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Wenn man auf und abseits von Darmstadts Straßen flaniert und genau darauf achtet, dann sieht man sie: die vielen unterschiedlichen Jobs und Berufe, die Menschen in Darmstadt voller Herzblut ausüben und die Stadt damit zu der machen, die sie ist. Die Artikelreihe „Jobs outside the box“ soll (eher ungewöhnliche) Berufe wertschätzen, die das Stadtbild prägen und die – oft unbemerkt – sehr viel Positives zum Alltag der Heiner:innen beitragen. Vor allem aber soll sie zeigen, was viele längst wissen: dass es zwischen Maschinenbau, Informatik, Medizin, Jura und Philosophie noch jede Menge coole andere Bereiche gibt, in denen man arbeiten kann!

Etwas sperrig klingt die korrekte Berufsbezeichnung für das, was umgangssprachlich „Bademeister“ genannt wird: Fachangestellter für Bäderbetriebe. Doch genau das ist Tim Fritsch, der schon fast sein halbes Leben als solcher in Darmstadt arbeitet. Die letzten fünf Jahre war er im Sommer als Badleiter im Woog und im Winter im Bezirksbad Bessungen tätig. Seit Anfang Mai ist er Badleiter im frisch renovierten Nordbad/DSW-Freibad (DSW steht für: Darmstädter Schwimm- und Wassersport-Club). „Mein Traumberuf wäre Fußballprofi gewesen“, erinnert sich der 33-jährige Ur-Heiner schmunzelnd, „aber das bleibt halt ein Traum“. Stattdessen bewarb er sich nach seiner Schulzeit ganz pragmatisch für alle Ausbildungsstellen, die es so gibt … und landet schlussendlich im Bäderbetrieb.

Baywatch in Darmstadt?!

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Die dreijährige Ausbildung bereitet ihn auf das vor, was da kommt: ein überraschend vielseitiger Beruf mit vielfältigen Aufgabenbereichen. Denn: Das Baywatch-Klischee stimmt natürlich nicht. „Viele Menschen denken, wir stehen den ganzen Tag nur da und machen nichts. Aber dass wir zum Beispiel morgens um sechs Uhr schon anfangen und die ganze Vorbereitung für die Badöffnung treffen – Reinigung, Becken saugen, Müll entsorgen, Desinfektionsarbeiten – das bedenken viele nicht“, erklärt Fritsch. Zur Ausbildung gehöre neben der Vermittlung von allerhand technischem Wissen und Beschwerdemanagement auch Gesundheitslehre. „Man lernt viel über Herzinfarkte, Schlaganfälle, Schnittwunden – eben alles, was im Schwimmbad so passieren kann. Und auch viel über Chemie, denn die ganze Wasseraufbereitung läuft ja über chemische Prozesse.“

Seit dem Wechsel ins Nordbad, dem „Nonplusultra unter den Darmstädter Schwimmbädern“, steht bei Fritsch eher die Büroarbeit im Fokus. Dazu gehört auch die Organisationsstruktur bei Notfällen: Wer den Notruf absetzt, die Rettungskräfte einweist, wer reanimiert und sich um die Patient:innen kümmert – all das muss im Team vorab klar kommuniziert sein. Im übertragenen Sinne mit einem Bein steht Fritsch aber trotzdem noch am Beckenrand und unterstützt seine Kolleg:innen beim Aufpassen.

Zwischen Gartenarbeit und Schwimmunterricht

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Sogar Gartenarbeit gehört zu seinem Beruf dazu, denn die Grünfläche des DSW-Freibads muss genauso gepflegt werden wie die Becken in der Halle. Im Woog sah das noch etwas anders aus. Dort lag Fritschs Arbeitsfokus noch mehr auf dem akuten Schutz der Badegäste. „Es ist wichtig, die Menschen im Wasser mit gutem Blick zu beobachten. Denn wenn einer tatsächlich untergeht, dann ruft er in der Regel nicht nach Hilfe. Man zappelt, und dann ist man weg. Deswegen ist es ganz wichtig, genau hinzuschauen und darauf zu achten, wo vielleicht eine Gefahr entstehen könnte. Wenn einer in Panik ist und Hilfe braucht, dann sieht man das. Auch wenn er nicht danach ruft.“

Schwimmunterricht zu geben gehört nicht zu seinen Lieblingsaufgaben. Deswegen delegiert Fritsch ihn mittlerweile weiter. „Ich finde das sehr anstrengend. Du hast die Hallenluft, du frierst auf Dauer doch ein bisschen im Wasser und du musst ja die ganze Zeit auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder eingehen. Da gibt es Kolleg:innen, die das sehr viel lieber machen! Meiner Erfahrung nach ist es auch so: Wenn ein Kind keine Lust hat zu schwimmen, sondern von den Eltern zum Schwimmunterricht geschleppt wird, dann weißt du in der Regel, dass es noch nichts wird.“

Die Feuertaufe

Einen richtig großen Notfall hat Fritsch glücklicherweise bislang nur einmal erlebt. Direkt nach seiner Ausbildung: Feuertaufe sozusagen. „Das war eine Reanimation von einem neunjährigen Kind. Klassischer Fall von: Der Cousin dachte, die Cousine passe auf und umgekehrt“, erinnert sich Fritsch. Reanimationen seien auch eine psychische Belastung. „Damit sollte man sich in dem Job durchaus befassen. Dass es auch mal sein kann, dass da mal ein Toter vor einem liegt, den man dann nicht zurückbekommt. Man sollte sich also schon fragen: Kann ich damit umgehen und könnte ich so was verkraften?“ Im Falle seines ersten Reanimationsfalls ist damals zum Glück alles gut gegangen und das Kind trug keine bleibenden Schäden davon. Um für Notfälle jederzeit gewappnet zu sein, machen Fritsch und seine Kolleg:innen alle zwei Jahre eine Erste-Hilfe- und Rettungsschwimm-Auffrischung, die die DLRG abnimmt.

