Die Tasche: Noch vor wenigen Jahren beherbergte sie – sofern in weiblichem Besitz – Geldbörsen, Schlüssel, Taschentücher und allenfalls noch einen Lippenstift. Männer besaßen sie gar nicht, es sei denn, geschmacklich verirrt, als Pfeifenaufbewahrung am Handgelenk. zur beruflichen Verwendung dominierte der Aktenkoffer mit Zahlenschloss, das Freizeittransportmittel war der Rucksack. Mit ihm begann in den 90er Jahren die modische Mutation: Er schrumpfte zum Miniatur-Rucksack, der Alternative zum Damenhandtäschchen. Die Outdoorbranche entwickelte Rucksäcke, die spezielle Funktionen je nach Sportart ihres Käufers aufwiesen, bis hin zum Wickelrucksack mit Halterungen für Babyfläschchen und Schnuller. Dennoch blieben es Rucksäcke mit ReinholdMessner-Touch. Doch dann kam das asymmetrische Crossbag hinzu, eine Art Rucksack, der seine beiden Schultergurte für einen einzelnen, nun diagonal geführten, hergab. Sehr rasch war diese Missgeburt der Taschenmode wieder vom Aussterben bedroht. Was jedoch blieb, waren der Gurt und das diagonale Tragen von Umhänge-Taschen. Und was damit kam, ist eine bis heute unerschöpfliche und an kreativen Einfällen kaum zu überbietende Welt der Taschen.

Taschen können heute bisweilen mehr als ihre Besitzer: Sie funktionieren, sie transportieren und sie kommunizieren sogar. An der Tasche erkennt man den (beabsichtigten) Lifestyle ihres Trägers. Sie ist Aushängeschild für bestimmte Milieus, nach denen auch die Werbebranche ihre Konsumenten sortiert: Es gibt Taschen für Konservative, für Hedonisten, für Etablierte, für Postmaterielle, für erfolgreiche Experimentalisten oder für den „modernen Performer“. Taschen sind Kulturbotschafter, Taschen verbinden und Taschen schaffen Netzwerke. Und sie besitzen auch Inhalt.

Die Designer von Taschen wollen heute weit mehr, als eine Hülle zum tragen schaffen, und sie tun dies auch erfolgreich in Darmstadt und näherer Umgebung: hier finden sich nämlich gleich drei junge und mittlerweile europa- bis weltweit bekannte Taschenlabels, die das P-Magazin besucht und zum Phänomen Tasche befragt hat.

 

A wie Airbag Craftworks

Die Idee, aus Luftmatratzen Taschen zu nähen, entstand im Sommer 1995 aus der not heraus: Paul David Rollmann, passionierter DJ und heutiger Inhaber des Taschenlabels, suchte nach einer Verpackung für seine Vinyl-Maxis.

Diese sollte aber nicht nur funktional, sondern auch optisch ansprechend sein. Also funktionierte er kurzerhand eine alte Luftmatratze um. Schnell erwies sich die gut aussehende Tasche als äußerst praktisch für die schweren Lasten, die ein DJ zu transportieren hat. „Geboren im heimischen Hobbykeller und aufgewachsen zwischen derbe scheppernden DJ-Bunkersessions und sommerlichen Blumenwiesen-chill-outs, präsentierte Airbag Craftworks bereits Mitte der Neunzigerjahre mit seinen LuftmatratzenTaschen den bis heute gültigen Blueprint in Sachen stilvoller und sicher transportierbarer Plattenbehältnisse“, schrieb intro.de. Die Neuentdeckung machte die Runde und Rollmanns Umfeld bestellte begeistert handgefertigte Airbag-Unikate.

Bis heute hat sich das Angebot im Taschensegment um ein Vielfaches erweitert. Modelle wie „One Night Stunt“ bieten neben Platz für Shirt und Hose auch das richtige Fach für Deo und Zahnbürste, das „Nerdbag“ bietet dem Laptop ein sicheres Zuhause. Und das Minihipbag, eine kleine HüftTasche, ist das Lieblingsmodell des weltweit erfolgreichen Darmstädter DJs Ricardo Villalobos – man sieht ihn nie ohne die um die Hüfte geklipste Tasche an den Plattendecks agieren. In einer alten Schule in Kleestadt, in der Paul David Rollmanns Vater bereits Herrenoberbekleidung hergestellt hatte, werden heute monatlich 400 bis 500 Taschen produziert, rund um den Globus vertrieben und – nicht nur von DJs! – getragen. neben dem ursprünglichen Recycling- und Urlaubsgedanken vereint das Unternehmen Airbag Craftworks seinem Selbstverständnis nach auch die Bereiche Kunst, Musik, Grafikdesign und Straßenkulturen – und ist in den 14 Jahren seines Bestehens erwachsen geworden.

Eine neue Kollektion namens „a2“ mit Schwerpunkt im Textilbereich (T-Shirts, Sweats, Jeans und Anzüge) betont das „Craftwork“ – das „Verständnis für Qualitätsarbeit, Design und Passion“. „Der für Airbag typische Hybridcharakter aus Alt und neu bleibt aber, genauso wie die Tatsache, dass es sich um Handmade-Produkte aus Deutschland handelt, da es den Machern am Herzen liegt, die Produktionskilometer möglichst klein zu halten“, erklärt Firmengründer Paul David Rollmann.

www.airgabcraftworks.com

Airbag TaschenFoto: Hersteller

 

L wie Logstoff.com

Das Merkmal der Logstoff-Tasche ist das der Kommunikation. neben vielen anderen durchdachten Funktionen wie der des herausnehmbaren Portemonnaie erwirbt der Käufer einer Tasche eine eigene E-MailAdresse, die man – wenn gewünscht – sichtbar an der Tasche anbringen kann, um sich mit anderen Logstoff- Taschenbesitzern auf einer Kommunikationsplattform im Internet auszutauschen.

