Foto: Sumit Roy, Faircup GmbH

Jetzt ist es offiziell: Ab 03. Juli 2021 ist die Produktion und der Verkauf von vielen Einweg-Kunststoffprodukten in der EU verboten. To-go-Becher und Fast-Food-Verpackungen aus Styropor sollen dann genauso aus unserem Alltag verschwinden wie Wattestäbchen, Trinkhalme oder Einwegbesteck aus Plastik. Wer am Wochenende gerne mal morgens durch eine hiesige Parkanlage joggt oder spaziert, wird sich vermutlich über deutlich weniger Abfall in den derzeit überquellenden Mülleimern freuen – auch die Gastronom:innen am Woog müssen konsequent umdenken. Verschiedene Pfandsysteme machen es ihnen leichter.

Heißgetränke bekommen Darmstädter:innen auf Wunsch schon seit Längerem nicht mehr im Wegwerf-Becher, sondern in wiederverwendbaren Pfandbechern aus recycelbarem Polypropylen serviert: Recup und Faircup heißen die beiden Anbieter, die sich in unserer Stadt mittlerweile etabliert haben. Was Hoffnung macht, wenn man bedenkt, dass laut Angaben des Bundesumweltministeriums derzeit allein in Deutschland stündlich bis zu 140.000 To-go-Becher für Heißgetränke ausgegeben werden – und laut Stadtkämmerer André Schellenberg „Einwegkunststoffartikel etwa 20 Prozent vom Volumen aller Papierkorbabfälle und des Streumülls ausmachen. Davon entfallen wiederum rund 90 Prozent auf Zigarettenstummel, To-go-Becher und Take-away-Essensverpackungen“.

Mo Missbah vom beliebten Innenstadt-Café Woodrich war einer der Ersten, der Anfang 2020 die türkisen und grauen Becher von Recup auf seiner Kaffeemaschine stehen hatte. „Nachdem ich vor ein paar Jahren das erste Mal gehört hatte, dass Einwegbecher zukünftig wegfallen würden, habe ich mich sofort informiert und bin auf Recup gestoßen“, erzählt er. Er freut sich darüber, dass durch die bundesweite Verbreitung sogar Kund:innen aus Frankfurt oder Wiesbaden das Angebot gerne nutzen. Tatsächlich sei das Mehrwegsystem für ihn als Unternehmer sogar wirtschaftlich gesehen sinnvoll: „Wenn ich vergleiche, was für Mengen an Einwegbechern ich kaufen müsste, um dasselbe Preis-Leistungs-Verhältnis zu erzielen – die könnte ich gar nicht lagern! Natürlich finde ich aber auch den Nachhaltigkeitsgedanken daran gut.“

Becher und Boxen im Pfandsystem

Sowohl die Becher von Recup als auch die von Faircup bestehen nach eigenen Angaben aus BPA- und schadstofffreiem Polypropylen, werden in Deutschland produziert und sind vollständig recycelbar. Unternehmenseigenen Schätzungen zufolge kann man sie bis zu 1.000-mal wiederverwenden. Über ein Pfandsystem können Kund:innen die Becher für geringe Beträge zu ihrem Getränk dazu bestellen und nach dem Genuss wieder gegen den Pfandbetrag (oder beim nächsten Besuch gegen einen frischen Becher) eintauschen.

Seit mehreren Monaten wurden beide Systeme auch um verschließbare Schüsseln für Essen zum Mitnehmen ergänzt: Die Rebowls sehen aus wie Tupperschüsseln in hübsch und werden in Darmstadt unter anderem von Billa’s Catering und Plantyful genutzt. Das Äquivalent von Faircup heißt Fairbox und erfüllt denselben Zweck.

Neben dem Woodrich, Billa’s und dem Plantyful haben mittlerweile unter anderem auch Timm’s Café, das Tibits sowie diverse Tankstellen die Mehrwegprodukte von Recup im Angebot. Nicht nur in den Uni-Mensen, sondern auch im Café Bellevue, im Vinocentral, bei Thilda’s Eis und im Café Fräulein Mondschein gibt es die Becher und Boxen von Faircup. Stetig schließen sich weitere Gastronom:innen einem der beiden Systeme an – und genau das kann manchmal nervig sein, wenn man heute hier, morgen da seinen Kaffee oder sein Mittagessen holt.