Alle, die sich schon immer gefragt haben, ob Nessie nicht doch irgendwann mal in den Woog umgezogen sein könnte, kann Fritsch beruhigen. Auch Horrorgeschichten von hundefressenden Welsen muss man hier nicht glauben. Die größten Bewohner im Woog seien neben drei Schildkröten, die sich jeden Tag auf demselben Baumstamm sonnten, Spiegelkarpfen. „Aber die hauen ab, wenn Menschen in ihrer Nähe schwimmen.“ Trotzdem: Das trübe Woog-Wasser mit seiner geringen Sichttiefe bringe besondere Herausforderungen mit sich. „Wer da untergeht, ist wirklich erst mal weg und schwer auffindbar. Das ist anders als im Hallenbad.“ Zu Beginn der Badesaison gehört im Woog neben Reinigungsarbeiten auch das Abtauchen von Sprungturm- und Nichtschwimmerbereich. Beim Tauchen sollen nicht nur grobe Äste aus dem Wasser entfernt werden, sondern mitunter auch Baustellenschilder, die über den Winter ins Wasser gefallen und nun ein potenzielles Verletzungsrisiko für Badegäste sein könnten.

Große Becken, große Filter

Im Nord- und DSW-Freibad läuft die jährliche Grundreinigung etwas anders ab: Hier wird einmal im Jahr das ganze Wasser abgelassen, jedes Becken gereinigt und frisches Wasser eingelassen. Zusätzlich zu diesem alljährlichen Termin spielt die Reinigung aber auch im Tagesgeschäft eine große Rolle. Wichtigste Helfer: Unterwassersauger, die so viel kosten wie ein Kleinwagen. „Diese Sauger stellen wir abends in die Becken und dann fahren sie Bahn für Bahn ab. Zum Glück ist das heute so automatisiert geworden. Früher stand noch einer mit einem Sauger an langem Stiel am Beckenrand und hat alles per Hand abgesaugt.“ Außerdem wird drei Mal am Tag in allen Becken eine Wasserprobe entnommen. Hierbei werden Chlorgehalt und pH-Wert gemessen, damit alle Vorschriften eingehalten werden. Denn: Ein zu hoher pH-Wert im Wasser ist auf Dauer nicht gut für die Haut. Im Zweifelsfall muss ein Becken vorläufig gesperrt werden, bis der pH-Wert wieder stimmt. Um das Wasser zu reinigen, gibt es große Filteranlagen im Nordbad-Keller. „Groß“ heißt hier: etwa gartenschuppengroß. Ganze vier von ihnen sind allein für das größte der Becken im Hallenbad zuständig. Durch mehrere Schichten aus Aktivkohle und Sand wird hier das Badewasser gefiltert und dadurch von Schmutzpartikeln befreit, bevor es über Rohre wieder nach oben ins Becken gelangt. Übrigens: Im Sommer ist das Nordbad im Innenbereich für die Öffentlichkeit geschlossen, nur Schulen und Vereine schwimmen noch hier. Aber keine Sorge: Die Außenanlage, das DSW-Freibad, bietet den ganzen Sommer lang eine prima Abkühlungsmöglichkeit.

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In den 15 Jahren als Fachangestellter für Bäderbetriebe hat Tim Fritsch bereits in allen städtischen Bädern Darmstadts gearbeitet. Sein schönstes Schwimmerlebnis hatte er allerdings woanders: Als ambitionierte Taucher nutzen seine Frau und er jeden Urlaub für ihr Unterwasser-Hobby. „Französisch-Polynesien war toll“, schwärmt Fritsch. „Aber auch die Galapagos-Inseln. Man taucht ab und hat hunderte Hammerhaie vor sich. Aus dem Nichts begegnete uns beim Tauchen ein neun Meter langer Walhai. Das war ein super Moment!“ Abgesehen vom Tauchen ist „Bademeister“ Fritsch in seiner Freizeit nicht besonders gern in Schwimmbädern unterwegs. Sein jobbedingt kritischer Blick auf Hygiene und Schäden verderbe ihm meist die Freude in anderen Bädern. Stattdessen ist er mehrmals die Woche beim Fitness- und Fußballtraining anzutreffen und verbringt Zeit mit seiner Familie.

Seit ein paar Jahren herrscht Nachwuchsmangel in den Darmstädter Bäderbetrieben. Das Nordbad würde sich auch in diesem Jahr wieder über Ausbildungsbewerbungen freuen. Fritsch kann seinen Job allen empfehlen, die Lust auf einen vielseitigen Beruf, viel Kontakt zu Menschen sowie Spaß an Sport haben. Für die Ausbildung sind keine Rettungsschwimmscheine nötig, nur ein bisschen Basic-Brust- und Kraulschwimmen sollte man können.

 

Rettungsschwimmer:innen-Ausbildung – jetzt melden!

Infos bekommt Ihr bei der Wissenschaftsstadt Darmstadt, beim Eigenbetrieb Bäder, bei Petra Brachmann (Telefon: 06151 132977, E-Mail: petra.brachmann@darmstadt.de)

baeder.darmstadt.de