Nomis & Döll sind ein äußerst talentiertes Rap-Duo. Im vergangenen Jahr haben sie die „Jam Session“ gewonnen, Deutschlands größten Rapcontest, der vom SAE-Institut in Kooperation mit dem Fernsehsender „Yavido“ jährlich veranstaltet wird. Am 25. Februar brachten sie ihr heiß ersehntes Debüt-Album „Alles im Kasten“ über das Darmstädter Plattenlabel „Kehlkopf Aufnahmen“ heraus. Einige Stunden vor ihrer Release-Party in der Goldenen Krone trifft das P die zwei Rapper im Studio des Darmstädter Produzententeams „Kollege Schnürschuh“. Döll, der in Madrid studiert, ist extra für die Release-Party für einen Tag nach Deutschland geflogen. Ein leichter Anflug von Hektik liegt im Raum. Pressetermine müssen vor dem Auftritt am Abend erledigt werden. Möglicherweise klingelt jeden Augenblick das Telefon, denn die HipHop-Fachmagazine „Juice“ und „Backspin“ möchten ein Telefoninterview. Doch jetzt wollen erst einmal die Fragen vom P beantwortet werden.
Das P: Euer Debüt-Album „Alles im Kasten“ ist erschienen. Wie fühlt es sich an, die erste eigene Platte in den Händen zu halten?
Nomis: Fühlt sich saugeil an! Ich hatte schon die eine oder andere CD in der Hand, auf der unter anderem mein Name hinten auf der Tracklist zu lesen war. Aber jetzt ein eingeschweißtes Album mit meinem Gesicht vorne auf dem
Cover … einfach geil!
Döll: Es hat auch etwas von Erlösung. Das Album ist ja nicht in zwei, drei Monaten zusammengewürfelt worden, sondern es gab eine ziemlich lange Schaffensphase. Jetzt ist es endlich da, das fühlt sich sehr gut an!
Warum hat es so lange gedauert, bis Euer Debüt-Album veröffentlicht wurde?
N: Durch den „Jam-Session“-Gewinn haben wir ein Budget für unsere Albumproduktion gewonnen. Doch in der Zusammenarbeit mit Yavido gab es immer wieder Kommunikationsschwierigkeiten. Wir mussten auf das Geld warten, um richtig arbeiten zu können, durch solche Dinge hat sich das Ganze verzögert.
Wie hoch war das Budget?
N: Wir haben ein Mediapaket im Wert von 10.000 Euro gewonnen. Das ist aber alles kein „echtes“ Geld. Das Geld wird größtenteils dafür verwendet, dass zum Beispiel Werbeclips von uns auf „Yavido“ laufen. Aber etwa ein Fünftel des Geldes konnten wir in die Albumproduktion stecken.
War der Gewinn der „Jam-Session“ überraschend für Euch?
D: Das soll jetzt nicht hohl-arrogant klingen, aber wir haben auf jeden Fall verdient gewonnen. Da waren nicht viele andere, die hätten gewinnen können.
N: Andere Teilnehmer kamen mit zwei Doppeldecker-Bussen zum Contest. Die waren, was den Support der Menge angeht, klar im Vorteil. Aber wir haben uns trotzdem durchgesetzt.
D: Ich hätte mich auch schlecht gefühlt, wenn wir gewonnen hätten und es hätte Bessere geben. Aber die gab es, wie gesagt, nicht. [lacht]
Hat der Sieg für Euch einen Karriereschub ausgelöst?
D: Die Album-Veröffentlichung wäre ohne „Yavido“ auf jeden Fall in einem ganz anderen Rahmen abgelaufen. Wir kommen ja aus dem Nichts. Ob es heutzutage noch eine große Rolle spielt, im Musikfernsehen präsent zu sein, ist natürlich eine andere Frage.
N: Mal ganz abgesehen von dem Gewinn des Preises, hat es sich allein wegen der Live-Erfahrung gelohnt. Ein fremdes Publikum in Berlin zu überzeugen, ist für uns eine gute Schule gewesen.
