Foto: Jan Ehlers

Im Fußballgeschäft herrscht bekanntermaßen ein Kommen und Gehen. Auch bei den Lilien rotiert das Personalkarussell immer schneller. Von den einstigen Drittligaspielern, die vor fünf Jahren den Höhenflug bis in die Bundesliga starteten, zählen nur noch Sandro Sirigu und Rückkehrer Marcel Heller zum aktuellen Kader. Zuletzt sank die Verweildauer der Spieler am Bölle rapide.

Der 20. Juli 2017 war ein überaus sonniger Tag – und das war auch ganz gut so. Denn an jenem Donnerstag bat der SV Darmstadt 98 zur Saisoneröffnung ans Böllenfalltor. Vor der mit den Fans besetzten Haupttribüne präsentierte sich der komplette Kader des SVD zum offiziellen Mannschaftsfoto. Wer heute, also rund 20 Monate später, die Spielerreihen von damals durchgeht, der fühlt sich wie in eine andere Zeit versetzt. Schau mal da, da ist ja Hamit Altintop. Schräg vor ihm steht Jan Rosenthal neben Kevin Großkreutz. Und wie hieß dieser teuerste Neuzugang der Vereinsgeschichte aus der Slowakei gleich noch mal? Ach Quatsch, der war ja Slowene und hörte auf den Namen Roman Bezjak. Auch Markus Steinhöfer, Jamie Maclaren und Artur Sobiech zählten im Juli 2017 zu den Blau-Weißen.

Ordentlich auf links gedreht


Lässt man die Torleute Daniel Heuer Fernandes, Florian Stritzel und Joël Mall außen vor, dann erlebt man beim Durchzählen der noch aktuellen Lilienspieler eine faustdicke Überraschung. Wie viele der damals abgelichteten 25 Feldspieler tragen denn in der aktuellen Rückrunde überhaupt noch die Lilie auf der Brust? Vielleicht 14? Oder doch eher 10? Weit gefehlt! Nur noch sieben dieser Kicker trainieren und spielen heute noch am Bölle: Yannick Stark, Tobias Kempe, Sandro Sirigu, Immanuel Höhn, Wilson Kamavuaka, Marvin Mehlem und Fabian Holland. Drei Transferperioden unter Dirk Schuster hatten gereicht, um den Kader mal so richtig auf links zu drehen. Immerhin fünf Spieler zählen aktuell wenigstens noch zum Dunstkreis des SVD, sind sie doch derzeit verliehen und könnten damit in der neuen Saison wieder zu den 98ern stoßen. Doch ob das bei Julian von Haacke (derzeit SV Meppen), Orrin McKinze Gaines II (FSV Zwickau), Patrick Banggaard (AE Pafos), Silas Zehnder (Viktoria Aschaffenburg) und Romuald Lacazette (1860 München) tatsächlich realistisch erscheint? Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass keiner von ihnen am Bölle Fuß fassen wird.

Neue Trainer, neue Spieler

Letztlich wird dies von ihren Leistungen während der Ausleihe abhängen, aber mehr noch von Dimitrios Grammozis. Der ehemalige Bundesligaprofi steht seit Ende Februar beim SVD in Lohn und Brot und versucht, in den verbleibenden Partien das Team von der Abstiegszone fernzuhalten. Naturgemäß bringt jeder Coach seine ganz eigenen Vorstellungen vom Spielstil und den dafür richtigen Spielern mit. Und da die 98er seit Dirk Schusters erstem Abgang im Sommer 2016 sechs Transferperioden mit drei verschiedenen Trainern (Norbert Meier, Torsten Frings und erneut Schuster) bewältigten, veränderte sich der Kader entsprechend fundamentaler, als dies womöglich bei personeller Kontinuität auf dem Trainerstuhl der Fall gewesen wäre. Der eher defensiv ausgerichtete Spielstil von Schuster benötigte leidenschaftliche Spielertypen, die eine Partie nicht zwingend proaktiv gestalten. Dabei griff er gerne auf das Prinzip der Ausleihe zurück, wie bei Dong-Won Ji, Romain Brégerie und Tim Rieder. Spieler, die er zudem vorher bereits trainiert hatte. Torsten Frings schlug bekanntermaßen einen anderen Weg ein. Er verpflichtete auch jüngere, entwicklungsfähige Spieler, die er mit langjährigen Verträgen ausstattete wie Marvin Mehlem, Julian von Haacke oder Jamie Maclaren. Und Norbert Meier setzte im Verbund mit Holger Fach auf Kontakte ins Ausland und zog drei Ukrainer und besagten Roman Bezjak an Land, von denen keiner so recht glücklich wurde.

Zuletzt blieben die Neuen im Schnitt nur noch ein Jahr


Wobei, Igor Berezovsky ist wieder zurück. Der dritte Torwart aus Bundesligazeiten darf die Torhüterriege wegen der verletzten Max Grün und Rouven Sattelmaier auffüllen. Da derzeit noch Schuster und Frings mit ihren Co-Trainern auf der Gehaltsliste stehen, ist es wichtig, auch in der nächsten Saison wieder lukrativen Zweiligafußball in Darmstadt zu sehen. Ein langfristig und erfolgreich am Bölle wirkender Grammozis wäre Gold wert. Denn dann besteht die Hoffnung, dass perspektivisch nicht mehr so fundamental am Kader korrigiert werden muss. Die Verweildauer der Spieler am Bölle nahm zuletzt jedenfalls rapide ab. Blieben die Feldspieler, die zur und während der Zweitliga-Aufstiegssaison 2013/14 kamen, im Schnitt zweieinhalb Jahre beim SVD, so verweilten sie in der darauffolgenden Erstliga-Aufstiegssaison immerhin noch zwei Jahre im Verein.

Die Neuen, die 2015/16 mithalfen, den Bundesliga-Klassenerhalt zu feiern, spielten durchschnittlich anderthalb Jahre in Darmstadt. Bei den in der Saison 2016/17 Hinzugekommenen sank der Schnitt auf nur noch 1,2 Jahre und in der Saison 2017/18 auf fast genau ein Jahr. Von den acht neuen Feldspielern auf dem eingangs erwähnten Mannschaftsfoto sind nur noch Kempe und Mehlem da. Von den dann zur Winterpause gekommenen fünf Neuen nur noch Joevin Jones und Slobodan Medojevic. Das lag mitunter an den nur für kurze Zeit ausgeliehenen Spielern, aber auch an Fehlgriffen und den sportlich eher mauen Jahren, ohne Kontinuität auf dem Trainerstuhl. Hoffen wir, dass diese Zeiten bald zu Ende gehen.

 

Hauptsache, Klassenerhalt!

Sa, 30. März, 13 Uhr: Darmstadt 98 – Jahn Regensburg

So, 07. April, 13.30 Uhr: SpVgg Greuther Fürth – Darmstadt 98

Sa, 13. April, 13 Uhr: 1. FC Magdeburg – Darmstadt 98

So, 21. April, 13.30 Uhr: Darmstadt 98 – VfL Bochum

Fr, 26. April, 18.30 Uhr: 1. FC Köln – Darmstadt 98

www.sv98.de

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

www.kickschuh.blog

www.hochundweit.wordpress.com