Foto: Jan Ehlers

Darmstadt kann grün, Darmstadt kann bio, Darmstadt kann nachhaltig – mittlerweile sogar ganz schön gut! In unserer Reihe „Das gute Leben“ stellen wir Euch Orte und Menschen vor, die dazu beitragen.

Bei Second-Hand-Möbeln denken die meisten von uns vermutlich an Studi-WGs und die unglaublich hässliche, aber zum Versacken bestens geeignete Couch vom Sperrmüll um die Ecke, die man gerade noch so vorm Dauerregen retten konnte. Vielleicht noch an Ebay Kleinanzeigen, weil man da mit Glück und Geduld manchmal echt gute Schnäppchen schießen kann. Aber daran, dass man bei Bedarf an Möbelstücken oder Haushaltsgeräten ganz regulär im Second-Hand-Laden shoppen gehen kann (wie sonst bei der Lust auf ein fast neues Kleidungsstück), daran denken vermutlich die Wenigsten. Dabei haben wir ein echtes Vorzeigemodell an gepflegter und gut sortierter Zweckmäßigkeit seit mehr als einer Dekade in unserer Stadt.

13 Jahre „Ka-Gel“

Das Kaufhaus der Gelegenheiten (Ka-Gel) in der Pallaswiesenstraße 122 wurde im November 2006 vom Verein Zündholz e. V. ins Leben gerufen. Den hatte der Sozialpädagoge Olaf Peter ein Jahr zuvor gegründet, um Menschen mit einer schwierigen Vergangenheit und Lücken im Lebenslauf (etwa nach einer Drogenkarriere oder einem Gefängnisaufenthalt) oder auch einer Behinderung eine Perspektive zu bieten – und ihnen den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen. Im Ka-Gel können sie zurück in ein geregeltes Leben finden, Verantwortung übernehmen und Wertschätzung erfahren. Und die Arbeit dort mit etwas Glück als Sprungbrett nutzen. Rund zehn Mitarbeiter sind es momentan, die im Projekt Beschäftigung finden, sowie eine Handvoll Ehrenamtlicher. Bedarf an mehr zupackenden Händen besteht immer.

Aber der soziale Aspekt ist nur ein Teil der Idee hinter dem etwas anderen Kaufhaus. Lange bevor das Wort „Nachhaltigkeit“ an alle Häuserwände gesprüht wurde, waren Olaf Peter und seine Frau Beate schon der Meinung: „Wir müssen diesen Konsum stoppen. Es darf eigentlich nichts mehr hergestellt werden – wir haben doch alles!“ Zu viel landete auf dem Sperrmüll, was eigentlich noch gut genutzt werden könnte.

Vom Stockbett bis zum Stabmixer

Und so werden auf den 600 Quadratmetern des Ka-Gel nun seit 13 Jahren gebrauchte, aber sehr gut erhaltene Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände verkauft: Vom Stockbett, das man in besserem Zustand auch nicht als Ausstellungsstück aus dem Möbelhaus seiner Wahl bekommen würde, bis zum sporadisch gebrauchten Stabmixer ist alles dabei. Sogar ganze Küchen kann man im Ka-Gel für verhältnismäßig wenig Geld kaufen. Deko-Artikel, Geschirr, Spielzeug, Lampen und Büro-Bedarf … was der/die Vorbesitzer/in nicht mehr gebrauchen konnte und von Beate Peter und ihren MitarbeiterInnen als „noch gut in Schuss“ beurteilt wurde, landet im Verkauf. Vom Erlös finanziert sich das Kaufhaus selbst, der/die Spender/in muss sich nicht um die Entsorgung kümmern, und ein/e Dritte/r freut sich über günstigen Wohnungszuwachs.

