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Nicht allzu viel hört und liest man gemeinhin über das geheimnisumwitterte Städtchen, das so nah an Darmstadt liegt, und doch so unendlich fern. Denn gerne behält es seine Geheimnisse für sich und macht, wenn überhaupt, durch eine sorgsam gehegte Brauerei auf sich aufmerksam. Wenig berichtet die Presse, wenig ist zu vermelden. Und nicht wenige durchreisende Künstler zeigten sich echt überrascht, dass sich hinter der wohlbekannten „Raststätte Pfungstadt“ tatsächlich auch eine Ansiedlung befindet.

Nun sollte aber niemand vermuten, hinter dieser fast demonstrativen Bescheidenheit schlüge kein heißes Herz. Keineswegs. Immer wieder schafft es die Stadt in die Schlagzeilen. Man kann es vielleicht so erklären: In Pfungstadt werden nicht allzu häufig Säue durch das Dorf getrieben. Das muss ja nicht schlecht sein. Verlass ist aber darauf, dass bei den seltenen Gelegenheiten nicht irgendwelche Säue getrieben werden, sondern eigenwillige, meist übergroße Spezialsäue.
Wie ich darauf komme? Ein Beispiel. An vielen Orten wurden und werden Schwimmbäder geschlossen, oder es droht ihnen die Schließung. Aber mit so etwas kommt man ja über die Lokalzeitung kaum heraus.

Damit käme Pfungstadt nicht zurecht. Hier macht man’s anders. Zuerst renoviert man das Bad, baut dann noch für ein paar Milliönchen eine Sauna dran, tauft die ganze Pracht von „Wellen- und Freibad“ auf „Bade-Sauna-Park“ um und macht erst dann dicht. Das Hallo in Presse und Rundfunk ist groß, aber Pfungstadt ist für kurze Zeit Thema. Auch überregional. Sogar in Darmstadt.

Die aktuelle Sau, die durch Pfungstadt getrieben wird, ist gar keine. Sie ist ein Hai. Nein, kein großer. Aber er soll wenigstens die größte Hai-Wohnung beziehen, die Europa zu bieten hat. Genau gesagt sollen es ja viele kleinere Haie sein, die man in Pfungstadts neuem Gewerbegebiet ansiedeln will. Einmal, um sie vor den Widrigkeiten der offenen See zu schützen, wie es Pfungstadts Grüne so herzzerreißend erklärten, aber auch andererseits, weil sich Stadt und Betreiber ganz sicher sind, dass ganz viele Leute nach Pfungstadt kommen und ein wenig Eintritt bezahlen, um zu sehen, wie diese Tierchen dort gehegt und gepflegt werden. Der Herr Bürgermeister ist schon ganz stolz, weil ihm von den Betreibern gesagt wurde, sie würden so viel Geld verdienen und versteuern, dass sie ihm ganz viel abgeben könnten. Und davon könnte man ja zum Beispiel einen wunderschönen neuen Bade-Sauna-Park …

Und schwupps, ist Pfungstadt schon wieder überregional erwähnt. Da ist es doch auch nicht schlimm, wenn manche meinen, Haie sollte man nicht in Aquarien setzen. Und wieder andere, das sei doch eine Milchmädchenrechnung, von wegen Gewerbesteuern. Egal. Besonders egal, wenn sich ewiggestrige Pfungstädter nicht mit der schönen neuen Salzwasserzeit anfreunden wollen. Schließlich hat sich Pfungstadt auch an das alljährliche Dirndl-Ritual gewöhnt.
Hauptsache ist doch, man hört wieder von Pfungstadt. Und Hauptsache auch, wieder ein unerhörtes Großprojekt.

Und die Geschichte ist ja noch lange nicht zu Ende. Vielleicht wird ja tatsächlich in absehbarer Zeit mit dem Bau begonnen. Und vielleicht werden eines Tages tatsächlich ein paar Millionen Liter Salzwasser neben einer Wohnbebauung eingefüllt? Und vielleicht gerät Pfungstadt unvermutet eines Tages selbst in den Besitz von Aquarium samt Haien?

Das wäre dann eine gute Gelegenheit, Pfungstadt ganz nach seinem neuen Großprojekt zu benennen: Shark City. Oder für Traditionalisten: Haistadt. Es kann selbstverständlich auch sein, dass die haigewordene Sau auch wieder von ganz alleine aus Pfungstadt rennt. Und auch in Zukunft die Ziege im Stall, aber nicht der Hai im Becken stirbt.

Es wird so oder so ein spannender Sommer. In Pfungstadt.