Foto: Band
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In Darmstadt gibt es eine überraschend große Reggae- und Ska-Szene. Dazu gehört auch die Band Ease Up Ltd., die sich im Jahr 2008 gründete, aber irgendwie schon seit 2002 besteht. Die neun teils auch hauptberuflichen Musiker, die anderweitig als Begleitmusiker mit berühmten Namen der Branche große Bühnen teilen, drängen sich für ihr Lieblingsprojekt gerne auch verschwitzt auf viel zu kleine Bühnen. Der Funke springt da meist viel schneller über. Aber früher oder später berauscht sich eigentlich immer das Publikum an ihnen, nicht zuletzt Dank des charismatischen Frontmanns Baptiste Languille. Ein Gespräch mit drei Musikern von Ease Up Ltd. über Helene Fischer, Stromausfälle und ihre neue CD „Long Way“.

 

Das P: Seit wann gibt es Ease up Ltd.?

Nils Peter (Bass): Seit 2008. Es gab vorher seit 2002 die Reggae-Band Riddim Revolution, die sich 2008 auflöste, als der Sänger die Band verließ. Der Rest blieb aber beisammen … und mit neuem Sänger, also Baptiste, entstand so direkt die neue Band.

Also wechselte damals eigentlich nur der Sänger, das musikalische Fundament blieb bestehen. Wie traft Ihr so schnell auf Baptiste?

Olaf Heinrichsen (Keyboards): Ja, aber der Wechsel war schon ziemlich entscheidend. Gefunden haben wir ihn wirklich klassisch über eine Kleinanzeige in einem Online-Musikerforum, wo er als HipHop- und Reggae-Künstler eine Band im Rhein-Main-Gebiet suchte.

Baptiste Languille (Gesang): Ja, das ging sehr schnell. Ich bin eigentlich gebürtiger Franzose [ein leichter, sehr charmanter Akzent ist verblieben, Anm. d. Red.] und erst 2007 mit meiner Frau nach Deutschland gezogen. Ich hatte früher in Paris sehr viel Musik gemacht und wollte das hier nach einer Eingewöhnung eben auch. Der Nils meldete sich dann auf meine Anzeige und ich bin noch in der Woche zur ersten Probe in einen Keller in der Heimstätten-Siedlung gekommen. Ich kam rein, als sie bereits spielten … [wippt mit dem Körper] und das hat so höllisch gut gegroovt, dass ich wusste: Das ist es, das passt perfekt.
Also der erste Versuch war gleich der Glückstreffer für beide Seiten …

O: Ja, kann man definitiv so sagen.

Und wieso kamst Du nach Deutschland, Baptiste?

B: Oh je, das ist etwas kompliziert. Aber eigentlich wegen der Familie. Und ich hatte hier in Gießen „Angewandte Fremdsprachen“ studiert und dabei auch meine Frau kennengelernt, die eigentlich aus Mazedonien stammt. Jetzt wohnen wir im Taunus. Zu den Proben fahre ich dann immer nach Darmstadt.

Was hat sich im Vergleich zu Riddim Revolution geändert?

O: Vor allem der Gesangsstil. Baptiste bringt stimmlich auch immer ein bisschen Dancehall und Ragga mit ein.

B: Funk- und Soul-Einfluss ist aber auch immer dabei.

O: Natürlich, das kommt ja auch durch die Zusammensetzung der Band, die alle aus anderen Zusammenhängen kommen. Von Klassik und Jazz bis zu Pop ist da alles vorhanden. Und Funk und Soul ist ja eh immer ein gemeinsamer Nenner für vieles.

B: Reggae ist ja auch sehr breit gefächert. Und das passt natürlich zu uns, weil wir da viel mit reinnehmen können, was die Styles angeht. Es ist eben nicht monoton. Da kann es dann auch mal ein bisschen Richtung Elektro-Soul gehen. Oder natürlich Funky Reggae.

Jamaikanische Musik beschränkt sich nicht auf klassischen Reggae, sondern blickt auf eine lange Tradition mit unterschiedlichen Stilen und Variationen zurück. Beginnend mit dem rhythmisch-folkigen Mento (spätes 19. Jahrhundert) und dem Jamaican Jazz (um 1900) sowie dem melodischen Calypso aus Trinidad-Tobago (um 1920) entwickelte sich der schnelle Ska (Ende 1950er), der etwas langsamere Rocksteady (Mitte 1960er) und darauf basierend der eher entspannte Reggae (Ende der 1960er). Weitere wegweisende Genres sind der tief-basslastige Dub (1973), der mit Synthesizern/Drumcomputern generierte Dancehall (Anfang 1980er) und der eher aggressive Ragga (Ende der 1980er). Sämtliche Stile sind teils nochmal in zig Variationen unterteilt, was aber meist wirklich nur für geschulte Ohren Sinn macht. Für Reggae gibt es beispielsweise die Unterteilungen Early Reggae, Roots Reggae, Lovers Rock, Rockers, Modern Reggae, Funky Reggae, New Roots und mehr.

