Es gibt keine Klingel, aber wenn sie nicht zuhause ist, kann man ihr eine kleine Nachricht auf die Kreidetafel schreiben, die an ihrer Haustüre hängt: „Liebe Claude, auf einen Milchkaffee im Weststadtcafé kurz vor Sonnenuntergang?“ Claude Wilhelm ist viel unterwegs, aber wenn sie sich für jemanden oder etwas Zeit nimmt, dann mit Muße. Auch der Entschluss, in Darmstadt zu leben, brauchte Zeit und ist gewachsen aus einer deutsch-französischen Odyssee, einem Hin und Her zwischen Liebe und Beruf in der Modebranche.
In Lyon studierte die gebürtige Elsässerin Modedesign und fand 1980 einen Job bei Betty Barclay in Heidelberg. Dort lernte sie auch ihren ersten Mann kennen, durch den sie finanziell so abgesichert war, dass sie das Arbeiten wieder sein ließ. Kurz darauf sprach man sie auf der Straße an, und es begann eine Karriere als professionelles Model. Sie lebte in Hotels, lief über Laufstege quer durch Europa- und ihrem Mann davon. Bald schon hatte sie das Leben in der Welt der Schönen über und folgte einem Jobangebot von Louis Ferrault nach Darmstadt. Ansässig wurde sie dort jedoch noch nicht. Claude ging nach München, zurück nach Lyon, arbeitete in England als Design Consultant, und sie reiste ins arme Westafrika – ein prägendes Erlebnis.
Ein Anruf ihrer alten Liebe und die Einladung in das neue Haus am Oberfeld ließ sie 1993 noch in der gleichen Nacht die Koffer packen und zurückkehren: Die Beziehung hielt nur sechs Monate, aber von nun an sollte Darmstadt ihr Zuhause bleiben. Heute steht unsere Stadt für die 50-jährige Französin für ein intaktes soziales Umfeld, für Lebensqualität und Genuss. Sie fand eine alte Scheune (in der Nähe des Güterbahnhofs), renovierte und gestaltete sie. Und sie entdeckte ihr handwerkliches Talent. Ihr offenes Wesen beschert ihr einen großen Freundeskreis, ihre handwerkliche Begabung verschafft ihr bis heute zahlreiche Jobs und damit verbundene Reisen.
Umgeben von einem nostalgischen Bretterzaun hat sich Claude eine „Villa Kunterbunt“ geschaffen, ein Juwel mit handgefertigten Bodenmosaiken aus Kachelresten einer benachbarten Firma, einem verwunschenen Gärtchen, verwinkelten Zimmern und liebevollen Details. „Das hier ist meine Oase, zu der ich immer wieder zurückkehre, mein kreatives Input hole ich mir auf meinen Reisen, beispielsweise in Paris“, erzählt sie. Während andere ihre Mantras im Yoga singen, setzt Claude ihre Leidenschaften und Energien direkt um- und lebt auf bewundernswerte Weise den Moment, auch beim Arbeiten.
In Marokko erlernt gestaltet sie wunderschöne Bäder mit Tadelakt, einem antiken Kalkputz. Mit dem Rad fährt sie jeden Morgen ins Nordbad zum Schwimmen oder auf Inlinern Richtung Odenwald. Als umtriebige Netzwerkerin begegnet man Claude im Darmstädter Kulturleben und an den schönsten Orten dieser Stadt.