Foto: Cora Trinkaus

Die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen fallen ins Fenster, durch die Bäume streicht ein leichter Wind, die Vögel zwitschern und wecken einen sanft aus dem Schlaf. Wir öffnen leise die Schiebetür unseres Campers. Um uns herum nur Natur, kein Straßenlärm, nur die Stille der Natur.

Der Urlaub mit dem Van ist ein anderer als die klassische Pauschalreise und er erfährt in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Die Vorteile vom eigenen Zuhause auf vier Rädern erkannten im vergangenen Jahr auch viele deutsche Urlauber. Durch die Corona-Pandemie und die beschränkten Reisebestimmungen ging die Nachfrage nach Wohnmobilen und Campervans weiter steil nach oben. So wurden 2020 nach Angaben des Caravaning Industrie Verbandes Deutschland (CIVD) rund 42 Prozent mehr Wohnmobile zugelassen als noch im Jahr zuvor.

Vielen Campern geht es vor allem um die Nähe zur Natur, die Einfachheit, die Entschleunigung als Ausgleich zum hektischen Alltag. Ob man nun im selbst ausgebautem Oldtimer-Van unterwegs ist oder im Camper von der Stange: Das Tolle ist, dass man nicht viel planen muss, einfach spontan losfahren kann – für ein Wochenende oder länger. Dieses flexible, selbstbestimmte und individuelle Reisen trifft den Nerv der Zeit und ist vor allem bei der jüngeren Generation sehr beliebt.

Ein Oldtimer-Van Marke Eigenbau

In den sozialen Medien finden sich zum Thema Vanlife zahlreiche Beiträge, Reiseberichte und DIY-Anleitungen für den eigenen Van-Ausbau. Hier wurde auch die Darmstädterin Ines Jung fündig, als sie 2018 ohne jegliche Vorkenntnisse begann, ihren Mercedes T1, ein ehemaliges Feuerwehrauto, auszubauen. Innen wirkt es wohnlich und hell. Die selbst gebauten Holzmöbel sind weiß gestrichen, wie auch die Wände, oben eine Holzdecke. Das Bett im hinteren Teil geht über die gesamte Breite, darunter Schubladen und auf einer Seite ein erhöhter Abstellbereich.

Insgesamt recht minimalistisch eingerichtet. „Man braucht oft viel weniger, als man denkt“, sagt sie. So musste nach ihrer einjährigen Reise durch Europa und Marokko die Küchenzeile hinter dem Fahrer- und Beifahrersitz, die kaum benutzt wurde, weichen. Eigentlich sollte ihre Reise im März 2020 noch nicht zu Ende und der Halt in Deutschland nur ein beruflicher Zwischenstopp sein, doch die Corona-Pandemie machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Jetzt bleibt die Kommunkationsdesignerin, die ihre Selbstständigkeit während der Reise aufbaute, erst einmal in Darmstadt. Doch es wird auf jeden Fall eine weitere längere Reise geben, erzählt sie.

Bei den Spacecampern

Wer handwerklich nicht so geschickt ist, sich aber dennoch den Traum vom eigenen VW-Bus erfüllen möchte, der wird beim Darmstädter Unternehmen Spacecamper fündig. Hier wird „Vanlife“ nicht nur verkauft, sondern auch gelebt. Ben Wawra, der zusammen mit Markus Riese 2005 das Unternehmen gründete, lebt selbst seit gut zehn Jahren in einem Spacecamper. So prüft er Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit aus erster Hand auf Herz und Nieren und testet neue Ideen vorab ausgiebig. Die Mitarbeiter des Unternehmens mit flachen Hierarchien haben alle einen Bezug zum Camping und viele besitzen auch selbst einen in Darmstadt veredelten Camper, betont Markus Liebenau, der Leiter Vertrieb und Marketing. Bis vor Kurzem lebte auch er noch Vollzeit in einem Spacecamper.

In der Werkstatt erklingt Musik aus dem Radio. Zwölf fabrikneue VW-T6.1-Busse, an denen gleichzeitig gearbeitet wird und die komplett nach Kundenwunsch ergänzt und umgebaut werden, stehen hier. Seit 2019 gibt es auch ein Serienmodell, den Spacecamper Limited. Letztes Jahr wurden im Darmstädter Betrieb um die 200 Fahrzeuge ausgebaut. Fast alles wird in der hauseigenen Werkstatt gefertigt, vom Faltdach bis zu den Sitzbezügen. Schon vor Corona war die Nachfrage groß, aktuell beträgt die Lieferzeit circa ein Jahr. Das Ergebnis: Alltagsfahrzeuge und Reisemobile zugleich, die in Sekundenschnelle umgeswitched werden können.