Drei von Euch spielen ja auch bei der ebenfalls sehr Jamaika-lastigen Band Ska Trek. Wie würdet Ihr die Unterschiede definieren?

O [lässt den Experten raushängen]: Also das sind schon riesige Unterschiede. Ska Trek spielen Traditional Jamaican Ska, Calypso und Rocksteady, beeinflusst von den 1960ern in Jamaika. Ease Up Ltd dagegen Roots Reggae und Modern Reggae mit ein paar Einflüssen von Dancehall und Ska[echauffiert] Das hört man doch deutlich.

[genervt] Ja, klar. Ich wollte es nur nochmal schriftlich haben. Wie kriegt Ihr eigentlich organisatorisch neun Köpfe unter einen Hut?

O: Auftritte organisieren ist schwierig, weil wir im fortgeschrittenem Alter sind, Familien und Jobs haben. Da gemeinsame Termine zu finden, ist echt nicht immer einfach.

B: Für die meisten in der Band ist Ease Up Ltd. aber auch das Herzensprojekt. Deshalb funktioniert es doch immer wieder.

O [augenzwinkernd]: … zumal wir ja gerade auch die Platte veröffentlicht haben …

Ach ja, hätte ich fast vergessen … hat die Platte noch mal einen zusätzlichen Schub gebracht? Im Rhein-Main-Gebiet kennt man Euch ja schon gut, aber überregional ist so eine Platte als Promotion doch ziemlich wichtig, oder?

O: Ja, definitiv. Wir sind motivierter und froh, endlich mal alles auf Tonträger gebannt zu haben. Und die Resonanz von Veranstaltern ist besser, wenn man was vorzuweisen hat.

Ihr habt ja mal eine kleine Tour gemacht, wenn ich recht erinnere …

O [irritiert]: Nee, ich glaube, das hätte ich mitbekommen. [grinst] Vielleicht spielen wir hier so oft, dass es wirkt wie eine Tour.

Stimmt, seit Monaten auf Darmstadt-Tour.

N: Also bisher hatten wir höchstens zwei Gigs hintereinander. Mini-Tour also.

O: Das ist eben das Problem mit der fehlenden Zeit. Mindestens ein Drittel der Band müsste sich Urlaub nehmen, um für umme unterwegs zu sein. Geld-verdienen kann man mit kleinen Konzerten ja fast gar nicht. Und die wenige Gage muss ja immer noch durch neun geteilt werden. Das ist eine reine Spaß-Sache.

Wie lange habt Ihr bei der CD von der Idee bis zur fertigen Produktion gebraucht?

B [peinlich berührt]: Das sagen wir lieber nicht.

O: Oh ja, das hat wirklich lange gebraucht. Zwei Jahre mindestens … [ironisch] das wurde alles seeehr sorgfältig überlegt.

N [lacht]: Der CD-Titel „Long Way“ ist ja schon sehr bewusst gewählt. Steht für sich.

B: Organisatorisch war das nicht optimal. Aber wir haben daraus gelernt. Und wir hatten eigentlich auch viel zu viele Songs aufgenommen, sind also irgendwie übers Ziel hinausgeschossen.

O: Wir hatten 19 Songs eingespielt, aber nur 13 kamen auf die CD. Da hätten wir eigentlich früher fertig sein können, weil jeder Song für sich ja eine gewisse Produktionszeit hat. Aber wir wollten auch mal alle Songs, die wir im Repertoire hatten, aufgenommen haben. Insofern war das schon gut. Jetzt haben wir eben was in petto.

Wie laufen bei Euch die Absprachen bei so vielen Bandmitgliedern? Basisdemokratisch?

N: Wir haben uns eigentlich ganz gut aufgeteilt, was die Aufgaben angeht. Jeder hat da so seinen Part. Das klappt gut.

B [grinst]: Ich bin zum Beispiel dafür zuständig, unsere Konzerttermine immer zu spät auf unserer Webseite zu veröffentlichen.

Und wie ist es bei den Kompositionen und Texten?

B: Also ich habe da zwei Muster für uns erkannt: Es gibt das eine Muster, bei dem ich mit Lyrics oder einer Songidee ankomme. Jeder ist da dann ziemlich frei, was sein Instrument angeht. Wir sind ja alle so lange schon professionelle Musiker, dass es ohne große Regeln abgeht. Und das zweite Muster ist völlige Improvisation, also drauflos jammen. Da kommen wirklich oft großartige Sachen raus. Da beginnt einer am Klavier oder Bass und die anderen setzen was dazu und dann rollt es. Wir haben dann immer ein Tonbandgerät laufen, damit wir die Ideen auch wieder reproduzieren können.

Ease Up Ltd. spielten als Support für berühmte Musiker wie Ziggy Marley [einer der zahlreichen Musiker-Söhne der Reggae-Legende Bob Marley] und zahlreiche Festivals wie Schlossgrabenfest, Museumsuferfest Frankfurt, Afrika Karibik Festival Aschaffenburg und mehr. Ihre Live-Shows dauern bis zu zweieinhalb Stunden und enthalten auch manch illustre Coverversion wie Peter Gabriels „Sledgehammer“.

