Philipe Havlik | Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Der neue Geschäftsführer der Grube Messel ist gerade auf der Aussichtsplattform bei der Gartenarbeit zu finden. Zwischen den Steinen wachsen Pflanzen heraus, deren Wurzeln Philipe Havlik mit der langen Spitze seines Geologenhammers zu entfernen versucht. Auf sein Werkzeug angesprochen freut sich Havlik: „Das ist sogar ein heiliger Hammer!“ Und erklärt stolz: „Der ist von Adolf Seilacher!“ Seine Pressefrau Lukardis Wencker nickt begeistert, als bedürfe der Name keiner weiteren Erklärung. Wikipedia hilft weiter: „Adolf Seilacher galt als einer der profiliertesten und innovativsten Paläontologen weltweit.“ Bei den Gebieten, in denen er „bedeutende Beiträge“ lieferte, „Maßstäbe setzte“ und „Impulse gab“, wird es für Außenstehende wieder kryptisch, aber Seilacher ist kurz gesagt der Albert Einstein der Paläontologie.

„Dass sie mir nach seinem Tod seinen Hammer vermacht haben, ist eine unglaubliche Ehre“, sagt Havlik, der an Seilachers Universität in Tübingen studiert hat. „Geologen pflegen eine sentimentale Beziehung zu ihrem Hammer“, erklärt der 45-Jährige. „Wenn Du ihn verlierst, musst Du eine Kiste Bier zahlen, das ist also eine ganze ernste Sache.“ Wie ernst dies und der folgende Satz, „man bewegt sich nicht ohne Hammer aus dem Haus“, tatsächlich gemeint sind, geht allerdings im Brummen eines mit Meterholz beladenen Traktors unter. „Das ist übrigens unser Buchhalter, der kümmert sich gerade um Sturmschäden“, stellt Havlik den Treckerfahrer vor. „Das nennen wir Work-Work-Balance.“

Ungewöhnlicher Empfang

Ungewöhnlicher könnte der Empfang in einem Hessischen Landesbetrieb wohl kaum ablaufen. Auch PR-Managerin Wencker bekräftigt: „Um hier eingestellt zu werden, muss man auch ein bisschen verrückt sein.“ Die junge Doktorin gehört zu acht Mitarbeiter:innen, die Havlik seit seinem Amtsantritt im April 2023 ins 15-köpfige Team geholt hat. Neben möglichst freier Wahl ihrer Aufgaben genießen alle den nach eigener Aussage „flachen und kollegialen“ Führungsstil Havliks, zu dem auch täglich gemeinsames Mittagessen gehört. Neben der Gartenarbeit erwischt man den Chef übrigens auch schon mal beim Geschirrspülen. Dabei verstehe er seinen Job ansonsten eher darin, darauf hinzuarbeiten, am Ende möglichst gar nichts tun zu müssen, erklärt Havlik. Da darf ihn dann auch mal der Praktikant inkognito bei der Online-Konferenz vertreten, während Havlik draußen in der Sonne über seine Pläne für die Welterbestätte brütet.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co
Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Urpferdchen aus drei Fundstellen

Die Liste der Dinge, die Havlik in seinem ersten Jahr umgesetzt hat, ist bereits lang: Zum ersten Grubenfest kamen mehr als 2.000 Besucher:innen. Die Buchhaltung wurde digitalisiert und durch Nachverhandlungen bei Land und Zuliefern gewonnenes Budget in eine komplett neue Ausstellungstechnik gesteckt. Und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung kam Mitte Juni die Fördermittelzusage, „einen innovativen pädagogischen und technischen Gestaltungsansatz zur maximalen individuellen Wissensvermittlung“ mit Augmented Reality (AR), einer smarten Besucherführung und Künstlicher Intelligenz (KI) für das Museum zu entwickeln. Für die aktuelle Sonderausstellung „Die Kunst der Evolution. Urpferd gestern – heute – morgen“ brachte Havlik mal eben zum ersten Mal überhaupt die Urpferdchen aus allen drei deutschen Fundstellen zusammen. Und so gibt es nun im Besucherzentrum auch dauerhaft deutlich mehr Fossilien zu bestaunen sowie eine wachsende Sammlung an Modellen aus dem 3D-Drucker.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Spielerisches Lernen und ein Biergarten mit „Messelbräu Lager Hell“

„Mit extrem viel Pressearbeit und extrem vielen Veranstaltungen haben wir 2023 zum ersten Mal seit 30 Jahren ein Besucherwachstum erreicht“, sagt Havlik. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 wuchs die Zahl um zehn Prozent auf knappe 30.000 Menschen. Die sollen bald auch selber nach Fossilien graben dürfen. Havlik wartet nur noch auf die Baugenehmigung des „Grab mal“ genannten Gebäudes. Außerdem ist auf dem 7.000 Quadratmeter großen Gelände ein Spielplatz geplant, um Kinder über „spielerisches Lernen“ zu erreichen. Die Älteren sollen sich dann über einen Biergarten freuen können. Das Bier dafür hat Havlik bereits mit in der Grube geerntetem Hopfen brauen lassen. Auf dem Etikett des „Messelbräu Lager Hell“ brüllen zwei Urpferdchen vor einem explodierendem Vulkan.

 

2. Messeler Grubenfest

Die UNESCO-Welterbestätte Grube Messel lädt zum zweiten Mal zu einem bunten Programm mit Führungen, Vorträgen, Ausstellung und verschiedenen Aktionsständen. Diesmal mit Margit Oppermann und Norbert Wendel zur Bürgerinitiative, die eine der weltweit bedeutendsten Fundstätten vor der Umwandlung in eine Müllkippe bewahrten, und zur Industriegeschichte der Grube Messel. Dazu Stände der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, des Hessischen Landesmuseums Darmstadt, des UNESCO Global Geoparks Bergstraße-Odenwald, des Museumsvereins Messel e. V., von Hessen-Forst und dem Verein für internationale Waldkunst e. V. Wegen begrenzter Parkplätze am besten mit dem Fahrrad oder Bus kommen (FM-Bus-Haltestelle „Messel – Grube Messel Besucherzentrum Abzweig“)!

Grube Messel (Besucherzentrum, Open-Air-Museum und Grabungstätte) | So, 18.8. | 10 bis 17 Uhr | Eintritt frei

grube-messel.de