Foto: Johannes Wadle/Schülerpatenschaft Räuberleiter e. V.

Die Corona-Pandemie hat ziemlich alle aus der Bahn geworfen. Aber für viele Schüler:innen und deren Eltern waren die Lockdowns, das Ausfallen außerschulischer Aktivitäten und die Überlastung von Familien durch Homeschooling wie ein kleiner Weltuntergang. Welche langfristigen Nachteile für manche Kinder dadurch entstanden sind, darüber wird viel spekuliert. Aber eins ist klar: In Deutschland hängen die Bildungschancen maßgeblich vom sozialen Ausgangspunkt ab – und die Startlinien rücken weiter auseinander. Der Schülerpatenschaftsverein Räuberleiter e. V. will diesen Abstand schmälern und Kindern aus sozial benachteiligten Familien den richtigen Boost geben – für die Schule und für ihre Zukunft.

„Für viele Kinder war die Pandemie eine Katastrophe,“ sagt Stefanie Wadle, erste Vorsitzende des Vereins und Leiterin des neuen Standortes in Darmstadt. Der Verein wirkt bereits seit mehr als zehn Jahren in Lampertheim, um die Bildungsungleichheit aufgrund von Herkunft oder sozialer Situation entgegenzuwirken. Wadle sagt, die Pandemie habe die Anzahl der Kinder, die zur Zielgruppe ihres Vereins gehören, erhöht. Manche Kinder haben das Wegfallen von Angeboten wie Hausaufgabenhilfe gespürt, andere haben Fähigkeiten wie Konzentration und Organisation durch die langen Unterbrechungen der Schule verlernt. Dass manche Familien sozial und finanziell besser ausgestattet sind als andere, um diese Mängel auszugleichen, hat zu einer noch größeren Ausgangsungleichheit zwischen Kindern geführt.

„Es ist eine Glückssache, in welche Familie man hineingeboren wird,“ führt Wadle fort. Die gelernte Konditorin und Betriebswirtin ist Gründungsmitglied des Vereins. Die Erkenntnis der eigenen Privilegien hat sie – zusammen mit einigen Freund:innen – motiviert, während ihrer Studienzeit den Schüler:innen-Patenschaftsverein zu gründen. Das Konzept setzt auf individuelle, sorgfältig gepflegte Beziehungen, die weit über Nachhilfe hinausgehen. „Wenn es darum geht, sich im Leben zu orientieren, ist Schule ein wichtiger Baustein. Aber genauso wichtig ist ja, dass ich kennenlerne: Was kann ich denn? Was hat die Welt zu bieten? Wo kann ich meinen Platz finden?“ Das persönliche Wachstum gehöre, so Wadle, zentral zu einer gelungenen Bildung dazu. Manche Eltern können aus verschiedensten Gründen diese Art von Förderung für ihr Kind alleine nicht leisten. Durch die Unterstützung von Pat:innen sollen Kinder „ihre Stärken und die Welt kennenlernen“ und Selbstbewusstsein entwickeln, mit Mut ihren Platz in der Welt zu finden.

Aktuell werden Patinnen und Paten in Darmstadt für eine Eins-zu-eins-Patenschaft für Kinder aller Altersgruppen – von der Grundschule bis zur Oberstufe – gesucht. Eine gemeinsame Vertrauensbasis liegt dem Erfolg einer Patenschaft zugrunde. Pat:innen werden individuell mit einer Schülerin oder einem Schüler zusammengeführt. Dafür gebe es kein Allgemeinrezept, es gehöre viel Bauchgefühl dazu, so Wadle. Das Kennenlernen läuft dann behutsam: Das erste Treffen wird von einer betreuenden Person aus dem Verein begleitet. Anschließend entscheiden sowohl die Familie und das Kind, als auch der/die Pat:in, ob das passt.

Foto: Johannes Wadle/Schülerpatenschaft Räuberleiter e. V.

Beste Lernmotivatoren: Neugierde und Freude

Die sichere Eins-zu-eins-Beziehung dient als Basis für eine ganzheitliche Förderung, die auf gemeinsamen Erlebnissen fußt. Hiermit erkennt der Verein an, was im Schulpflichtland Deutschland leicht außer Sicht gerät: Bildung findet nicht nur in der Schule statt. Durch Interaktion mit seinem Umfeld lernt ein Kind, welche Möglichkeiten die Welt bietet, und wie es sich dazu positionieren kann. Und längst erkennt die Wissenschaft, dass Neugierde und Freude ohnehin die besten Lernmotivatoren sind. Ein gemeinsamer Ausflug zur Rosenhöhe, ein Besuch im Museum oder in der Stadtbibliothek gehören zum Patenschaftsprogramm dazu und werden als zentrale Anteile der Bildungsförderung angesehen. Eher klassische Nachhilfe kann ebenso weit weg vom Schreibtisch geschehen: Rechnen kann bei einem Waldspaziergang geübt werden, Deutschkenntnisse lassen sich spielerisch auf dem Spielplatz verbessern.

Auch Gruppenerlebnisse mit dem Verein gehören für Kinder und Pat:innen dazu. Für den Vereinsstandort in Darmstadt sind gemeinsame Aktivitäten wie Ausflüge und Kindernachmittage – sofern es die Pandemie-Lage erlaubt – für das kommende Jahr geplant. Für Pat:innen sind außerdem regelmäßige Treffen vorgesehen, um sich über Erfahrungen, Erfolge und Frustrationen auszutauschen und diese zusammen zu reflektieren.

Unzählige kleine Erfolge

Über die Jahre hat Stefanie Wadle gesehen, wie Kinder durch eine Patenschaft „aufblühen und neue Ideen fürs eigene Leben entwickeln.“ Über die elf Jahre seiner Geschichte hat der Verein gemäß seinem Ziel, jedem Kind zu dem „für sich besten Schulabschluss“ zu verhelfen, unzählige kleine Erfolge gefeiert. Die Herausforderungen sind riesig: ein Schulsystem, das darauf ausgelegt ist, soziale Unterschiede zu verfestigen, und eine Gesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet. Für jedes Kind aber, das eine Patenschaft erlebt und dadurch neue Vorstellungen seiner Zukunft entwickeln kann, um bestärkt und selbstbewusst in die Welt zu gehen, sind diese kleinen Erfolge ganz groß.

 

Schüler:innenpatenschaft übernehmen!

Einige Schüler:innen in Darmstadt warten auf eine Patenschaft. Hast Du Interesse bekommen? Dann nimm Kontakt auf bei darmstadt@schuelerpatenschaft-raeuberleiter.de oder unter der Nummer (0151) 65711588. Außerdem sucht der Verein in Darmstadt Mitglieder fürs Orga-Team auf ehrenamtlicher Basis.

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