Illustration: Ninja Stadtler
Illustration: Ninja Stadtler

Für den Alltag eines Darmstädters, einer Darmstädterin ist das Jugendstilbad ein mit Thermal-wasser befülltes Juwel direkt vor unseren Haustüren und begehrtes Ziel für Wellness-Pilger. Heißluft und Hamams für Heiner liegen nun im Zentrum der Stadt. Es könnte also ganz einfach sein. Badetasche aus dem Keller geschnappt, hingeradelt – geschwelgt und genossen.

 

 

Wellness als Heiner(in) im Jugendstilbad will vorbereitet sein

Die blickdurchlässigen Holzverkleidungen der Süd­fassade des Bades bringen es architektonisch auf den Punkt: Sehen und gesehen werden. Ein Saunagang im Jugendstilbad kann zum lokalpolitischen Aufguss werden, wenn im Whirlpool des Spas die Gerüchteküche blubbert. Will man wirklich wissen, welcher Darmstädter Oberspießer die Liegen mit seinem Handtuch dauerreserviert? Will man sehen, dass der Kollege aus der anderen Abteilung so wie Gott ihn schuf, aber in abgeschabten, königsblauen Adiletten zur Kräutersauna schreitet? Der Exfreund mit der unsympathischen Kommilitonin aus der Mittwochs-Vorlesung im düstersten Winkel des Klangbades knutscht? Oder möchte man lieber nicht mit der eigenen Unlockerheit konfrontiert werden und solchen Situationen aus dem Weg gehen?

Haben wir Darmstädter vielleicht nun endlich die Chance, über den Dingen zu stehen beziehungsweise zu schwimmen? Vielleicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass man dem Lebenstilkonzept Wellness halbwegs anonym frönen kann, besteht ja durchaus, zieht das Jugendstilbad nebst Heinern auch Hessen und andere Hergereiste an. Dennoch löst das Saunavorhaben folgendes bei mir aus: Vor dem Badbesuch steht eine Rundum-Körperbehandlung inklusive Epilation, Mani- beziehungsweise Pediküre an, Badetasche und Kulturbeutel werden nur mit exquisiten Accessoires bestückt, die sich sehen lassen können. Ein Friseurbesuch wird anberaumt. Vor dem Spiegel werden Haltungen überprüft und eingeübt, Yoga und Mantras festigen die psychische Verfassung für das, was eventuell kommen mag. So kann ich mich – jugendlich und stilvoll – auf das gleichnamige Bad einlassen. Die Dauer für die Vorbereitung des Wellness-Besuches allerdings entspricht der Tagesreise in ein entferntes Thermalhotel, wo man ehemals in der Le-Corbusier-Liege lag und dachte: „Wenn die mich jetzt alle hier sehen könnten!“

www.jugendstilbad.de