichbar scheinenden Tafel”, berichtet Sabrina. Auch wenn die Einrichtung sich größtenteils an sozial Schwache richtet – man eine Anmeldung braucht, um dort einkaufen zu dürfen –, steht das Essensangebot mit Gutscheinen jedem zur Verfügung. Diese werden ebenfalls vom Sozialen Zaun auf der Straße verteilt.

 

Corona schränkt bestehende Hilfen ein

Durch Corona erfolgt die Abgabe von Spenden für den Sozialen Zaun nun kontaktlos. Auch eine Abholung ist möglich, wenn zuvor per Facebook oder E-Mail Kontakt aufgenommen wird.

Die Spenden werden nach wie vor selbst verteilt, allerdings aufgrund von Selbstschutz und zum Schutz der Obdachlosen eher im äußeren Bereich der Innenstadt, um große Ansammlungen zu vermeiden.

Im ersten Lockdown wurden an die 700 Care-Pakete von Sabrina und ihrem kleinen Team gepackt, darunter auch von Jasmin Plechatsch, die den Sozialen Zaun von Anfang an begleitet. Im Sommer gab es eine Pause, doch seit November geht es wieder richtig los, gemeinsam mit der Tafel und der „Liebe-Wünsche-Aktion“.

„Die ursprüngliche Kooperation mit Yorma’s [Sandwiches, Brezeln, Snacks im Hauptbahnhof] ist aktuell leider nicht mehr möglich – hier konnten wir sonntags oft Reste vom Vortag abholen“, erzählt Sabrina. Und auch die Essensausgabe der Obdachlosenhilfe auf dem Europaplatz hält den Hygieneauflagen aktuell nicht stand.

Die Teestube der Diakonie nutzt seit den Lockerungen nach dem ersten Lockdown den Hof für Beratungen. So waren zunächst auch Gruppenaktivitäten wieder möglich, doch fielen diese im aktuellen Lockdown light erneut weg. Die Beratung findet in der kalten Jahreszeit in extra dafür aufgestellten Zelten statt. Existenzsichernde Hilfen wie auch die Übernachtungsmöglichkeiten müssen dringend weiterhin gewährleistet werden.

 

Wie genau kann ich helfen?

In der aktuellen Situation ist es wichtiger denn je, dass wir unsere Mitmenschen unterstützen. Die Organisationen rund um Sabrina und Nicole arbeiten hart, um jedem ein würdevolles Leben in dieser schwierigen Zeit zu ermöglichen. Da ist auch unsere Unterstützung gefragt: Beim Sozialen Zaun wird grundsätzlich jede helfende Hand gerne genommen. Als fester Teil des Teams kann man zum Beispiel ehrenamtlich Spenden und Pakete sortieren, packen und verteilen. Mindestens genauso dringend benötigt Sabrina aber Unterstützung in der Organisation. Für die Zukunft hat sie weitere Projekte geplant, die tatkräftiges Engagement in Entwicklung und Umsetzung brauchen.

Auch wenn man keine Zeit und Kraft hat, sich langfristig zu engagieren, kann man helfen. Immer wichtig sind Sachspenden (Thermokleidung und Regenjacken, Schlafsäcke und Isomatten, haltbare Lebensmittel und Hygieneprodukte) – eine ausführliche Liste an geeigneten Produkten ist auf der Website des Sozialen Zauns zu finden. Bei den Care-Paketen wird versucht, auf verschiedene Kulturen, Religionen, Geschlechter und Geschmäcker Rücksicht zu nehmen. Wer möchte, kann seine Spenden also personalisieren und bewusst adressieren. Gern gesehen sind auch vegetarische Lebensmittel ohne Gelatine oder Tiernahrung. „So wird den Menschen ein gewisses Maß an Selbstbestimmung gewährt. Lediglich Alkohol(-haltiges) sollte auf keinen Fall verschenkt werden“, erklärt Sabrina.

Besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit sind es kleine Gesten, die den Unterschied machen. Im Rahmen der Liebe-Wünsche-Aktion packt das Team vom Sozialen Zaun in Kooperation mit der Tafel, dem Diakonischen Werk und Horizont e. V. fleißig Spendenpakete. Neben alltäglichen Dingen und Essensgutscheinen von der Tafel machen vor allem die lieben Worte diese Hilfspakete aus. Wer will, kann gerne selbst ein Paket packen und ein paar aufmunternde Zeilen auf eine Karte schreiben.