Ihr wart als Backup von Mädness auf Deutschland-Tour. Was konntet Ihr von diesem Erlebnis mitnehmen?
Phonk D [Mitglied des Darmstädter Produzententeams Kollege Schnürschuh, ruft herein]: Dass das Rappen auch ohne Alkohol geht!
D: Anders: Rappen geht nicht mit Alkohol!
N: Abgesehen davon war es eine riesige Erfahrung. Wir haben große Städte im musikalischen Kontext kennengelernt und Kontakte mit anderen Künstlern geknüpft. Und wann hätte ich denn in der nächsten Zeit mal in Berlin ein Konzert spielen können?
Was haltet Ihr vom aktuell angesagten Deutsch-Rap?
D: Fremdscham! Klar, wenn man sucht, gibt es auch gute Sachen. Aber für das, was im Fernsehen und Internet angesagt ist, empfinde ich Fremdscham. Wegen diesen Leuten muss es uns peinlich sein, im Gespräch mit Freunden zugeben zu müssen, dass man HipHop hört oder in unserem Falle sogar selber macht.
Inwieweit unterscheidet Ihr Euch vom dem in den Medien präsenten HipHop, mit dem Ihr Euch nicht identifizieren könnt?
D: Allein die Themen, die wir behandeln, sind intellektuell ansprechender. Wir bewegen uns auf einem gedanklich ganz anderen Niveau.
N: Und was den Sound angeht, sind wir innovativer: Wir stehen für ausgefallene Reimketten, schnelle Flows und eine versierte Rap-Technik.
Könnte genau dieser anspruchsvolle Sound – in Verbindung mit elektronisch angehauchten Instrumentals – zu anstrengend für die Mehrheit der HipHop-Hörer sein?
N: Das stimmt insofern, da man schon richtig hinhören muss. Wir machen Musik für HipHop-Liebhaber, die die Musik, in der Dimension, wie wir sie machen, feiern. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass man mit dieser Musik nicht den großen Durchbruch schafft. Das ist die Minderheit der deutschen HipHop-Hörer, die solche Musik hört.
D: Aber deswegen können wir uns ja nicht danach richten, was irgendwelche Kommentare unter unseren YouTube-Videos von uns verlangen. Es kommt aus uns raus, was raus kommt und fertig.
Ihr selbst bezeichnet Euch als Rap-Nerds. Definiert diesen Begriff!
D: Das bedeutet, dass die eben genannten Disziplinen wie Reim, Flow und Technik für uns an erster Stelle stehen.
N: Und das auf äußerst penible Weise. Den Nerdstyle zu praktizieren bedeutet, dass man während der Produktion von Songs auf jede noch so kleine Kleinigkeit achtet, selbst wenn sie der Hörer später nicht erkennt. Da geht es um Feinheiten, beispielsweise, wenn man wegen zwei falsch ausgesprochener Wortsilben den ganzen Part noch einmal neu aufnimmt.
Döll, Dein Bruder Mädness ist Darmstadts Rap-Aushängeschild. Wie groß ist sein Einfluss auf Dich?
D: Ich hätte ohne ihn nie angefangen zu rappen. Allein deswegen habe ich allen Grund, ihm zu danken. Mal abgesehen von der Musik ist er eben mein großer Bruder, von dem ich auch so das eine oder andere fürs Leben lerne. [lacht]
Besteht die Gefahr, dass Ihr Euch musikalisch zu sehr ähnelt?
D: Selbst, wer sich das Album nur oberflächlich anhört, wird einen Unterschied feststellen. Ich behandele andere Thematiken und unser Rapstil ist total unterschiedlich. Aber ein Vergleich mit Mädness liegt natürlich näher als einer mit Massiv [Gangsta-Rapper aus Berlin, Anm. d. Red.].
Vielen Dank für das Gespräch!