Foto: Anna Zdiara
Foto: Anna Zdiara

Altes wieder herzustellen und Kaputtes zu reparieren statt wegzuwerfen, das sind Ideen, die in zahlreichen Städten immer mehr Anhänger finden – so auch neuerdings in Darmstadt. Denn Fragen der Nachhaltigkeit, die Weitergabe von technischem Wissen und nachbarschaftliches Engagement sind für viele in der Heinermetropole wichtig für eine gute Lebensqualität. In unserer Serie „Selfmade Darmstadt“ stellen wir Orte vor, an denen Bürger durch Initiativen, Projekte und Geschäfte ihre Stadt mitgestalten. Hier wird nicht nur der Macher zum Nutzer, es entstehen auch Ansätze und Ideen, das Zusammenleben in der Stadt anders, nachhaltiger und gemeinschaftlicher anzugehen.

„We’ve got to learn to reduce, reuse, recycle“: Jack Johnson erklärt uns singend mit den „three R’s“, wie wir unser Bewusstsein für vorhandene Dinge schärfen können. Eine Möglichkeit: weniger verwenden und verbrauchen. Aber immer geht das natürlich nicht. Außerdem können wir Dinge, die wir nicht mehr brauchen, auch an andere weitergeben, die diese dann wiederverwenden. Durch Recycling und Upcycling kann man den Gang zum Mülleimer zunächst vermeiden und andere Kreisläufe nutzen.

Surfen auf der Do-It-Yourself-Welle

Kleider tauschen, Möbel restaurieren und Geräte reparieren, die man normalerweise einfach wegwerfen würde, das gab es eigentlich schon immer. In einer Zeit, in der gebrauchte Haushaltsgeräte, zu enge Kleider und gelesene Bücher unsere Schränke füllen oder im Keller für Chaos sorgen, ist das Wissen darüber jedoch immer mehr in Vergessenheit geraten.

Mit der aktuellen Do-it-Yourself-Welle können diese alten Ideen an die Bedingungen und Bedürfnisse unserer Zeit angepasst werden. In und um Darmstadt haben sich mittlerweile viele Initiativen gegründet mit der Mission, Platz für Neues zu schaffen und Altes neu zu entdecken. Mit ganz unterschiedlichen Ansätzen versuchen sie, Darmstadt zu einer lebens- und liebenswerteren Stadt zu machen:

For sale – Altes kaufen

Darmstadts beliebteste Anlaufstelle für gebrauchte Dinge sind Flohmärkte. Das kunterbunte Treiben auf dem Karolinenplatz, dem Riegerplatz oder im Bürgerpark zieht alljährlich große und kleine Heiner an. Veranstaltungen wie Kleid at night lassen es an bester Bewirtung und Musik nicht fehlen und machen auch Modemuffeln Spaß. Neben den klassischen Flohmärkten, wo man alles anbieten oder erstehen kann, gibt es auch spezielle Themen-Flohmärkte für Kindersachen, Musik oder Bücher.

Nun ist es nicht jedermanns Sache, sich hinter den Flohmarkttisch zu stellen. In diesem Fall kann man auf zahlreiche Second-Hand- und Vintage-Läden zurückgreifen. Kleidung und schöne Accessoires finden bei der Kundschaft von Darmstädter Läden wie Lejla‘s, Pompadour und Strandgut freudige Abnehmer. Und in Zeiten des Internets ist der An-/Verkauf gebrauchter Sachen natürlich nicht mehr auf die Stadt begrenzt. Das Netz bietet auch jenseits des Internetauktionshauses Ebay endlose Möglichkeiten für den Second-Hand-Handel. Zahlreiche Allround-Webseiten und Apps wie etwa Shpock (Shop in your pocket) sind als mobile Flohmärkte sehr praktisch.

Egal, ob mobile oder regionale Flohmärkte, der Austausch zwischen Anbietern und Interessenten ist ein großer ökonomischer sowie ökologischer Schritt, der die längere Ausschöpfung materieller Güter unterstützt.

Warum nicht mal verschenken, tauschen oder leihen?

Der Wert gebrauchter Gegenstände bemisst sich nicht immer mit Geld. In vielen Tausch- und Verschenkbörsen wird davon bewusst Abstand genommen: Ein paar dicke Outdoorhandschuhe können bei den eisigen Wintertemperaturen viel wertvoller sein als die teuren Schuhe, die man seit Jahren ungetragen im Schrank stehen hat. Die Abiturientin, die genau diese Schuhe gerne zu ihrem Abschlussball tragen will, verzichtet dafür vielleicht gerne auf ihr Zweitpaar Handschuhe. Auch in Darmstadt gibt es einige Börsen, die eben solche Deals möglich machen.

