Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Imposant erhebt sich das Darmstädter Müllheizkraftwerk in den Himmel, der an diesem Nachmittag blau und wolkenlos ist. Aus zwei kleineren Schornsteinen qualmt es, aus dem großen – übrigens das höchste Bauwerk Darmstadts – dringt (wie wir später erfahren) auch etwas heraus, allerdings ist dieser Qualm unsichtbar. Wie ein grauer Riese baut sich der Gebäudekomplex hinter einem Burger-Restaurant auf, als würde es der Fastfoodkette über die Schulter schauen und die dort anfallenden Abfallberge mit strengem Blick begutachten. Große silberne Rohre und blaue Metalltreppen führen am Heizkraftwerk in verschiedene Richtungen, für Laien mag das willkürlich wirken. Nicht jedoch für Bogdan Barabash, der als Betriebsingenieur und Emissionsschutzbeauftragter im Darmstädter MHKW tätig ist.

Wir stehen an der Pforte Otto-Röhm-Straße. Auf einer in den Boden eingelassenen Waage werden die Fahrzeuge gewogen – einmal, bevor sie auf das Gelände fahren, und einmal, wenn sie es wieder verlassen. Aus der Gewichtsdifferenz ergibt sich die Menge an Abfall, die abgeladen wurde. Die Darmstädter Müllverbrennung ist für die Beseitigung des Restmülls aus ganz Darmstadt, Dieburg, dem Odenwaldkreis, dem Landkreis Groß-Gerau sowie etwa dem halben Landkreis Bergstraße zuständig. Rund 238.000 Tonnen Abfall landen hier pro Jahr, an 365 Tagen, Tag und Nacht. Doch das MHKW dient nicht nur dem Zweck der Abfallentsorgung: Mit der durch die Verbrennung entstehenden Wärme wird Wasser erhitzt und der hierbei entstehende Dampf wird einerseits als Fernwärme an die Stadt weitergegeben und andererseits dazu genutzt, um über eine Turbine Strom zu produzieren. Das Krankenhaus, das Hundertwasserhaus und das Nordbad werden auf diese Weise mit Wärme versorgt.

Gerade wird kein Fahrzeug gewogen. Von einem großen Container, in den aus einem Schacht holzkohleartiges Material fällt, dringt Lärm herüber. Bei dem Material handelt es sich um die sogenannte „Schlacke“, das Endprodukt der Verbrennung. Sie wird nun mehrere Monate in einer Deponie gelagert, dann aufbereitet und als Schuttmaterial im Straßenbau weiterverwendet. Auf diese Weise versucht das MHKW, sein „Abfallprodukt“ noch als Rohstoff zu verwenden.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Die Python im Greifarm

Bogdan Barabash steht in der Krankabine, von der aus Kranfahrer kleinwagengroße Greifarme steuern, die den in den Bunker geleerten Müll weiterbefördern. Es ist ein beeindruckender Anblick: Die Sicht auf die meterhohen Müllberge, die sich in dem Bunker auftürmen, Ergebnis von „nur zwei bis drei Tagen Anlieferung“, und der Greifarm, der arbeitet wie die Riesen-Version dieses Greifautomaten, in dem man Plüschtiere ergattern kann. „Das Kurioseste, was je bei uns entsorgt wurde, war eine Pythonschlange“, erinnert sich Barabash. „Da hing rechts und links aus dem Greifarm eine riesige Schlange heraus. Für so was ist hier auf jeden Fall der falsche Ort.“

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Das Privileg einer Müllgebühr

„Die Abfallverbrennung wird immer wichtig sein, um das aus dem Verkehr zu ziehen, was nicht recycelt werden kann“, erklärt Barabash. Das bei der Verbrennung entstehende Rauchgas wird durch mehrere Schritte gereinigt, sodass es frei von Schadstoffen ist, wenn es aus dem großen Kaminschornstein austritt. Übrig bleiben Feinstäube, die nicht in die Schlacke gelangen, sondern extra entsorgt werden müssen: „Die Feinstäube werden mit Zement vermischt und dann zum Beispiel dazu verwendet, alte Salzbergwerke aufzufüllen“, erklärt Barabash. „Die Schadstoffe, die wir aus dem Gas herausfiltern, sind also nicht komplett zerstört. Aber auf diese Weise gelingt es immerhin, sie aus der Kreislaufwirtschaft zu entfernen.“

