Foto: Nesh Vonk

Für einen narzisstisch gestörten Menschen wie mich ist es furchtbar mit anzusehen, wenn andere Erfolg haben. Wahrscheinlich wurde ich als Kind nicht anständig fürs Kacken gelobt. Auch als Erwachsener fehlt mir das. Ich brauche eine App dafür. Gibt es die? Wenn nicht, sollte man sie erfinden.

Wenn andere gewinnen, verliere ich. Ich schwanke zwischen Grandiosität und höchster Zerknirschung, wenn mir keine exzessive Bewunderung zu Teil wird oder mir jemand sagt, ich hätte etwas gut gemacht. Gut allein reicht nicht. Eine App alleine reicht also auch nicht, es bräuchte schon eine Live-Übertragung in die ganze Welt, wenn ich auf dem Klo hocke. Oder wenigstens eine gescheite Anlage mit Subwoofer, die frenetischen Applaus richtig rüberbringt. Diese chronisch schwelende Wut in mir, die plötzlich explodieren kann, die braucht doch irgendein Ventil! Warum also nicht auf dem Klo? Warum nicht auf dem Klo schwelen und explodieren?

Ich könnte einen ganze Youtube-Kanal für so was anlegen. Die Views, Likes und Klicks und Plays würden in die Höhe schnellen, endlich hätte ich mehr Aufmerksamkeit als dieser blöde Felix Lobrecht, den ich nur hasse, weil er mehr Publikum hat. Und dann diese Greta Thunberg! Was hat die schon groß gemacht, was hat die in ihrem Leben geleistet? Die hockt sich eines freitags vor die Schule und schmollt, dann machen ihr das alle nach und sie kriegt ihren eigenen Wikipedia-Eintrag! Sie ist dadurch relevant, wie Michael Jackson, Anders Breivik oder Ted Bundy.

Ja, ich verstehe schon: Im Gegensatz zu ihr tue ich nichts Altruistisches, sondern missbrauche mit meiner Kunst mein Umfeld emotional, um meinen Selbstwert zu erhöhen. Das wird mir in seltenen Momenten der Selbstreflexion klar, kränkt mich aber sogleich, was ich dann wieder mit Hochstapelei und Prahlerei kompensiere, indem ich mich als Teil einer völlig missverstandenen Avantgarde verstehe. Ich lese mir dann andere Wikipedia-Artikel durch, zum Beispiel den über „Kot“ oder den über „Wurstbrot“. Und denke mir dabei, dass ich nicht relevant sein will, wenn menschliche Stoffwechselreste und Wurstbrote relevant sind. Aber insgeheim brodelt es in mir.

Ich habe mir jetzt bald 40 Jahre lang selbst den Arsch abgewischt. Kann das nicht jemand anders machen? Es muss nicht Greta Thunberg sein, Herr Breivik würde völlig reichen. Ich fantasiere von Macht, Glanz, Schönheit, idealer Liebe, grenzenlosem Erfolg und einem gelungenen Brexit. Das alles könnte sich mittels Webcam auf dem Klo für mich erfüllen, wenn man mir nur einen Attentäter oder Donald Trump als Arschabwischer abkommandieren würde. Was wäre schlimm daran, Donald Trump auf dem Klo körperlich und emotional auszubeuten? Das wäre auch eine Form der Nähe, die ich als Narzisst gut vertragen würde. Wäre es furchtbar, Breivik gegenüber unempathisch zu sein?

Ich glaube fest daran, dass ich einzigartig bin. Vor allem auf der Toilette. Auch habe ich es verdient, dass mir die gesamte Menschheit dabei zuschaut. Das hängt damit zusammen, dass ich ohnehin das permanente Gefühl habe, dass mich eine Kamera verfolgt. Aber auch das ist am Ende nur ein Selbstwertproblem. Wie überhaupt der ganze Klimawandel. Elektroautos brummen auch einfach nicht so geil, wie Menschen wie ich es lieben. Wie viele Amokläufe und Kriegsverbrechen hätten sich durch Greta Thunberg in der Vergangenheit verhindern lassen? Wahrscheinlich erkenne mal wieder nur ich den Zusammenhang.