Nach der Arbeit fährt Ben gerne ins Grüne und sucht sich dort einen Schlafplatz für die Nacht. „Das muss kein langer Weg sein, es kann auch im Stadtrandgebiet sein.“ Für ihn sei das wie ein kleiner Micro-Urlaub, wenn er nach der Arbeit in der Natur noch sportlichen Aktivitäten wie Kanu fahren nachgehen kann – auch unter der Woche.

Vanlife-Community

Anschluss zur Vanlife-Community findet man in den sozialen Medien und auf Vanlife-Treffen. Diese gibt es mittlerweile überall in Deutschland. Doch besonders interessant sind die Regionaltreffen der „Vanlife Germany“-Community – für Darmstädter die naheliegendste Gruppe: „Vanlife Frankfurt“. Hier gibt es in unregelmäßigen Abständen kleine Treffen an wechselnden Orten rund um Frankfurt und Darmstadt. Anny Koch und der Darmstädter Marc-Aurel Schlegel haben die letzten beiden Treffen, die in Gernsheim stattfanden, mitorganisiert. Hier treffen sich Gleichgesinnte, Van-Freund:innen aus der Umgebung. Viele kommen alleine, Anschluss findet man schnell. „Man hat eine Gemeinsamkeit und alle sind auf einem Nenner. Sobald man dort mit seinem Bus steht, hat man ein gemeinsames Gesprächsthema“, erzählt Anny. Sie träumte schon lange von einem eigenen VW-Bus. Nun fährt sie voller Stolz einen 36 Jahre alten weinroten VW LT. „Der Innenausbau wurde noch vom Vorbesitzer mit Reimo-Modulen selbst ausgebaut“, freut sich Anny, die sich für weniger handwerklich begabt hält.

Beim Rundgang über den Platz bekommt man persönliche Room-Touren durch die anderen Camper und tauscht sich über den Van-Ausbau aus. Am Abend sitzen alle gemütlich am Lagerfeuer bei einer kühlen Flasche Bier, Gegrilltem und lassen den Abend entspannt ausklingen.

Wenn es die Corona-Situation zulässt, wird es auf jeden Fall ein weiteres Treffen dieses Jahr geben, kündigt Marc-Aurel an. Sein Van, ebenfalls ein VW LT, sollte „etwas Besonderes sein, nichts Gewöhnliches“. Daher entschied er sich 2018 für ein altes Feuerwehrauto. Von der Technik habe er keine Ahnung, sagt er lachend, dafür sollte der Innenausbau und Möbelbau für den Schreiner kein Problem sein. Nur an der Zeit, um den Ausbau zu vollenden, mangelt es derzeit noch. Aber das Wichtigste, das Bett, ist schon mal vorhanden, so steht dem nächsten Männer-Camping-Urlaub Ende Juli nichts mehr im Wege.

#CampierenMitManieren

Doch wo übernachtet man am besten mit seinem Campingbus? Neben Campingplätzen und Stellplätzen nutzen auch viele Camper die Option, „frei zu stehen“, also auf nicht offiziell ausgewiesenen Stellplätzen zu übernachten. Das ist in Deutschland eine Grauzone. Offiziell ist das Parken und Übernachten (laut StVO) in einem Wohnmobil oder Wohnwagen auf einem ausgewiesenen Parkplatz nur zur „Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit“ bis zu einem Zeitraum von zehn Stunden erlaubt. Der ehemalige Vollzeit-Vanlifer Markus Breitfeld (alias Mogli) setzt auf gesunden Menschenverstand: „Wir sind alle zu Gast dort, wo wir hinfahren – sei es in der Natur, sei es auf dem Campingplatz – und sollten uns dementsprechend verhalten. Wenn wir schon frei stehen, sollten wir nicht den Eindruck erwecken, dort zu campen. Also keine Campingmöbel aufbauen und keinen Müll hinterlassen.“ Er geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt, man solle den Platz sauberer verlassen, als man ihn vorgefunden hat. Das ist das zweite seiner zehn Gebote für Camper, die er im vergangenen Jahr für seine Online-Plattform „Vanlust – bewusst auf Rädern“ aufgestellt hat.