Im Hinblick auf seine Emissionen muss das MHKW Grenzwerte einhalten, die regelmäßig erneuert werden. Im August 2017 ist eine neue Verordnung in Kraft getreten, die auch Unternehmen dazu verpflichtet, Abfälle zu trennen, was dem Heizkraftwerk die Arbeit etwas erleichtert. Trotzdem sieht Barabash noch Verbesserungspotenzial: „Es würde alles besser funktionieren, wenn die Mülltrennung strenger eingehalten würde. Denn bei dem, was hier verbrannt wird, ist immer noch vieles dabei, das im Kreislauf wiedergenutzt und recycelt werden könnte. Meiner Meinung nach fängt das wirklich bei jeder und jedem Einzelnen zu Hause an.“ Er erinnert außerdem an das Privileg, das man in Deutschland habe: „Auf einer Deponie, wie früher, hat der Abfall den Menschen nichts mehr genutzt und zudem noch das Grundwasser verschmutzt oder Ratten angezogen. Dritte-Welt-Länder können sich keine Müllverbrennungsanlage leisten. Das ist unser Privileg, doch wir sehen oft nur die Müllgebühr auf der Abrechnung und ärgern uns darüber. Ich hoffe, dass die Bürgerinnen und Bürger dies noch mehr zu schätzen lernen und für das Thema Abfall sensibilisiert werden können.“

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Alles neu bis 2028

Seit März 2024 wird das MHKW umgebaut und technisch modernisiert. Hierdurch sollen zum Beispiel eine größere Energieeffizienz sowie die langfristige Herstellung eines phosphorhaltigen Düngers aus Klärschlamm ermöglicht werden. Um auf sich verändernde Umweltauflagen zu reagieren, werden zwei der drei Verbrennungsanlagen komplett umgebaut. „Die Frage nach der Gasversorgung wird für uns auch noch wichtig“, erklärt Barabash, „denn wir benötigen Gas, um unsere Prozesse aufrechtzuerhalten. Das wird noch sehr spannend werden.“ Perspektivisch sollen die gasgetriebenen Prozesse im MHKW mit Wasserstoff durchgeführt werden. Im Dezember 2028 sollen alle Modernisierungsmaßnahmen im MHKW endgültig abgeschlossen sein. Vielleicht schauen wir dann wieder in der Otto-Röhm-Straße vorbei.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

 

Darmstädter Müll-ABC

Aus einem Gespräch mit Orhan Boran (Abteilungsleiter Abfallentsorgung, Abfallverwertung und Schulbusbetrieb) und Klaus Maier (Sachgebietsleiter Abfallwirtschaft) vom Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen (EAD) zogen wir folgende Fragen und Antworten beziehungsweise Erkenntnisse:

Wie stehen die Heinerinnen und Heiner im lokalen Müllvergleich da? 2022 fielen in Darmstadt rund 133 Kilo Restabfälle pro Haushalt an. Zum Vergleich: In Frankfurt waren es 194, in Offenbach 180 und in Wiesbaden 152 Kilo.

Welcher Stadtteil trennt am besten? Allgemein lässt sich sagen, dass es in den Gebieten mit Hochhäusern, wo die Abfallentsorgung anonym ist, eine wesentlich schlechtere Trennquote gibt. Je geringer die soziale Kontrolle, desto höher ist die Quote an Störstoffen im Müll. Müllladungen mit schlechter Trennquote kommen gar nicht erst in die Müllsortieranlage, um recycelt zu werden, sondern werden direkt zum MHKW gefahren und dort ohne Recycling verbrannt.

Koffer mieten – Umwelt schützen! Klingt erst mal seltsam … aber der EAD macht’s möglich: Regelmäßig werden zwei „Umweltkoffer“ an Schulen verliehen, die dann mehrere Wochen durch die Klassen gehen. Die Koffer enthalten neben Informationen für die Lehrkräfte vielfältige Lernmaterialen, Malbücher und Sortierspiele, die die Kinder für das Thema sensibilisieren und ihnen Mülltrennung und Abfallwirtschaft spielerisch näherbringen. Mehr Infos und Bestellung der Umweltkoffer auf: ead.darmstadt.de/unser-angebot/schulen-kitas/abfallberatung-fuer-kinder

Müll zieht Müll an! Entsorgen Menschen ihren Müll in der Wildnis, dann zieht dies nicht nur Ratten und Tauben an, sondern sogar noch mehr Müll! Denn: Wenn jemand Müll sieht, der irgendwo abgelagert ist, ist die Hürde kleiner, auch den eigenen Abfall noch dazuzustellen. Also: Am besten gar nicht damit anfangen! Große Müllmengen an Stellen, an die sie offensichtlich nicht hingehören, können über die Webseite „DA ist was! Mängelmelder Darmstadt“ gemeldet werden: da-bei.darmstadt.de/bms#pageid=1

Darmstadt ist Sperrmüll-Vorreiter! Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Städten ist die Abholung haushaltsüblicher Mengen an Sperrmüll in Darmstadt gebührenfrei. Jede und jeder kann das in Anspruch nehmen, so oft der Bedarf da ist. Nun gibt es also wirklich keine Ausrede mehr, sich vor dem Keller-Ausmisten zu drücken … Terminvereinbarung: telefonisch unter (06151) 1346000

Sonderfall Heinerfest: Anlässlich des Heinerfests sind rund 500.000 Menschen mehr in Darmstadt unterwegs – dementsprechend viel Müll fällt an und muss auch entsorgt werden. Hier fahren Müllabfuhr und Straßenreinigung sogar Sonderschichten. Wohin der Müll kommt, richtet sich bei Festen immer nach dem Abfallkonzept der einzelnen Veranstaltungen. Tatsache ist: Der Großteil wird nicht recycelt, sondern kommt zur Verbrennung ins MHKW.

