Illustration: Max Strütt

„Liebe Studierende, liebe Mitarbeitende, liebe Freunde – ein langer Winter liegt hinter uns!“ So oder so ähnlich klingt es gerade in allen Mails, Newslettern und Rundbriefen. Und es stimmt ja auch: Der Frühling ist so heiß ersehnt wie selten zuvor. Aber was tun, an wen und wohin in Darmstadt wenden, wenn aus Corona-Müdigkeit doch Schwermut oder gar Depression wird? 

Denn die vielen Online- und Ersatzveranstaltungen, Homeoffice-Sessions, digitale Gruppentreffen und Tage in der immer gleichen Jogginghose fordern ihren Tribut: Viele von uns sind einfach ausgelaugt, müde – aber wir halten durch, es kann schließlich nur besser werden. Und da der Mensch auch sehr anpassungsfähig ist, können wir wirklich darauf hoffen, dass der Sommer neue Freude und Leichtigkeit bringt. Doch was, wenn er das nicht tut? Was, wenn die vielen Umstellungen, Anpassungen, ständigen Änderungen und die zunehmende Entfremdung von allem, was einmal normal schien, nicht im Licht der Mittagssonne unwichtig erscheinen, sondern uns nachhaltig schwer belasten? Dann ist das nicht nur vollkommen nachvollziehbar, sondern auch der Punkt, an dem wir uns eingestehen müssen, dass es vielleicht ein Problem gibt.

Bekanntlich ist der erste Schritt der schwerste, stimmt das?

Sich etwas eingestehen müssen, das klingt schon so furchtbar, dass wir es vor uns herschieben wie ein verhasster Drittversuch. Denn es ist eben immer noch so, dass ein Bedürfnis nach Hilfe schnell als Zeichen mangelnder Organisation, Willensstärke oder Durchhaltefähigkeit abgetan wird. Diese gesellschaftliche und persönliche Hürde zu nehmen und sich zu entschließen, den eigenen Dämonen nicht das Feld zu überlassen, ist der erste, schwere Schritt auf dem Weg zu neuem Mut oder zurück zu alten Leidenschaften.

Fakt ist, dass die Pandemie uns alle in die Knie zwingen kann und es keinen Grund gibt, dem nicht entgegenzuwirken. Ob Trennung oder gezwungenes Zusammenleben, Online-Uni oder Angst vor Ansteckung am Arbeitsplatz, Isolation, Überforderung – oder einfach das Gefühl, dass alles anders ist und nichts so richtig gut: Wo es ein Problem gibt, da auch eine Lösung. Und so wähnen wir uns, naiv wie wir sind, schon in Nähe derselben. Doch dann stellt sich heraus, dass nicht dieser Schritt der schwerste ist. Wir suchen Therapieplätze und finden elend lange Wartezeiten, volle Listen oder die Aussicht, sich bis ins nächste Leben mit privaten Sitzungen zu verschulden.

Dabei sind die Ärzte da – es gibt nur einfach zu wenige mit staatlicher Zulassung. Der Mangel an Therapeuten, die durch die Krankenkasse bezahlt werden, liegt in einer veralteten Bedarfsplanung: Bereits 2012 wurde festgestellt, dass seit 1999 nicht mehr aktualisiert wurde, wie viele Plätze wirklich zur Verfügung stehen müssten („Therapeut verzweifelt gesucht“, Jens Lubbadeh, Spiegel Online, 05.07.2012). Und daran hat sich nichts geändert. Die Situation ist bekannt, nicht erst, seit Jan Böhmermann dem Thema eine ganze Sendung gewidmet hat (ZDF Magazin Royale, 04.02.22). Aber besser wird es dadurch auch nicht. Es heißt also warten. Währenddessen weitermachen, nicht verzweifeln, auf besseres Wetter hoffen. Letzteres kommt deutlich zuverlässiger und schneller als der ersehnte Platz. Das ist nun aber keine Lösung und kein Zustand. Und die Energie, die bereits in das Aufraffen und in die Bereitschaft zu einer Therapie geflossen ist, nicht zu nutzen – dafür war der Aufwand einfach zu groß.

Gut also, dass es mittlerweile ein breites alternatives Angebot gibt. Auch wenn das den Platzmangel nicht löst, ist es doch eine richtige und wichtige Herangehensweise an das Problem. Von Apps bis betreuten Spaziergängen ist alles dabei, der große Bedarf äußert sich in der Vielzahl an verschiedenen Optionen. Und auch wenn eine App-Lösung erst mal cool klingt, chic und hip, übertrifft doch nichts das gute alte persönliche (Gesprächs-)Angebot.

Selbst sind die Menschen – und die Heiner:innen sowieso.

Und davon hat Darmstadt einiges zu bieten. Genauso vielfältig wie psychische Belastungen sind auch die angebotenen Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung. Dabei spaltet sich das Sortiment in verschiedene Kategorien auf: Zwischen Beratungen und regelmäßigen Treffen gibt es Hilfe für akute Krisen und durchgängig besetzte Telefonleitungen.