Was waren die Highlights in sieben Jahren als Band?

O: Boah, es gab viele Highlights. Besonders unsere fette Release-Party vor 400 Leuten in der Centralstation.

N: Und die beiden Gigs im Club „Das Bett“, als die noch in Frankfurt-Sachsenhausen residierten. Da ist wirklich der Schweiß von der Decke getropft.

B [strahlt]: Oh ja, die Bühne winzig klein und wir dicht gedrängt. Die Backstage-Tür war direkt neben der Bühne und als wir darin verschwanden, haben die Leute wie wild auf die Tür eingeprügelt, damit wir wieder rauskommen. Das ging mehrere Zugaben lang so. So was bleibt natürlich im Gedächtnis.

Und was hat nicht so gut geklappt?

O [augenzwinkernd]: Wir wurden da vor kurzem während des Heinerfests von einem bekannten Stadtmagazin-Macher zum ersten Konzert auf die Piazza eingeladen. [grinst] Da fiel viermal der Strom aus und um halb zehn war das Bier alle. ‚[Anm. d. Stadtmagazin-Machers: Ursache für den Stromausfall waren die C(h)emtrails am Himmel über der Piazza. Und das Pils ist bei 42 Grad im Schatten einfach zu schnell verdunstet. Es wurde dann schnell welches nachbestellt, war also nur ne kurze Pils-Durststrecke.]

N [räuspert sich]: Eija, es gibt eben manchmal so Tage. Wir haben mal auf einem Schulfest und später auf einem Schwimmbad-Fest gespielt … das hätten wir uns wirklich sparen können, weil …

B: … weißt Du, das war auf der Bühne wie auf einem Ruderboot sitzen, kräftig rudern, aber überhaupt nicht voran kommen, weil …

O [lacht]: … echt überhaupt kein Publikum da war. Nee, das waren aber echt Ausnahmen. Wir werden ja wirklich live meistens ziemlich abgefeiert, deshalb macht das für uns auch alles Sinn, obwohl wir von der Gage nicht leben können.

Ihr seid ja keine reine Darmstädter Band. Fühlt Ihr Euch trotzdem zugehörig zur Bandszene hier?

O: Es wohnen nicht alle in Darmstadt, Baptiste zum Beispiel im Taunus. Aber wenn man uns fragt, würden wir das schon als Herkunft nennen. Wir sind jetzt in der Bandszene nicht so extrem vernetzt, ich persönlich eher in der DJ-Szene. Mit Concrete Jungle haben wir immer guten Kontakt gehabt und natürlich mit Ska Trek durch die personellen Überschneidungen.

B: Ich bin als jemand, der nicht direkt hier wohnt, aber immer wieder überrascht, wie vielseitig und gut die Bandszene hier ist. Ich habe das Gefühl, es blubbert hier vor Kreativität. So Bands wie Phil Fill oder Okta Logue sind obergeil. Oder auch die Band Satelliters, die neben uns im Proberaum spielen, ist großartig.

Was liegt an in naher Zukunft?

O: Wir haben gerade ein Video zu „You’re a woman“ gedreht, so eine Art Session-Video aus dem Studio. Gedreht haben das die Offenbacher Sascha und Johannes. Das war für umme, weil die das auch als Referenzmaterial für ihre Video-Produktions-Firma Smart Session Clips verwenden wollen. Ansonsten schauen wir jetzt schon nach Terminen für 2016, besonders für Festivals. Da muss man sich mittlerweile so früh drum kümmern, um eine Chance zu haben.

B: Und unsere Platte wird es jetzt auch als Online-Release geben, weil die 500 CDs, die wir gepresst haben, schon fast alle weg sind.

Wow, das ist ja großartig und heutzutage eher selten, dass es so schnell geht.

N: Naja, wir sind ganz gut vernetzt und eben neun Musiker, die wiederum alle Freunde haben. Das multipliziert sich schnell, zum Glück.

O: Und unsere Freunde sind zu alt, um sie so was selber zu brennen [alle lachen].

B: Die gleiche Zielgruppe wie Helene Fischer.

Na, das ist doch ein würdiger Abschluss für dieses Interview.

(Das Interview hätte beinahe nicht zu Papier gebracht werden können, da der P-Redakteur kurz nach dem Gespräch von einer kolossalen Wespe „geknutscht“ wurde und mit dicker Gesichtsschwellung beinahe gen Jagdgründe … [elende Drama-Queen, Anm. d. Red.] )

 

Mitglieder: Baptiste Languille (Vocals), Christian Gross (Drums), Olaf Heinrichsen (Keyboards), Deniz Alatas (Gitarre), Arne Strohauer (Percussion), Nils Peter (Bass), Jan-Hinrich Brahms (Trombone), Max Härtel (Saxophon), Moritz Mainusch (Trompete)

www.easeupltd.com

CD „Long Way“ online hören: www.easeupltd.com/long-way-2015-long-player

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