 

Was kann ich tun? Mülltipps und -tricks

Mach mit bei einer Müllsammelaktion! Die private Initiative „Cleanup Darmstadt“ veröffentlicht regelmäßig Termine für gemeinsame Cleanup-Aktionen auf ihrer Webseite cleanup-darmstadt.de, tagesaktuelle Updates zu den Müllsammelaktionen gibt’s auf Facebook in der „Clean up Gruppe Darmstadt“.

Kreislauftage des EAD: Der EAD organisiert regelmäßig in verschiedenen Stadtvierteln die sogenannten „Kreislauftage“ für die Sammlung von Sperrmüll, Möbel und Elektroaltgeräten. Auch eine Abfallberatung kann auf Wunsch stattfinden. Auf der Webseite des EAD werden die jeweiligen Termine mitgeteilt: ead.darmstadt.de/aktuelles/veranstaltungen

Reparieren statt neu kaufen: Das Fahrrad ist schon lange kaputt, aber die Hürde, sich wirklich mal an die Reparatur zu setzen, zu groß? Das Loch in der Jeans ist langsam nicht mehr zu ignorieren? Und das Handy spinnt auch schon wieder? Auch hierfür gibt es Hilfe, und zwar in einem der vielen Repair-Cafés in Darmstadt. Hier unter Anleitung mit mithilfe von Fachfrauen und Fachmännern repariert es sich viel leichter als zu Hause mit einem Youtube-Tutorial. Mehr Infos und Termine: repaircafes-darmstadt.de + reparatur-initiativen.de/repair-cafe-martinsviertel + michaelsgemeinde-darmstadt.ekhn.de/startseite/gemeinde/repaircafe.html + transition-darmstadt.de/andere-gruppen/repair-cafe

Zur Müllvermeidung gehört auch, dass Ausrangiertes wiederverwendet wird: Gut erhaltene Kleidung, Bücher und Geschirr können zum Beispiel in einem der Oxfam-Shops abgegeben werden, die zu klein gewordene Lieblingsjacke findet im DRK-Second-Hand-Laden „Schrankgeflüster“ ein neues Zuhause und nicht mehr benötigte Möbel sind im Kaufhaus der Gelegenheiten (Ka-Gel) bestens aufgehoben!

Der Be-Smart-Tipp des EAD: Trenne wertvolle Bio-Abfälle! Noch immer landen 40 Prozent der organischen Abfälle in der Restmülltonne und werden anschließend völlig sinnlos verbrannt. Das kostet sehr viel Energie, weil der Abfall zuerst getrocknet werden muss – dafür muss die Verbrennungsanlage viel Energie aufwenden. Würde man den Bio-Müll kompostieren, wäre das sehr viel nachhaltiger!

Tipps zur richtigen Mülltrennung gibt es auf Instagram:

instagram.com/ead.darmstadt

instagram.com/muelltrennungwirkt/guides

 

Veranstaltungen zum Weiter-Informieren

Recyclinghof im Sensfelderweg 33 | Di, 4.6. + Di, 11.6. | 10 bis 14 Uhr: Abfallberatung

Müllsortieranlage in Gernsheim | Mi, 5.6. | 8 Uhr und 12 Uhr: Besichtigungen mit dem EAD zur Aktionswoche der „Mülltrennung wirkt“-Initiative, Anmeldung per Mail an ead-hotline@darmstadt.de

Zoo Vivarium | Fr, 7.6., 9 bis 13 Uhr: Abfallberatung mit Trennbär | Fr, 14.6., 9. bis 13 Uhr: Abfallberatung ohne Trennbär

Bretanowiese in Kranichstein | Sa, 15.6. | 12 bis 19 Uhr: EAD-Infostand auf dem Stadtteilfest „Bunte Wiese“

Geibel’sche Schmiede, Eberstadt | Sa, 22.6. | 11 bis 15 Uhr: EAD-Infostand bei „Eberstadt wird nachhaltig: da mach ich mit“

Friedensplatz + Ernst-Ludwigs-Platz | Sa, 22.6. | 10 bis 15 Uhr: Beim „Tag der Stadtwirtschaft“ stellt der EAD eigene Dienstleistungen vor und bietet Mitmachaktionen an.

Quartiersplatz Lincoln-Siedlung | Sa, 29.6. | 12 bis 19 Uhr: Infostände von EAD und dem Kaufhaus der Gelegenheiten