Schluss mit Hotel Mama
Unsere Theater-Tipps im Oktober.
Verschlungene Pfade im Staatstheater
Weg der Widerstände: Welchen Sinn haben wir in der lauten Welt? In einer Welt, die sich immer verändert, alles und nichts zu sein scheint. In einer Gesellschaft, die kaum noch greifbar ist. Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz passt da erstaunlich gut rein. Er wandert durch Berglandschaften, spricht über Kunst und Gott und balanciert stets ein wenig am Rande des Wahnsinns. Lenz wird von Albträumen geplagt, sein ständiger Begleiter ist die Angst. Auf der Suche nach dem Lebenssinn und Halt stolpert er durchs Leben, steht wieder auf, erinnert sich an Vergangenes und bemerkt doch immer wieder, wie ein Fünkchen Glück aufflackert. Klare Antworten sucht man in der Inszenierung Büchners vergebens, vielmehr erobert er Komplexitäten zurück – immer mit dem Motto: Nicht entmutigen lassen!
„Lenz“ am Do, 2.10. + Sa, 11.10. + Fr, 17.10. + Fr, 24.10., jeweils um 20 Uhr in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt
Gute Route: An einer Wand wie in einer Boulderhalle, nur ganz in Weiß und ohne die obligatorische Hipster-Cola, treffen neun Performer:innen der Compagnie de Chaillot auf Hochseilkünstler Nathan Paulin und Kletterin Nina Caprez. Auf dünnen Seilen, auf dem Boden oder an den Griffen treffen in „Corps extrêmes“ Akrobatik und Tanz auf Extremsport. Die Körper fliegen und fallen, landen und balancieren. Die Grenzen des Gleichgewichts geraten ins Wanken und spiegeln das Leben zwischen Widerstand, Mut und Scheitern.
„Corps extrêmes – Rachid Ouramdane“ Premiere am Do, 30.10., um 19.30 Uhr + Fr, 31.10., um 19 Uhr jeweils im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt
Bed and Neck Break
Bardame Pretty, Koch Horst und der putzwütige Ingolf haben eines gemeinsam: Sie alle haben jemanden um die Ecke gebracht. Kann mal vorkommen. Dafür braucht’s vor allem zweierlei: eine Selbsthilfegruppe und eine Pension. Still und heimlich das Leben leben? Pustekuchen, denn jeder hat eine zweite Chance verdient. Gemeinsam mit zwei weiteren Mörder:innen gründen die drei die Pension „Fünf im Glück“. So richtig fancy ist die nicht, aber auf fünf Sterne hoffen die Neuunternehmer:innen dennoch. Der erste Gast: die Therapeutin der Gruppe. Ups. Die will aber weder Urlaub machen noch den Fünfen helfen. Ihr Mann muss weg und die Patient:innen sind bestimmt hilfreich. Als auch noch die Hotelprüferin kommt, wird es richtig kompliziert und die Mörder:innen stehen vor der Frage: Gibt es andere Wege zum Erfolg als die altbekannten Abmurks-Muster?
„Halbpension mit Leiche“ Premiere am Fr, 10.10. + Sa, 11.10., jeweils um 20 Uhr + und weitere Termine im Oktober im Theater Moller Haus
Improvisierte Eskalation auf Seite 35
Die Heldin eines Kinderbuchs strandet auf dem Mond, Seite 35 eines Telefonbuchs wird zum spannenden Krimi und Gretchens Frage dreht sich plötzlich um Brot statt um Religion. Solche und andere skurrile Wendungen können beim neuen Bring-Dein-Buch-mit-Abend der Improtruppe „Alles auf Anfang“ entstehen. Seit 15 Jahren bringt die Gruppe improvisierte Geschichten auf die Bühne – ohne Skript, ohne vorgegebenes Ende und ohne Absprache. Alles entsteht live und aus dem Nichts: eine Kunst, die Spontaneität, Kreativität und Zusammenarbeit erfordert. Ein Abend, an dem Bücher zum Leben erwachen und Theater direkt vor den Augen des Publikums geboren wird. Mit dabei: die ebenso charmante wie scharfzüngige Literaturkritikerrunde.
„Im Labyrinth der Bücher“ am Sa, 18.10., um 20 Uhr im Theater Moller Haus
Mediation, Massaker und Wahrheiten
Man nehme zwei elfjährige streitende Jungs, deren Eltern – und bekommt nichts als Zerstörung. Die Ehepaare Reiler und Köhler wollen im Streit ihrer Söhne schlichten und treffen mit feinstem pädagogischen Willen aufeinander. Als Erwachsene stehen sie über dem Hickhack der Kinder, oder? Doch warum genau hat das eine Kind das andere geschlagen? Hat das etwa mit den Eheproblemen der Eltern zu tun? Das geplante Streitgespräch wird schnell zur persönlichen Hölle, in der Wahrheiten und Abgründe offenbart werden. Der Meditationsraum wird zum Schlachtfeld und zeigt die wahren Gesichter der Familienmitglieder. Die gute Absicht zerbröckelt genauso schnell wie die Ehen der Paare. Das Mainzer Ensemble „Die Kleinbürger“ und „theater INC. Darmstadt“ entblättern Schicht für Schicht die Fassade zivilisierten Miteinanders.
„Der Gott des Gemetzels“ Premiere am Sa. 25.10., um 20 Uhr im Theater Moller Haus
Der historische Tanz eines Hausschweins
Tanzende Königskinder, freche Hausschweine und kreative Interpretationen über das Jenseits treffen auf Darmstädter Stadtgeschichte. Unter dem Motto „Kunst verbindet“ zeigt der Verein „SocialArts“ generationenübergreifendes Theater, streut ordentlich Glitzer darauf und präsentiert das Ganze mit Gefühl und Gesellschaftskritik. Drei Ensembles – von Kindern bis zu Senior:innen – zeigen an mehreren Tagen zu unterschiedlichen Zeiten Märchen, Slapstick und Historisches. Das Festival bringt Menschen zusammen, weckt kreative Potenziale und zeigt, dass Kunst ein starkes Mittel für Verständigung, Frieden und demokratischen Zusammenhalt ist. Die Köpfe hinter dem Projekt sind Astrid Sturm, Melanie Gaug und Oliver Noweck.
„KunstStücke – Theatertage“ von Do, 30.10., bis So, 2.11., im Circus Waldoni in Darmstadt-Eberstadt