Das Tausch Café bietet aktiv einen „Raum für Austausch“. An bestimmten Terminen kann in vorab auf www.tauschcafe-darmstadt.wikispaces.com angekündigten Darmstädter Locations alles getauscht werden, was man gerne abgeben möchte: Haushaltsgegenstand gegen Buch, Kleidung gegen etwas handwerkliche Unterstützung – alles funktioniert und das ohne Geld. Nach einigen erfolgreichen Veranstaltungen im Jahr 2012 möchten die Organisatoren 2014 wieder aktiv werden. Juliane Bernbach, Betreiberin des Stoffladens Sterntaler in Bessungen, plant einen spezialisierten Austausch für DIY-Fans. Unter dem Motto „Stoffwechsel“ sollen im Frühjahr kostenlose Tauschtreffen für Stoffe und Bastelmaterial veranstaltet werden.

Auch die Möglichkeiten zum Verschenken wachsen: Der Darmstädter Bauverein will auf die Anregung von Bürgern hin eine Give-Box in Bessungen einrichten, Darmstadt-weit operieren die lokalen Botschafter der Gruppe foodsharing.de, neben Privatpersonen machen auch einige Supermärkte mit.

Online haben sich etliche Gruppen gegründet, die Tauschende, Schenkende und Suchende zusammenbringen wollen. Bundesweite Onlineportale wie klamottentausch.net fordern auf, selber aktiv zu werden und zum Beispiel eine Kleidertauschparty in seiner Stadt ins Leben zu rufen. In der Facebook-Gruppe Free your stuff Darmstadt kann man sich wortwörtlich von Dingen befreien, die einem zu Hause nur Platz wegnehmen, dem Beschenkten aber einen großen Dienst erweisen. So spart man sich den Sperrmüll, macht jemandem eine Freude und schließt über die persönliche Abholung der verschenkten Dinge vielleicht noch die ein oder andere nette Bekanntschaft.

Wer seine Dinge doch nicht ganz hergeben will, der kann sie auch verleihen – und wer etwas nicht dauerhaft besitzen möchte, der leiht sich das. Beispiele dafür sind die öffentlichen Bücherschränke in Bessungen, im Paulusviertel und im Prettlack’schen Gartenhaus im Prinz-Georg-Garten, die von den Anwohnern gut angenommen werden. Es muss auch nicht jeder Darmstädter Haushalt einen eigenen Akkubohrer besitzen. Stattdessen wäre eine Möglichkeit, sich einen Bohrer von der netten Familie drei Straßen weiter auszuleihen. Warum nicht? Es braucht nur Menschen, die aktiv werden und die Angebote in der Stadt kommunizieren.

Eine Gruppe von Darmstädtern, die ihre Stadt in diesem Sinne mitgestalten wollen, ist das Team von Transition Town. Über unterschiedliche Aktionen versuchen die Mitglieder einen „Prozess des Wandels” in den Köpfen der Darmstädter in Gang zu bringen. Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Handeln stehen dabei an erster Stelle. Ein neues Projekt, das Transition Town mit angestoßen hat und das am Samstag, dem 01. Februar, im Bessunger Forstmeisterhaus seine Premiere feiert, ist das Repair Café. Mitstreiter sind Privatpersonen, Kirchengemeinden, Nachbarschaftsvereine, Ruheständler, Tüftler und über 30 Studierende der TU Darmstadt. Sie wollen für bewussteren Konsum werben, verschiedene Generationen und Berufsgruppen zusammenbringen oder einfach mal etwas Praktisches tun.

Selbst bohren, schrauben, fräsen

Die Idee des Repair Cafés hat sich seit 2009 von Amsterdam aus in die Welt verbreitet. Das Prinzip ist einfach: Zu regelmäßigen Veranstaltungen können die Café-Besucher ihre defekten Geräte und Lieblingsteile mitbringen, ehrenamtliche Experten zeigen ihnen dort, wie man’s wieder heile macht. Bei Kaffee und Kuchen trifft man sich, hält ein Schwätzchen und fachsimpelt. Eine Spende der Besucher stellt sicher, dass weitere Veranstaltungen stattfinden können.

Selbsthilfe-Reparaturwerkstätten sind eine Boombranche in Darmstadt. Angesprochen durch diese Initiativen sind alle, die noch an ihrem kaputten Lieblingpullover, Toaster oder Laptop hängen und diese Gegenstände lieber gesund pflegen statt sie in den Müll zu werfen. Eine weitere Anlaufstelle ist der L1A Makerspace in der Lauteschlägerstraße 1A im Martinsviertel. Dort können sich Profis handwerklich ausleben und Hilfesuchende erhalten Tipps, wie sie ein handwerkliches Problem lösen können. Es sind allerhand Maschinen wie Fräsen und 3D-Drucker vorhanden, mit deren Hilfe man handwerklich über sich hinauswachsen kann. Einmal im Monat wird abseits vom Werkstattbetrieb im Gebäude des Aktivspielplatzes im Herrngarten ein Reparaturcafé veranstaltet. Pionier unter den Selbsthilfe-Reparaturwerkstätten ist die Fahrradwerkstatt 20° der TU Darmstadt auf dem Campus Innenstadt (unterhalb der Mensa). Hier helfen Studierende einer vorwiegend studentischen Klientel bei Achtern und quietschenden Bremsen und machen hoffnungslose Fälle wieder zu fitten Drahteseln.

