Schauergeschichten von Stereotypen
Unsere Theater-Tipps im September
Tränen und Träume im Staatstheater
Ehre, Blutbad, Macht: Ruhm ist gut, doch Macht ist besser, denkt sich Macbeth. Dem erfolgreichen, königstreuen Feldherrn steht eine glorreiche Karriere bevor und er müsste eigentlich nur warten, bis seine Zeit gekommen ist. Doch dem Ehrgeizling lauern drei Hexen auf, die ihm prophezeien, dass auch er König sein könnte – was bei Macbeth und seiner Frau die dunkelsten Seiten zutage fördert. Die beiden schmieden einen blutigen Plan, töten den rechtmäßigen König und verwandeln Schottland in einen Terrorstaat. Die Tragödie ist unumkehrbar und statt in Ruhm zu baden, watet der Feldherr nun im vergossenen Blut. „Macbeth“ gehört zu den unheimlichsten Texten Shakespeares, der in seinem Drama geschichtliche Fakten mit Mythologie und Fiktion verknüpft.
Selbst sein: Leslie Feinbergs Roman „Stone Butch Blues“ spielt in den USA der 1970er-Jahre. Die Hauptperson Jess Goldberg wächst in Buffalo auf, findet in die Butch-und-Femme-Szene und zieht schließlich nach New York. Im Roman geht es um den queeren Alltag zu jener Zeit, um die Stonewall Riots und die damit verbundene Gewalt. Der Roman gibt Anlass, sich mit Lebensrealitäten auseinanderzusetzen, die sich außerhalb der binären Geschlechterordnung verorten. Das installative Performancestück von Sascha Malina Hoffmann erzählt den Roman nicht nach, sondern setzt sich mit Leslie Feinbergs Text auseinander. Wie lassen sich queere Identitäten, Geschlechter und Identitäten der Vergangenheit und Gegenwart erzählen? Wie werden gesellschaftliche Stereotype überwunden? Diesen und weiteren Fragen gehen Zuschauer:innen und Performer:innen an besonderen Theaterabenden auf den Grund.
„MacBeth“ Premiere am So, 1.9., um 19.30 Uhr + Sa, 7.9., um 19.30 Uhr + So, 22.9., um 18 Uhr im Großen Haus
„Butchposition“ Uraufführung am Sa, 14.9., um 19.30 Uhr + So, 22.9., um 18 Uhr in den Kammerspielen
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann erben sie noch heute
Lord Lebanon ist verstorben und lädt post mortem die Erben auf sein Schloss ein. Doch statt einer normalen Testamentsverlesung hat sich der Lord etwas Besonderes ausgedacht: einen „vorletzten Willen“. Die Familie ist verfeindet und soll zur Versöhnung sechs Tage und Nächte im Schloss verbringen. Wie es der Zufall will, lichtet sich die Schar der potenziellen Erben, da ein geheimnisvoller Würger sein Unwesen in dem Schloss treibt. Mit einem indischen Tuch erdrosselt er eine Person nach der anderen. Dabei gibt es kein Entkommen: Ein Sturm hat die Gesellschaft von der Außenwelt abgeschnitten. Zwischen den adelsstolzen Familienmitgliedern werden unsichtbare Bande geknüpft und dunkle Geheimnisse aufgedeckt: Welche Rolle spielen vergangene Geschehnisse in Indien?
„Das indische Tuch“ am Fr, 6.9. + Sa, 7.9., jeweils um 20 Uhr + weitere Termine auf der Neuen Bühne Arheilgen
Adelig, gruselig, tot
Der Familiensitz der Ushers ist genauso baufällig wie deren Bewohner:innen, die Geschwister Roderick und Madeleine. Das Anwesen ist gruselig und düster und Gleiches gilt für die Geschichte der einst stolzen Familie. Die Geschwister Usher sind krank, gezeichnet und dennoch verbunden mit dem Haus. Als Rodericks Jugendfreund William einen besorgniserregenden Brief erhält, besucht er sie und findet sich in einem Schauplatz des Wahnsinns und Verfalls wieder. Madeleine stirbt und wird in der Familiengruft im Haus beigesetzt. Und da wird es erst richtig creepy: Inmitten eines Sturms wird ein grauenhaftes Familiengeheimnis enthüllt. Was ist das Böse und welche Rolle spielt das Haus Usher, das Ort, Familie und Geschichte zugleich ist?
„Der Untergang des Hauses Usher“ Premiere am Fr, 6.9. + Sa, 7.9. + Do, 26.9. + Fr, 27.9., jeweils um 20 Uhr im Theater Moller Haus
Gekränkte Egos, gescheiterte Rettungsversuche
In die Zukunft blicken und damit schreckliche Geschehnisse verhindern – klingt eigentlich nach einer wunderbaren Gabe. Kassandra sieht den tragischen Ausgang des trojanischen Krieges für ihr Volk und das Unheil und den drohenden Tod am Hof Agamemnon. Ihre Gabe hat Kassandra von Apollon, der auf Kassandra steht. Kassandra hat der körperlichen Liebe entsagt, was Apollon gar nicht gefällt und so sorgt er dafür, dass niemand Kassandra zuhört oder ihr Glauben schenkt. Kassandra wird gefangen genommen, an den Hof Agamemnons gebracht und muss dem Tod ins Auge sehen. Marvin Heppenheimer greift verschiedene Motive des antiken Mythos der „Kassandra“ auf und bearbeitet ein auch heute noch immer wieder aktuelles Thema: Frauen, die nicht gehört werden. Kassandra, Feministin der ersten Tage, scheitert am und im Patriarchat.
„Kassandra“ am So, 8.9., um 18 Uhr + Mi, 25.9., um 20 Uhr im Theater Moller Haus
Frau vs. Mann vs. Spontanität
Die Darmstädter Improgruppe „Alles auf Anfang“ trifft auf das Wiesbadener Ensemble „Restrisiko“. Aus beiden Gruppen treten Männer und Frauen in einen Wettstreit, um die Herzen des Publikums zu erobern. Apropos Publikum: In guter alter Impromanier ist es Inspiration für die spontanen Szenen der Schauspieler:innen. Die Zuschauenden geben Ideen, die wiederum zu Geschichten auf der Bühne werden. Improtheater hat kein Drehbuch und die Storyline entsteht aus dem Stegreif. Die oft alltäglichen Szenen sind Auswüchse der Spontanität, die Fantasie hat freien Lauf, von einer Sekunde auf die andere. Keith Johnstone, ein Begründer des modernen Improvisationstheaters, bringt es auf den Punkt: „Damals gilt, was heute gilt: Bin ich inspiriert, geht alles gut, doch versuche ich es richtig zu machen, gibt es ein Desaster.“
„Kampf der Geschlechter“ am Sa, 21.9., um 20 Uhr im Theater Moller Haus