Illustration: Lisa Zeißler

Zum Führerschein anmelden, ein Bankkonto eröffnen, den Job wechseln – na klar können wir Frauen das machen, wann und wie wir es möchten. Das ist doch selbstverständlich. Oder? Noch vor etwa 40 Jahren hätten wir für all diese Dinge die Unterschrift des Ehemanns (falls verheiratet) oder des Vaters (falls nicht verheiratet) benötigt. Unvorstellbar! Dass dies nicht mehr so ist und wir heute selbstständig entscheiden können, haben wir den Frauen der vorigen Generationen zu verdanken.

Auch in Darmstadt gab es Frauen, die sich nicht bevormunden lassen wollten, die für ihre Rechte eingetreten sind und mit dazu beigetragen haben, dass wir heute selbstbestimmt leben können. Diese lokalen Heldinnen und ihre Projekte haben Ruth Häntschke, Barbara Obermüller und Kirsten Koch-Schäfer in ihrem Buch „Darmstädterinnen im Aufbruch – Autonome Frauenprojekte der letzten Jahrzehnte“ versammelt.

Drei Jahre lang haben die Darmstädterinnen – die selbst aktiv an verschiedenen autonomen Frauenprojekten beteiligt waren oder sind und die Frauenbewegung zum Teil von Anfang an selbst miterlebt haben – an dem Buch gearbeitet, bis es im September 2018 veröffentlicht wurde. Unterstützung erhielten sie durch das städtische Frauenbüro sowie Spenden, den größten finanziellen Teil haben aber sie selbst gestemmt. Zur Veröffentlichung des Buches gründeten sie einen Verein, den Autonome Frauenprojekte e. V., bestehend aus den Gründerinnen, ihren Töchtern und Freundinnen. Die durch den Verkauf der Bücher erlangten Einnahmen werden nur zur Kostendeckung genutzt, alles darüber hinaus wird gespendet.

Ein Wunsch wird Wirklichkeit

Die einzelnen Projekte in einem Buch zu sammeln, war den Autorinnen ein dringendes persönliches Anliegen. „In vielen Buchhandlungen hier in Darmstadt gibt es Tische mit Büchern rund um Darmstadt. Dabei ist mir aufgefallen, dass es keine Bücher über Frauen gibt. Wo sind die Frauen, habe ich mich gefragt,“ erklärt Ruth Häntschke. Diese Lücke zu schließen sowie das Wissen über die einzelnen Frauenprojekte für künftige Generationen zu bewahren, das hat die Autorinnen zu ihrem Buch motiviert: „Bei mir war es das Bewusstsein: Dieses Wissen wird auch vergessen werden, wenn es nicht aufgeschrieben wird“, ergänzt Barbara Obermüller.

Frauen in den Fokus

Außerdem soll das Buch zu einer Wahrnehmungsänderung beitragen. „Es gibt wahrscheinlich in jeder Stadt Frauen, Schriftstellerinnen oder andere Frauen, die etwas geleistet haben, doch sie finden sich nicht einmal in Straßennamen wieder. Jetzt ist eigentlich Luise Büchner die erste bürgerliche Frau, die in Darmstadt ein Denkmal bekommen hat, sonst sind es nur Adlige. Und Männer gibt es da ja jede Menge“, erläutert Barbara Obermüller. Aus diesem Grund kommen in diesem Buch eben jene zu Wort, die Teil der Frauenbewegung in Darmstadt waren – von der Nachkriegszeit bis heute. „Das Tolle war, dass wir viele Frauen aus der Zeit kannten“, sagt Barbara Obermüller. So konnten sie die ersten Interviews führen und Informationen sammeln. Aber auch Flyer, Zeitschriften und das Stadtarchiv dienten den Autorinnen als Quellen.

Ursprung Frauenhaus

Das erste Thema, mit dem sie sich beschäftigten, war die Gründung des Darmstädter Frauenhauses. „Das war eine harte Sache damals, die nicht gewollt war“, stellt Ruth Häntschke fest. „Erst mit der Gründung konnte über häusliche Gewalt gegen Frauen gesprochen werden,“ ergänzt Barbara Obermüller. Die vielen unterschiedlichen Projekten haben die Darmstädter Autorinnen im Buch thematisch in insgesamt elf Kapitel zusammengefasst. Es finden sich Projekte von Künstlerinnen, Stadtplanerinnen und Nachbarinnen sowie von „Unerschrockenen“ und „Wagemutigen“. „Wir haben alle Projekte aufgenommen, einzig den Bereich Frauen im Sport konnten wir aus Zeitgründen nicht mehr betrachten“, sagt Barbara Obermüller und merkt an, dass sie dies gerne in einer Neuauflage des Buches nachholen würde, wenn es dazu kommt.

Der Aufbruch ist jetzt!

Die Autorinnen wünschen sich, dass vor allem junge Frauen „Darmstädterinnen im Aufbruch“ lesen und wahrnehmen, „dass die Frauenbewegung bundesweit ein unglaublicher Aufbruch war, dass eine Veränderung stattgefunden hat, die bis heute nachwirkt, und dass Frauen auch heute weiter für ihre Rechte einstehen müssen“, so Barbara Obermüller. Mit ihrem Buch haben sie auf jeden Fall dafür gesorgt, dass ihre LeserInnen echte „local heroes“ als Vorbilder finden.

„Darmstädterinnen im Aufbruch“ ist im Justus von Liebig Verlag erschienen und im Buchhandel für 14,80 Euro erhältlich.

 

Männeraufbruch 2019 – Jahrbuch für Männer in der Gegenwart

Nicht nur die Frauen in Darmstadt befinden sich seit der Frauenbewegung im Aufbruch, auch die Männer – nämlich weg vom konservativen Konzept der Männlichkeit. Dies diagnostiziert der Darmstädter Herausgeber Boris von Heesen und hat in „Männeraufbruch 2019 – Jahrbuch für Männer in der Gegenwart“ 38 Texte von (unter anderem Darmstädter) AutorInnen versammelt, die sich diesem Thema gewidmet haben.

Lektüre für mutige Männer

Das Buch richtet sich an „alle Männer, die bereit sind, ausgetretene Pfade zu verlassen“ – und ist mindestens genauso interessant für Frauen. Die AutorInnen aus Literatur-, Kultur-, Sozial- und Religionswissenschaften, mit Hintergründen in der Pädagogik, der Medizin, der Betriebswirtschaftslehre oder der Umwelttechnik, haben Essays, Kurzgeschichten und Gedichte verfasst, in denen die Männer der Gegenwart in den Blick genommen werden. Mal heiter, mal ernst, mal wissenschaftlich, mal erzählend kommt das Plädoyer für eine neue Männlichkeit daher. Von Heesens Ziel ist es, mit diesem Buch „neue Sichtweisen und unerwartete Perspektiven“ vorzustellen und vor allem das Konzept Männlichkeit kritisch zu hinterfragen. Genauso wie Frauen nicht in die Prinzessinnen- oder Hausfrauen-Schublade gesteckt werden sollten, müssen Männer nicht den klassischen, veralteten Vorstellungen à la „harter, starker Cowboy, der einsam in den Sonnenuntergang reitet“ entsprechen.

Von Heesens Buch – für 24,95 Euro online erhältlich – regt nicht nur zum Nachdenken über die gesellschaftliche Vorstellung von Männlichkeit an, sondern auch über die Geschlechterkonstruktion im Allgemeinen. Lesenswert!

www.maenner-aufbruch.de