Als die Marke Logstoff.com im Jahr 2000 vom Büro iD4 entwickelt wurde, befand sich die Thematik der Internetforen noch in den Kinderschuhen. Überzeugen konnten die Markenentwickler aus der Wackerfabrik im Mühltal mit ihrer für „Sternjakob“ entworfenen ersten Tasche weniger den „Lederwarenfachhandel“ als andere Handelsbranchen, für die Kommunikation eine Bedeutung hat. So kommt es, dass Logstoff-Taschen vorwiegend in Bekleidungsgeschäften und sogar in Einrichtungsläden zu finden sind und sich im Kontext mit anderen Konsumgütern präsentieren. Bemerkenswert sind die kunstvollen Projekte, die sich Logstoff.com ausdenkt, um sich mit der Vielfalt des Themas zu beschäftigen. „Es war uns wichtig, die Kontaktmöglichkeiten dazustellen, die durch eine Logstoff-Tasche vorhanden sind und auf keinen Fall das image einer ,BaggerTasche‘ aufkommen zu lassen“, beschreibt Axel Ricker, einer der Geschäftsführer von iD4, die für Logstoff.com entwickelten Marketingstrategien.

Jüngstes Projekt war die City-Spot-Aktion, bei der Logstoff-Taschenträger beliebte Orte in ihren Städten mit einem Aufkleber kennzeichnen konnten, woraus eine Art internet-Städteführer entstand. Die Form der Logstoff-Taschen orientiert sich an den Kommunikationsmitteln, die in der Tasche Platz finden: Laptop-Formate, Handys und Ordner sind Grundlage für die Formate, die bislang entwickelt wurden und je nach Saison in neuen Farben erscheinen.

Die Bereiche „Mann“ und „Tasche“ haben sich angefreundet, weil heute viel mehr (elektronische) Sachen zu transportieren sind, so Axel Ricker über einen der Gründe für die „Erfolgsgeschichte Tasche“ im Allgemeinen und den „Erfolg der Logstoff-Taschen“ im Besonderen. Eine neue Laptop-Serie „logt“ den Taschenfan in diesem Herbst wieder „an“ oder auch „ein“.

www.logstoff.com

 

Z wie Zwei

im Zentrum der „Zwei“-Tasche steht die Mobilität. Weg vom Image des Liegerad-Fahrers und der Sattel-Tasche handelt es sich um eine fahrradkompatible BusinessTasche, die noch dazu schön ist. Das liegt daran, dass ihre cleveren Funktionen versteckt und trotzdem im Handumdrehen nutzbar sind. „ich wünsche mir für die Taschenbranche noch mehr Ideen zur Funktion, ohne, dass die Taschen dominant durch diese Zeichen geprägt sind“, sagt Florian craciun, der gemeinsam mit Heiko Müller, Inhaber der Fahrradmarke „Riese und Müller“ die Idee der Tasche entwickelt hat. Er hinterfragt damit die Notwendigkeit, einen Bergsportrucksack sofort an Isomatte und Eispickel erkennen zu müssen. Die Zwei-Taschen beispielsweise halten die Möglichkeit, die Tasche per Klickfix-Gepäckträgerhalter an Fahrrädern zu befestigen, sehr dezent unter einer rückwärtigen Klappe mit Klettverschluss versteckt.

Ein sogenannter „Zwei-Wege-Gurt“ ermöglicht es, die Tasche per integriertem Bauchgurt am Körper so zu fixieren, dass sie bei Bewegung nicht stört. Vor allem in Asien, wo das Fahrrad als Transportmittel viel stärker genutzt wird als hierzulande, hat sich die Zwei-FahrradTasche am Markt etabliert. Die Taschen sind auch ohne Fahrradausführung erhältlich, rund 80 Prozent werden auch so verkauft. „Es gibt sogar Leute“, so Craciun, „die im Besitz einer Tasche sind und deren Fahrradfunktion nur zufällig entdecken, so gut ist sie hinter dem Image ,schöne Tasche‘ versteckt“. Das bemerkenswerte Innenleben hat damit zu tun, dass sich die Macher beim Ausdenken vorstellen, man trage mit einer Tasche „ein Stück Zuhause“ mit sich herum, beschreibt Annika Nötzel, Brand Managerin bei Zwei, das Erfinden neuer Funktionen für die Bedürfnisse heutiger Taschenbesitzer. Der Name Zwei steht für die Verbindung von Design und Funktion, aber auch für die beiden Begründer. Bei der Entscheidung für Namen und logo war der Name „Zwei“ der eindeutige Gewinner, als die Grafiker Entwürfe präsentierten und den Entwurf falsch herum hinlegten und man feststellte, dass sich das Wort „Zwei“ auf dem Kopf stehend als „i am 2“ las.

Sinnbildlich passt das auch zu der Tatsache, dass aufgrund der neuen Bedeutung von Taschen heutzutage aus den zwei Objekten „Mensch“ und „Tasche“ manchmal „eins“ wird, und er ohne sie gar nicht mehr auf die Straße geht.

www.zwei-bags.com

„Zwei” TaschenFoto: Hersteller
„Zwei” TaschenFoto: Hersteller