Den wohl niedrigschwelligsten Zugang bietet die Telefon-Seelsorge Darmstadt. Mit einer kostenfreien Nummer und einer Erreichbarkeit von sieben Tagen die Woche, 24 Stunden am Tag, ist sie Anlaufstelle für alle Menschen mit Gesprächsbedarf. Aus Film und Fernsehen kennen wir dieses Prinzip, hier geht es aber meist um Suizidversuche oder ähnlich dringende Anliegen. Doch schon lange, bevor ein Problem sich in dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit steigern kann, lohnt sich ein Anruf. Denn das Team der Telefon-Seelsorge versteht sich außerdem als Präventionsstelle und Ort der allgemeinen Kommunikation. Trauer, Einsamkeit oder die Frage nach dem Sinn des Lebens sind ebenso valide Gründe wie Selbstmordgedanken oder eine Gewalterfahrung. Unter dem Motto „Sorgen kann man teilen“ wird so ein anonymer Raum des Austauschs geschaffen, in dem ausgebildete Berater:innen Rat geben, Trost spenden oder einfach nur zuhören.

Während diese Telefonnummer eher in Richtung Erstanlaufstelle und akuter Hilfe wichtige Arbeit leistet, setzt sich das Darmstädter Bündnis gegen Depressionen dafür ein, über diese weit verbreitete Krankheit aufzuklären und Betroffene (und ihre Angehörigen) bestmöglich zu unterstützen. Während das Bündnis ausdrücklich darauf hinweist, dass eine ärztliche Behandlung nicht ersetzbar ist, bietet es begleitend Workshops, Yoga-Kurse, Malkreise und eine Fülle an Informations- und Beratungsangeboten an. Weil Antriebslosigkeit und der Verlust von Leidenschaften und Interessen sehr häufige Depressionssymptome sind, hat sich das Bündnis darauf spezialisiert, gerade dort anzusetzen. Die Psycholog:innen, Soziolog:innen und Therapeut:innen kennen die Krankheit und wissen, dass „Aktiv werden statt depressiv sein“ nicht nur ein schöner Leitspruch ist, sondern auch der Weg aus der Krankheit. So steht neben der Informationsvermittlung immer auch ein physisches Angebot im Vordergrund. Dabei ist – Stand: Mitte Februar – 2G+ die einzige Voraussetzung für die Kursteilnahme; Online-Angebote gibt es ebenso. Auch hier wird gewährleistet, dass jede:r einen Zugang zu diesem Thema findet – egal ob auf der Suche nach einem Therapieplatz oder einer Gruppenaktivität.

Der Winter ist vorbei und die schönen Tage liegen vor uns. Das ist jedoch kein Grund, naiv zu werden und zu glauben, dass sich das Unwohlsein der Pandemie, der kalten Jahreszeit und des allgemeinen Lebensstresses immer und bei allen einfach in Luft auflöst. Und das heißt nicht, dass wir Obsessionen mit der eigenen Gesundheit entwickeln und an allen Ecken und Enden den „worst case“ befürchten sollen, sondern nur, dass es nicht verwunderlich ist, dass die Nerven blank liegen, die Energiereserven aufgebraucht sind, bereits bestehende Belastungen nur noch schlimmer wurden – und, dass es Hilfe und Unterstützung für jedes erdenkliche Problem gibt. Auch für alle Dinge, die noch Probleme werden könnten. Das Angebot ist da, auch in Darmstadt. Jetzt müssen wir es nur noch nutzen.

 

Hilfe in akuten Krisen

Telefon-Seelsorge Darmstadt: (0800) 111 0111 und (0800) 111 0222

24 Stunden täglich, auch an Sonn- und Feiertagen

 

Psychiatrischer Notdienst Darmstadt e. V.: (06151) 159 4900

Fr, Sa + an Sonn- und Feiertagen, jeweils von 18 bis 23 Uhr

 

Nightline FFM (anonym von Studierenden für Studierende): (069) 79817238

Di + Do von 20 bis 24 Uhr

 

Evangelisches Krankenhaus Elisabethenstift Darmstadt, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie: (06151) 4030

Zentrale Notaufnahme: Landgraf-Georg-Straße 100

 

Beratungs- und Anlaufstellen

Darmstädter Bündnis gegen Depression: (0176) 29848573

Erbacher Straße 29, 
E-Mail: da-buendnis@gmx.de

 

Selbsthilfebüro Darmstadt (Paritätischer Wohlfahrtsverband Hessen e. V.)
: (06151) 8506580

Rheinstraße 67, E-Mail: selbsthilfe.darmstadt@paritaet-projekte.org

Mo + Mi von 09.30 bis 12 Uhr + Do von 15 bis 18 Uhr

 

Ortsverband Darmstadt der Angehörigen psychisch Kranker e. V.: (06151) 788122

www.angehoerige-darmstadt.de und E-Mail: info@angehoerige-darmstadt.de

 

Sozialpsychiatrischer Dienst am Gesundheitsamt: (06151) 330929

Niersteiner Straße 3

Mo bis Do von 08 bis 16 Uhr + Fr von 08 bis 12 Uhr

 

Gemeindepsychiatrisches Zentrum der Caritas: (06151) 609 60

Wilhelminenplatz 7

 

Projekt ANNA („AllesNurNichtAufgeben“, Junge Menschen in Krisen, Suizidprävention): (0800) 6688100

Telefonsprechstunde: Mo bis Fr von 13 bis 15 Uhr

Offene Sprechstunde: Mo bis Do von 13 bis 14 Uhr