Illustration: Martina Hillemann
Illustration: Martina Hillemann

Inmitten des darmstädtischen Verkehrschaos’ am Nachmittag, inmitten des Chaos’ der innerstädtischen Verödung und inmitten des politischen Chaos’ zerstrittener Parteien hat sich das P Hausmeister-Krause-mäßig auf die Suche gemacht. Wo herrscht noch Ordnung, wo ist man in Darmstadt bemüht, ordentlich zu sein, dem Ordnungssinn zu frönen oder einfach nur damit beschäftigt, etwas ordentlich zu Ende zu bringen? Kurzum: Gibt es hier eine Kultur der Ordnung und wie sieht diese aus? In den folgenden Ausgaben stellen wir sie vor: die Ordnungsliebenden und -hütenden unserer Stadt. Muss Ordnung sein? Lest es selbst mal ganz ordentlich nach!

„Sie wollen das abholen? – Das ist ja noch nicht einmal beantragt!“, entgegnet es dem Bürger nicht selten beim Gang zur Behörde. Auf den Wegen durch Darmstadts Welt der Ordnung dürfen der Besuch einer Amtsstube, das Abholen eines beglaubigten Dokuments, das Beantragen eines Formulars oder das Einholen einer Genehmigung einfach nicht fehlen. Gleichzeitig ermöglicht dieses To-Do bisweilen eine kleine Reise in ungeahnte Welten von Verwaltungseinheiten, in die unglaublichsten Büroeinrichtungen, in die seltsamsten Interpretationen von Kundenfreundlichkeit und in die wunderbarsten Formen amtsprachlicher Formulierungen.

Anklopfen – abgewiesen werden – warten. Ein kahler Flur im schlechten 50er-Jahre-Design, einziger Lichtblick: eine Hydrokultur. Daneben eine Pinnwand mit Bekanntmachungen: „Der Kriegsverschollene xy wird auf Antrag von yz mit Wirkung vom 1.12.2009 für tot erklärt“, heißt es da beispielsweise auf dem Amtsgericht. Daneben ein interner Aushang zum ordnungsgemäßen Verhalten bei Betriebsunfällen, beglaubigt und abgestempelt – also für den Aushang im Flur ganz offiziell genehmigt. Andernorts wird für den 17. April in der Sowieso-Straße die Zwangsversteigerung eines „Fernsehers Samsung 40 Zoll“ ausgeschrieben.

„Herein!“ – Das von 9 bis 12 Uhr für Bürger geöffnete Büro zur Beglaubigung diverser Unterlagen stellt den dazugehörigen Flur völlig in den Schatten und jedwedes Klischee einer Amtsstube bestätigt sich hier: Beim Undercover-Besuch begegnen der P-Reporterin zwei mäßig freundliche, in sich gekehrte Mitarbeiterinnen am Computer. Um sie herum alte Regale, angestaubte Ordner, Akten, Nachschlagewerke und mindestens fünfzig verschiedene Stempel. Darüber hinaus Gummibäume, Diddl-Tassen, Fotorahmen mit Familienbildern, Wasserkocher und Mikrowelle. Während man das bestellte Formular leicht murrend, dafür aber amtlich beglaubigt, wandert der Blick über die Wanddekorationen. Ich frage mich, ob man dort die unzähligen Bravo-Poster mit Brad Pitt, Michael Schumacher und den Chippendales sowie das Ratatouille- und Herr-der-Ringe-Plakat für die wartenden Besucher oder aber zur Aufheiterung der eigenen Arbeitswelt angebracht hat? Ob es einen farbgebenden Ausgleich zur trockenen Beglaubigungstätigkeit zu bedeuten hat?

Wer an Depressionen leidet, wer auf dem Selbstfindungstrip ist, wer Unsicherheiten im eigenen Stil und Verhalten aufweist – kurz: wer zumindest innere Ordnung sucht – dem sei angeraten, sich auf die Pfade der Ämter in Darmstadt zu begeben. Hier findet er Orientierungshilfen. Hier wird er in Schubladen gesteckt, in Kategorien aufgeteilt, hier kann er beim Warten meditieren und ins Innere reisen und hier kann er herausfinden, dass Geschmacksverirrungen auch anderswo herrschen und dass einen mit der richtigen ordentlichen Einstellung nichts erschüttern kann.