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Foto: Jan Ehlers

Einheitsbrei ist überhaupt nicht sein Ding. Steffen Jung mag das Individuelle. Das sieht man ihm auch an: kastige Designerbrille, Charakterkopf, konzentrierter Blick. Letzteren missdeutet mancher als mürrisch. Dabei ist Steffen ein Schöngeist, der in sich ruht – und für den ein höflicher Umgang ganz wichtig ist. Und wer ihn persönlich kennt, weiß, dass der 49 Jahre alte Wahl-Darmstädter auch sehr emotional sein kann.

Emotion und Höflichkeit: Kein Zufall also, dass Steffen einer jener Gastronomie-Enthusiasten war, die Mitte der Neunziger die internationale Cocktail-Bar-Kultur im Stil von Charles Schumann nach Darmstadt importierten: erst in den Hillstreet Club und den Hof des Café Kesselhauses, später ins Weststadtcafé und als Barchef in die Centralstation. Vor genau sechs Jahren machte sich Steffen schließlich selbstständig und betreibt seitdem die geschmack- wie stilvolle Tagesbar „apéro“ in der Schulstraße.

Dabei verliebte sich Steffen erst auf den zweiten Blick in Darmstadt: „Es war für uns ein Kulturschock, Darmstadt kam uns echt bieder vor“, beschreibt er die Anfangszeit, als er sich 1992 mit Freunden zum Architekturstudium an die FH Darmstadt einschrieb. Die vier Jahre zuvor hatte der in Herborn (bei Wetzlar) Aufgewachsene im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen gelebt: „Am Schweizer Platz, da pulsiert das Leben.“ Aber Darmstadt habe sich seitdem „wahnsinnig entwickelt“.

Aufmerksamer Service. Ruhe auch in stressigen Momenten. Was braucht es noch, um eine gute Gastronomie zu betreiben? „Eine gute Einrichtung“, betont Steffen, der in Darmstadt immer mal wieder als Berater in Bar-Design-Fragen fungiert. „Sie muss Wärme und Gemütlichkeit ausstrahlen, du musst dich im ersten Moment wie zuhause fühlen.“ Natürlich müsse die Qualität von Speisen und Getränken gleichbleibend gut sein. Und das Konzept durchdacht sein.

„In Darmstadt gibt es sehr viele italienische Restaurants oder Pizza-mit-Döner-Imbisse, es fehlt an guten Konzepten wie das ,3klang’: mit gewissem Anspruch, aber bezahlbar“, findet Steffen. Auch könne die Stadt innovativer denken: „Warum gibt es auf dem Georg-Büchner-Platz kein Café? Oder warum kommt ins ehemalige Waben/Viva El Sol nicht ein städtisches Café mit Ausstellungsfläche?“ In Frankfurt liefern angesagte Gastronomiebetriebe im Zusammenschluss ihr Essen per E-Fahrräder aus: „Warum gibt es so was nicht auch im grünen Darmstadt?“

Steffen ist nicht nur viel im Rhein-Main-Gebiet unterwegs („mein Berlin“), er reist auch gern in europäische Städte und fotografiert dort, lässt sich treiben. „Dabei hole ich mir viele Anregungen.“ Um dann wieder zurückzukehren in sein Darmstadt, an dem er oft zweifelt, „das aber dennoch so liebenswert ist“.