Wenn nichts mehr geht, dann einfach upcyclen

Was aber tun, wenn solche Hilfe zu spät kommt und ein Gegenstand seinen Zweck endgültig nicht mehr erfüllt? Upcyceln ist eine – wenn nicht sogar die beste – Möglichkeit. Gemeint ist damit eine gewitzte Zweckentfremdung, neue Gebrauchsgegenstände oder sogar Kunst aus alten Dingen herzustellen und so ein weiteres Mal die Mülltonne zu schonen. Ob ein Fahrradständer aus alten Autoreifen oder eine Umhängetasche aus einer zerrissenen Jeans: Fast alles ist machbar. Darmstädter, die Inspiration suchen, finden im Internet viele Portale mit Do-it-yourself-Anleitungen und Erfahrungen anderer „Upcycler”. In Frankfurt ist der Laden Kreis zu Quadrat einen Besuch wert, hier erstrahlen feine, verwandelte Produkte in ungeahnter Eleganz. Treffpunkte für Upcycler sind in Darmstadt noch dünn gesät: Der Verein Ubuntu e.V. sieht die Arbeit mit verschiedenen Materialien als eine wichtige Quelle der Kreativität und besucht mit einer fahrenden Bastelwerkstatt verschiedene Plätze in der Stadt. Erziehungsarbeit mit Wiederverwertbarem wird auch beim Kinder-Bastelprogramm im Zucker geleistet. Die großen Darmstädter können gelegentlich wiederverwendete Materialien auf Selfmade-Märkten wie Schnickschnackshopping kaufen. Der Freitagsladen in den Kleinschen Höfen hält Experten für Verschönerungsfragen bereit – für geneigte Kunden, die ihre eigenen Gegenstände in neue Produkte einbringen können. Dennoch: Darmstadt, so etwas wie die Heimat der (in Kleestadt ansässigen) Firma Airbag Craftworks, die ausgediente Luftmatratzen in Taschen umwandelt, hat in Sachen Upcycling noch großes Wachstumspotenzial.

Ob Verkaufen, Verschenken, Reparieren oder Umnutzen: Ziel all dieser Aktionen, Initiativen und Läden ist die Abfallvermeidung und Ressourcen-Schonung. Dass man dafür miteinander kommunizieren muss, und das über alle Altersgruppen hinweg, ist ein schöner Nebeneffekt, der das Miteinander in der Stadt belebt und neue Ideen entstehen lässt.

 

Hier noch ein Gesamtüberblick und Darmstadt in Form einer interaktiven Recycling-und-Upcycling-Karte:

 

Verkaufen

Flohmärkte in Darmstadt

Lejlas Second Hand

24-Stunden Flohmarkt Darmstadt

Kaufhaus der Gelegenheiten (Secondhand-Möbel)

 

Tauschen/Verschenken/Leihen

TauschCafé Darmstadt

Oxfam Shop Darmstadt

Free Your Stuff

„Stoffwechsel“

foodsharing.de (Essen verschenken statt wegwerfen)

 

Reparieren

Transition Town Darmstadt

Repair Café Darmstadt

L1A Makerspace

Fahradwerkstatt der TU Darmstadt

 

Recycling/Upcycling

Kreis zu Quadrat (Upcycling-Laden in Frankfurt)

Selfmade-Markt Schnickschnackshopping

Freitagsladen

Zucker Veranstaltungsraum

Ubuntu e.V.

 

Wenn’s gar nicht mehr anders geht:

Sperrmüllanmeldung EAD Darmstadt

 

Bürgerpark
Riegerplatz
Karolinenplatz
Hofgut Oberfeld
Forstmeisterplatz
Bessunger Knabenschule
Kaufhaus der Gelegenheiten
Lejlas
Pompadour
Strohhut
Oxfam
Oxfam Buchladen
D´Aversa
Strandgut
Ubuntu
Zucker
Freitagsladen
Stoffladen Sterntaler
Repair Café in der Michaelsgemeinde
Makerspace Reparaturcafé
L1A Makerspace
Fahrradwerkstatt 20°
Repaircafé im Forstmeisterhaus