Illustration: Martina Hillemann

Kennt Ihr in diesen Hollywood-Romantik-Filmen die Szene, in der ein Mann mit einer Rose in der Hand, womöglich noch im strömenden Regen, auf seine Angebetete wartet und sich dann beide – über alles verliebt – in die Arme fallen? Leider ist das echte Leben kein Hollywood-Streifen. Typen mit Rosen gibt es zwar, aber leider läuft das alles ganz anders ab. Aber der Reihe nach.

Ich kann Euch gar nichts Genaueres mehr von dem Herrn erzählen. Ich weiß es nicht mehr. Wir schrieben ein wenig vor uns hin – über was genau, ich weiß es nicht mehr. Zu einem Date kam es bloß aus Ermangelung anderer Pläne an diesem Tag und einer Art sich entwickelnden Suchtpotenzials dieser App. Wir verabredeten uns in der Mitte des Herrngartens. Wie ich ihn da erkennen soll, witzelte ich. Er wäre der Typ mit der Rose in der Hand, war seine Antwort. Vielleicht war er ja doch charmanter, als ich dachte, und etwas Vorfreude regte sich in mir. Ich war gespannt, ob er wirklich eine Rose dabei haben würde.

Ja, hat er. Er sieht ganz süß aus, mit dem einzelnen Blümchen in der Hand. Auch ganz schick, mit nettem Jackett und Hemd. Das sieht man bei Tinder-Dates auch nicht so oft. Mittig im Herrngarten stehend, entscheiden wir uns zuerst für links und steuern das Wellnitz an. Da heute ein schöner warmer Sommertag ist, sind die Plätze im Freien schon reichlich belegt. Wir könnten uns zu drei Herren im Anzug mit an den Tisch setzen. Aber das möchte mein Date leicht panisch werdend lieber nicht. „Nein, nein, das wäre doch zu eng, lass uns woanders hingehen.“ Also laufen wir zurück, steuern den westlichen Herrngarten-Ausgang an und landen im La Lucha. Mein Date, ein in Darmstadt lebender Mann, war noch nie dort. Wie kann man bitte in Darmstadt wohnen, aber noch nie im La Lucha neben der Galerie Netuschil gewesen sein? Ach Leute, ich liebe das La Lucha. Die Einrichtung ist genial: die alten klappbaren Schulbänke und die Euro-Paletten als Tische und Gin-Flaschen als Blumenvasen. Trifft komplett meinen Geschmack. Jedes Mal, wenn ich da bin, wähle ich einen Melonen-Spritz für den Durst und eines der äußerst schmackhaften Sandwiches für den Hunger – auch wenn ich keinen Hunger habe. Meistens wähle ich das Macchu Picchu Sandwich. Mein Gegenüber überlegt es auch zu nehmen, scheitert aber an der Jalapeño-Mayo. Ob sie scharf sei, murmelt er vor sich hin.

Der kompetente La-Lucha-Profi, wie ich einer bin, schüttelt da nur den Kopf – und sagt: „Nee, das Sandwich ist überhaupt nicht scharf, ich nehme das auch immer und bin da eigentlich eine Piensbacke.“ Er wählt dennoch das Italian Classic Sandwich. Während wir auf das Essen warten, bietet sich nun also die Zeit, sich zu unterhalten. Aber genauer gesagt rede ich und er spielt auf seinem Handy rum. Ja wirklich, alle paar Minuten greift er zu dem Ding und beantwortet Nachrichten oder checkt irgendwelche Apps, auf jeden Fall hängt er ständig an seinem Smartphone. Er ist komplett geistesabwesend und merkt noch nicht mal, dass mein Gesichtsausdruck allmählich dem einer Eiskönigin gleicht. Da kommt das Essen, die Rettung. Er beißt in sein Tomaten-Mozzarella-Sandwich und verkündet lautstark, dass es ihm nicht schmeckt. Ob er meins probieren dürfe (Macchu Picchu). Dies scheint ihm anscheinend zu munden, denn er schnauzt mich an: „Toll, das ist ja gar nicht scharf. Hätte ich das gewusst.“ Es ist ja nicht so, dass ich es ihm nicht gesagt hätte (unaufmerksame Leser lesen die Kolumne bitte nochmal).

Nach dem Essen ordere ich schleunigst die Rechnung. Ich denke, das ist dem Mann, der schon wieder stumm am Handy hängt, bestimmt recht. Desillusioniert nehme ich die Rose, die auch schon ersichtlich den Kopf hängen lässt, und verlasse den Laden. Vor der Tür bleibt mein Noch-Date stehen und fragt mich zwinkernd, ob ich noch mit zu ihm möchte, wir könnten uns einen Horrorfilm ansehen. Nein danke, ich hatte schon genug Horror heute Abend. Generell verschwimmt sein Gesicht auf dem Heimweg in einer Masse erlebter Dates und gematchter Typen.

Ich glaube, ich sollte mal ein kleines Dating-Päuschen einlegen. Aber keine Angst, meine lieben Leser, ich habe sicherlich bald etwas Neues zu erzählen.