„Es kommen gerade super viele neue Leute in die Vanlife-Szene. Und viele kennen die ungeschriebenen Gesetze und Verhaltensregeln nicht“, so Mogli. Mit der Kampagne „#CampierenMitManieren“ möchte er ein Bewusstsein schaffen, nachhaltig und respektvoll mit seiner Umwelt umzugehen. „Meine Vision hinter den zehn Geboten ist, dass irgendwann alle Ausbauer, Verkäufer etcetera dem Kunden diese Gebote bei der Auslieferung mitgeben.“

Wohnmobil-Urlaub auf dem Land

Mittlerweile setzt Mogli mehr auf Alternativen zum Freistehen. Angebote dazu gibt es reichlich. Immer mehr Bauernhöfe und Weingüter bieten Wohnmobilisten einen Übernachtungsplatz auf ihrem Grundstück an. Ein Konzept dazu stammt von den beiden Darmstädtern Jennifer und Maximilian Kärnbach. Mit ihrem Unternehmen „Staybetter“, das sie letztes Jahr gründeten, möchten sie eine Alternative zu Stellplätzen und Campingplätzen schaffen. Auf ihrer Website staybetter.farm vermitteln sie Wohnmobilisten an Bauernhöfe in ganz Deutschland. Knapp 100 Höfe stehen den Mitgliedern aktuell zur Auswahl. Wer Mitglied wird, kann die Vermittlung zu einem jährlichem Mitgliedsbeitrag von 45 Euro nutzen. Doch die Plätze sind begrenzt. Pro Bauernhof werden zehn neue Mitglieder aufgenommen. Neue Mitgliedsanwärter:innen können auch selbst einen Hof „mitbringen“, der mitmachen möchte. So werden sie ohne Warteliste als Mitglied aufgenommen und sparen sich den ersten Jahresbeitrag.

Über Spenden für die Hofkampagne oder einen Einkauf im Hofladen können Camper:innen ihre Wertschätzung dem Bauern gegenüber für die Übernachtungsmöglichkeit zum Ausdruck bringen. Großen Wert legen die beiden darauf, dass die Stellplätze mitten in der Natur liegen, in einer schönen Umgebung, ohne andere Wohnmobile zum Nachbarn. Außerdem „geht es uns darum, einen Kontakt zwischen Konsumenten und Landwirten herzustellen“, so Maximilian.

Egal, wie genau ein Campingurlaub gestaltet wird, das Freiheitsgefühl, das sich auf einer solchen Reise einstellt, ist unbezahlbar: Wenn mit dem Camper-Van oder Wohnmobil das Zuhause stets dabei ist und jeden Tag aufs Neue entschieden werden kann, welches Ziel heute angesteuert werden soll: „Wir können uns keinen anderen Urlaub mehr vorstellen. Das Tolle ist: Du bist an unterschiedlichen Orten und hast immer Deine Base dabei, steigst in den Bus – und das ist Dein Zuhause“, schwelgt Anny in Erinnerungen – und in Vorfreude.

 

Foto: Cora Trinkaus

Kleine Vanlife-Fibel

Mieten

Darmstädter Reisemobilvermietung, Nieder-Ramstadt: (06151) 42 43 42, reisemobile-darmstadt.de

Eschke Campervermietung, Erzhausen: (06150) 9159943, eschke-campervermietung.de

Paul Camper (Vermittlungsplattform für privates Camper-Sharing): paulcamper.de

Roadsurfer (Camper-Vermietung): roadsurfer.com

Kaufen

Spacecamper, Darmstadt (individuell gefertigte Camper-Vans, Basisfahrzeug: fabrikneue VW T6): spacecamper.de

Linne Liner, Fürth-Lörzenbach (individuell gefertigte Camper-Vans, Basisfahrzeug VW T5 / T6 Transporter, Gebrauchtfahrzeug oder Neuwagen)

Reimo, Egelsbach (Campingbusse, Wohnmobile zum Kauf und Vermietung, Zubehör für den Camperausbau, Module zum Selbstausbau, 
Reimo Camping Megastore): reimo.com

Reisen (Stellplätze, Camping)

Staybetter (knapp 100 ländliche Stellplätze in ganz Deutschland): staybetter.farm

Landvergnügen (über 1.100 ländliche Stellplätze in ganz Deutschland): landvergnuegen.com

Camping.info (Campingplätze in ganz Europa): camping.info

Park4Night (Stellplätze, Campingplätze, Rastplätze auf der ganzen Welt, von Usern geteilt): park4night.com

Community

Vanlife Frankfurt (Facebook-Gruppe, 700 Mitglieder): Regionale Vernetzung von Vanlife-Freunden in und um Frankfurt

Vanlife Germany (Facebook-Gruppe, 52.088 Mitglieder): Vernetzung von Vanlife-Freunden in Deutschland

Vanlust
 (Plattform für bewusstes und nachhaltiges Camping und Vanlife) – mit den zehn Geboten für Camper: vanlust.de/10-gebote/

Vans of Germany (Community für DIY-Camper): vansofgermany.de

Busbastler (Community für Busbastler mit 
Mediathek, Workshops, 1-zu-1-Beratung und Podcast
): busbastler.de

Günzl Classic Parts, Griesheim bei Darmstadt (VW-Bulli-Bus-Shop für die Modelle T1 bis T4 mit allen möglichen Ersatzteilen, Westfalia-Camping-Ausstattung, Zubehör): vwbusshop.de