Auch die Einrichtungen der Diakonie freuen sich über Sachspenden, wegen Corona kann momentan aber keine ehrenamtliche Mitarbeit stattfinden.

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich zu engagieren, sollte allerdings nicht auf eigene Faust losziehen: „Selbst zu kochen und Essen auszugeben, wird nicht empfohlen, da sich dadurch zu viele Leute versammeln und gegebenenfalls keine Abstände eingehalten werden”, so Sabrina. Es spreche aber nichts dagegen, jemanden auf der Straße mit Sicherheitsabstand anzusprechen, der einsam oder traurig wirkt. Vor allem in dieser Zeit der sozialen Isolation bedeutet eine kleine Geste der Aufmerksamkeit oder ein liebes Gespräch unglaublich viel.

„Das Leben ist so wunderbar und diese Lebensfreude muss man anderen vermitteln, die diese womöglich verloren haben. Man muss die Leute bestärken, an sich zu glauben und nicht aufzugeben“, sagt Nicole, die immer optimistisch bleibt.

 

Wann und wo kann ich Sachspenden abgeben?

Fachberatungsstelle Teestube „Konkret“ in der Alicenstraße 29: Vereinbare im Voraus bitte einen Übergabetermin. Telefon (06151) 780520, teestubekonkret@diakonie-darmstadt.de, Öffnungszeiten: Mo + Di + Do: 08.30 bis 16 Uhr, Mi + Fr: 08.30 bis 12.30 Uhr.

Bahnhofsmission in der Poststraße 14 (Gleis 1): Kläre im Voraus bitte den Bedarf ab und vereinbare einen Übergabetermin. (06151) 896125, bahnhofsmission@diakonie-darmstadt.de, Öffnungszeiten: nur werktags von 10 bis 17 Uhr.

Wohn- und Übernachtungsheim Z14 im Zweifalltorweg 14: Die Abgabe von Spenden ist jederzeit möglich, das Z14 ist rund um die Uhr geöffnet. Gerne kannst Du Deine Spende vorher telefonisch ankündigen: (06151) 926250.

Sozialer Zaun: Über die Facebook-Seite „Sozialer Zaun Darmstadt“ oder per E-Mail an sabrina.anna.haensel@gmail.com Kontakt aufnehmen, die Sachspenden werden nach Absprache beim Spender abgeholt.

Liebe-Wünsche-Aktion des Sozialen Zauns: Die Care-Pakete mit Grußkarte werden bis zum 16. Dezember ebenfalls nach Absprache abgeholt (zusätzlich werden Abgabestellen über Facebook und die Webseite bekanntgegeben).

 

Weitere Anlaufstellen in Darmstadt

Büro für Sozial- und Wohnberatung am Steubenplatz 2, (06151) 9067702, info@bfsw-darmstadt.de

Darmstädter Tafel in der Bismarckstraße 100, (06151) 898289, tafel-da@gmx.de

Frauen-Übergangswohnheim im Benzweg 6, täglich von 07.30 bis 22 Uhr geöffnet, Telefon (06151) 897313

Horizont e. V. Unterbringungsmöglichkeiten in der Rheinstraße 312, in der Bismarckstraße 100 und für obdachlose Familien in der Nieder-Ramstädter Straße 61, (06151) 87290

Mutter-Kind-Haus (Muki) – Betreuung und Unterkunft für Schwangere und Mütter mit Kindern bis 12 Jahre, in der Otto-Röhm-Straße 26, (06151) 3972773

Obdachlosenstelle beim Amt für Soziales und Prävention in der Frankfurter Straße 71, (06151) 133277, amt-fuer-soziales-und-praevention@darmstadt.de

Obdachlosen helfen Darmstadt: Initiative von Privatpersonen, die sonntags am Europaplatz Mahlzeiten, Lebensmittel und weitere Bedarfsgüter ausgibt – das ist aktuell nicht möglich, Spenden werden aber weiterhin via Facebook-Gruppe angenommen und verteilt.