Wünschenswert wäre aus Kund:innensicht ein einheitliches System, das flächendeckend greift. Oder Gastronom:innen, die zweigleisig fahren: Wer sich zum Beispiel einen Kaffee im Hofgut Oberfeld holt, kann einfach zwischen beiden Varianten wählen. Das muss man sich aber auch leisten wollen – Gastronom:innen zahlen pro System eine Gebühr zwischen 15 und 45 Euro im Monat.

Foto: Recup GmbH

 

„Plastikverbot“: Was ist verboten – und was nicht?

Die Formulierungen darüber, was seit dem 03. Juli verboten ist, führen schnell in die Irre – denn die Verbote sind lange nicht so konsequent, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. „Verboten sind Einwegbesteck und -geschirr aus Plastik, Trinkhalme, Rührstäbchen, Wattestäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff sowie To-go-Getränkebecher, Fast-Food-Verpackungen und Wegwerf-Essenbehälter aus expandiertem Polystyrol (bekannt als Styropor)“, heißt es auf der offiziellen Webseite der Bundesregierung. Zu den künftig verbotenen Wegwerfprodukten zählen auch solche aus sogenannten „biobasierten“ oder biologisch abbaubaren Kunststoffen sowie Pappteller, die nur zu einem geringen Teil aus Kunststoff bestehen oder mit diesem überzogen sind. Von einem „Plastikverbot“ zu sprechen ist genau genommen trotzdem falsch: Plastiktrinkbecher etwa werden nicht verboten, wie unter anderem die Deutsche Umwelthilfe kritisiert. Deren Abfallexperte Thomas Fischer plädiert schon lange für eine verbindliche Mehrwegpflicht. Und die kommt auch bald.

Mehrwegpflicht erst ab 2023

„Diese ganze Mentalität – einmal nutzen, weg und hopp – das muss jetzt mal aufhören“, begründete Umweltministerin Svenja Schulze diesen Schritt gegenüber dem SWR. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg: Bereits produzierte Einwegprodukte dürfen noch abverkauft werden. Erst 2022 werden auch die dünnen Kunststofftragetaschen, in die das To-go-Essen häufig für den Transport (und gegen das Auslaufen von Saucen) eingepackt werden, verboten. Und erst ab 2023 ist es für Restaurants, Catering-Betriebe und Lieferdienste verpflichtend, Mehrwegbehälter für Gerichte zum Mitnehmen und Bestellen anzubieten. Bleibt also noch etwas Zeit, sich mit Rebowls & Co. einzudecken oder sich andere Konzepte zu überlegen.

An den Kaffee im Mehrwegbecher sollten wir uns aber schon mal gewöhnen. Zwar applaudieren nicht alle den Angeboten von Faircup, Recup und Konsorten. Denn: Auch Mehrwegplastik ist immer noch Plastik. Das ist für viele Umweltschützer:innen ein zu großer Kompromiss, solange nicht sichergestellt wird, dass die Produkte nach ihrem Einsatz wirklich zu einhundert Prozent recycelt werden. Ob Glas oder Porzellan in der To-go-Gastronomie Sinn ergeben, bezweifelt Mo vom Café Woodrich allerdings stark. „Wenn ich bedenke, wie viele Tassen und Gläser bei mir im alltäglichen Betrieb schon vor Ort kaputtgehen … ich glaube nicht, dass das funktionieren würde.“ Und übrigens: Die allermeisten Cafés in Darmstadt schenken Kaffee und Tee nach wie vor auch gerne in (saubere) mitgebrachte Becher und Tassen aus.

 

Mehrwegsysteme in Darmstadt (und Umgebung)

Deutschlandweit hat sich bislang hauptsächlich Recup (recup.de) durchgesetzt. In Darmstadt ist auch Faircup (fair-cup.de) stark vertreten. Beide Systeme bieten im Internet Karten an, auf denen man teilnehmende Gastronom:innen lokalisieren kann.

Auch die h_da hatte in den vergangenen Jahren an einem Mehrwegbecher für Darmstadt gearbeitet, der lange angekündigt wurde, aber nie wirklich realisiert werden konnte. Stattdessen sorgte die Stadt Darmstadt gemeinsam mit der HEAG dafür, dass das Göttinger Angebot Faircup auch zu uns nach Darmstadt kam.

Der Reichelsheimer Gastronom Thomas Treusch entwickelte außerdem das System Pfand-Box, welches für Take-away-Gerichte konzipiert ist und hauptsächlich von Restaurants im Odenwaldkreis genutzt wird. Mehr Informationen dazu gibt es auf pfand-box.de.