Diese/r Dritte ist längst nicht mehr nur, wer sich nichts Neues leisten kann, sondern auch alle mit einem Sinn dafür, dass nicht immer alles neu produziert werden muss. Trotzdem kommt auch beim Verkauf der soziale Aspekt im Ka-Gel nicht zu kurz: Hartz-IV- oder BaföG-Empfänger/innen, Azubis und Rentner/innen mit weniger als 800 Euro Rente bekommen noch mal 20 Prozent Rabatt. Außerdem ist das Kaufhaus für viele eine Anlaufstelle für gute Gespräche, weiß Beate: „Ich sage immer, wir sind wie eine Teestube, ohne dass wir Tee ausschenken.“ Hätte das Ka-Gel schließen müssen, wie bis in den Sommer hinein noch befürchtet, wäre für viele auch eine wichtige soziale Adresse weggebrochen.

Eigentlich logisch: das Ka-Gel und der EAD

Aber warum schließen? Das Ka-Gel wird – neben seinen Einnahmen plus den Haushaltsauflösungen, die das Team des Ka-Gels ebenfalls durchführt – ausschließlich durch Sachspenden finanziert. Davon muss alles gezahlt werden: Hallenmiete, Autos, Versicherungen, Mitarbeiter. Oft war das in den vergangenen Jahren eine knappe Kiste. Deshalb hatten die Peters Anfang des Jahres beschlossen, zum Herbst einen kleineren, günstigeren Ka-Gel-Standort zu finden – oder ganz zu schließen. Nur durch eine glückliche Verkettung verschiedener Gespräche hatten die Verantwortlichen des Eigenbetriebs für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen der Stadt, des EAD, Wind davon bekommen.

Der EAD ist unter anderem verantwortlich für Abfallvermeidung und -verwertung – und hat an seiner Spitze Menschen, die ähnlich denken wie Olaf und Beate Peter: Schon länger hatte die Betriebsleitung nach Möglichkeiten gesucht, mehr von den Dingen, die etwa auf dem Sperrmüll oder auf dem Wertstoffhof entsorgt werden, zu retten. Eine Kooperation zwischen EAD und Ka-Gel ist die logische Konsequenz – und eine Win-Win-Situation: Der EAD übernimmt zukünftig die Miete der Halle in der Pallaswiesenstraße und kann durch das Ka-Gel den Abfall reduzieren. „Indem gut erhaltene Gebrauchtwaren von den Menschen länger genutzt werden können, tragen wir zur Abfallvermeidung bei“, erklärt Stadtkämmerer Andrè Schellenberg. „Zugleich müssen kurz- und mittelfristig wertvolle Ressourcen nicht zur Herstellung von neuen Gegenständen verbraucht werden. Die Nutzungsdauer von Gegenständen zu verlängern, bedeutet natürliche Ressourcen zu schonen und die Umwelt zu schützen.“ Herrlich, wenn einmal so unbürokratisch und sinnstiftend Synergien genutzt werden!

Und so können wir bei der bevorstehenden Geburtstagsfeier am Dienstag, 26. November, bei Kaffee, Tee und Kuchen nicht nur „13 Jahre Ka-Gel“ feiern, sondern auch eine Kooperation, die neben dem gemeinsamen Betrieb des Kaufhauses der Gelegenheiten auch viele spannende Ideen angehen will: den Aufbau einer Verleihstation und einer Tauschbörse etwa, die Gründung eines Wiederaufbereitungs- und Reparaturnetzwerks unter Einbindung der bestehenden Repair-Cafés (und die Installation neuer) sowie die Bestückung bestehender öffentlicher Bücherschränke. Wir freuen uns darauf.

 

Kaufhaus der Gelegenheiten: Wo, wann, wer?

Ihr findet das Ka-Gel in der Pallaswiesenstraße 122. Geöffnet ist es dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 16 Uhr. Parkplätze gibt es direkt vor der Halle mit den (barrierefreien) orangenen Türen. Mit dem Bus fahrt Ihr bis zur Haltestelle „Windmühle“. Wer ehrenamtlich anpacken oder Sachspenden vorbeibringen will, der melde sich bitte vorher per Telefon, E-Mail oder Whats-App: Beate Peters freut sich über die Kontaktaufnahme via info@ka-gel.de, (06151) 8001912 oder (0171) 8147213.

www.darmstadt-secondhand.de