Foto: Jan Ehlers

Sport, der in Darmstadt betrieben wird und – Trommelwirbel – nicht Fußball ist? Vor lauter Lilienfieber ist’s ein bisschen in den Hintergrund geraten, aber: Jawohl, das gibt’s. Hier stellen wir sie vor, die Sportarten, die (noch) nicht von einem großen Publikum bejubelt werden. Zum Beispiel, weil sie bislang kaum jemand kennt. Oder weil sie eben einfach zu speziell sind, um die Massen zu begeistern. Oder vielleicht, weil man lieber unter sich bleibt? Wir gucken uns das für Euch aus der Nähe an. In dieser Ausgabe: Taekwon-Do.

Martial-Arts-Filme fand ich schon immer richtig klasse. Die Schnelligkeit, Stärke und Präzision der Kampfkunstmeister wie Jackie Chan, Bruce Lee und Jet Li fesseln mich jedes Mal vor dem Fernseher. So krass drauf wie diese Hollywood-Legenden wollte ich auch immer sein. Doch es geht mir nicht nur um die coolen Moves, sondern auch um die Philosophie dahinter. Mit Kampfkunst verbinde ich vor allem Meditation und innere Stärke.

Deshalb entschied ich mich dafür, die Darmstädter Taekwon-Do-Schule von Park Young-Kul zu besuchen. Taekwon-Do ist eine koreanische Kampfkunst, die sich durch ihre Fuß- und Beintechniken auszeichnet. Hört sich schon mal gut an. Die Schule bietet unter anderem Kurse in Selbstverteidigung, Yoga, Personal Training, traditionelles Taekwon-Do – was das genau bedeutet, werden wir später herausfinden – und Budo Fitness, ein ergänzendes, hochintensives Intervalltraining an. Ich lege meinen Schwerpunkt natürlich auf das traditionelle Taekwon-Do. Los geht’s!

Respekt wird hier großgeschrieben

Schon zu Beginn der Trainingsstunde merke ich, dass ein respektvoller Umgang sehr wichtig ist. Bevor man auf die Matte tritt, verbeugt man sich. Die meisten sind damit beschäftigt, sich zu dehnen und Kicks zu trainieren. Was mir besonders auffällt, ist der familiäre und freundliche Umgang, obwohl die Stimmung bereits jetzt sehr konzentriert ist. Jeder, der auf die Matte tritt, begrüßt die anderen mit einem Händeschütteln und einem Lächeln im Gesicht. Pünktlich um 18.30 Uhr geht es mit dem Training los. Meister Young-Kul fängt erst mal damit an, alle Teilnehmer in drei Reihen aufzustellen. Es wird nach Gürtelgrad aufgeteilt: Höher rangige Gürtel kommen nach vorne, die Anfänger stehen in der letzten Reihe. Alle verbeugen sich vor ihm – und ich lerne auch gleich etwas Koreanisch: „Sabom-Nim“. So nennt man seinen Taekwon-Do-Meister.

Voller Körpereinsatz

Nachdem wir uns noch einmal begrüßt haben, geht es auch schon mit der ersten Übung – dem Hampelmann – los. Wir zählen von Eins bis Zehn – die Erfahreneren auf Koreanisch, wir Anfänger auf Deutsch. Danach geht’s sofort weiter mit der nächsten Beinübung. Spätestens nach der vierten Übung würde ich mich am liebsten auf die Matte legen und schlafen. So viel Ausdauer habe ich dann doch nicht, obwohl ich guter Dinge war, dass ich das Training locker überstehen würde. Aber egal, jeder im Raum ist voll und ganz bei der Sache. Das steckt natürlich an. Also: Weitermachen.

Nachdem sich alle warm gemacht haben, dehnen wir uns. „Beim Dehnen kommt es vor allem darauf an, die Position zu halten und sich nicht zu überdehnen“, erklärt uns Meister Young-Kul. Okay, gesagt, getan. Da ich mich einen ganzen Monat vorher schon gedehnt hatte, ist das bis jetzt der leichteste Teil des Trainings. Ich merke bereits jetzt, dass alles gut durchstrukturiert ist. Die ersten 15 Minuten sind quasi dafür gedacht, den Körper ausreichend aufzuwärmen.

Foto: Jan Ehlers

Ein Mix aus Koordinations- und Ausdauerübungen

Wir machen weiter mit koordinativen Grundtechniken. Es geht – wie der Name schon sagt – darum, seine Koordination zu verbessern und sich an die bestimmten Bewegungsabläufe zu halten. Dazu stellt sich Meister Young-Kul extra in die letzte Reihe und macht die Bewegungen vor. So ganz kriege ich die nicht hin, aber er wiederholt sie mehrmals und verbessert, wenn man etwas falsch ausgeführt hat. Zwischendurch kommen immer wieder Ausdauerübungen dran. Mittlerweile sind auch schon die Spiegel beschlagen und ich könnte jetzt wirklich eine Pause gebrauchen. Aber da jeder so konzentriert dabei ist, will ich nicht schlapp machen. Also noch mal: Weitermachen!

Jetzt geht’s ab: die Trittübungen

Endlich kommt etwas dran, was ich mir konkret unter Taekwon-Do vorgestellt habe: Jeder sucht sich einen Partner und nimmt ein Schlagpolster in die Hand. Bevor die Übung beginnt, verbeugen wir uns vor unserem Partner. Meister Young-Kul macht die Tritte vor, wir machen sie nach. So gut es geht, zumindest. Als Erstes: ein einfacher Vorwärtskick. Ich versuche, standhaft zu bleiben – was übrigens ziemlich schwer ist – und so hoch und schnell wie möglich das Schlagpolster zu treffen. Danach kommt ein Drehkick. Bei den anderen Schülern sieht das alles richtig graziös aus, als ob sie mit einer Leichtigkeit und doch mit voller Wucht auf das Polster treten. Bei mir, ähh, na ja. Bei mir sieht das eher nach betrunkener Ballerina aus. Aber hey, ist ja auch das erste Mal. Es folgen Variationen von Dreh- und Vorwärtskicks. Richtig ausgeführt habe ich die alle nicht so recht, aber keiner nimmt mir das hier krumm. Zuletzt kommen noch Boxübungen dran, jeweils mit der Faust und mit den Ellenbogen. Die kriege ich sogar ziemlich gut hin. Mittlerweile sind wir am Ende des Trainings angelangt. Die Schlagpolster werden weggeräumt und zum Schluss verbeugen sich alle noch mal und applaudieren zum bestandenen Training.

Nach dieser intensiven Stunde hat sich mein Respekt für alle Martial-Arts-Sportler – oder sollte ich eher sagen „Künstler“? – verdreifacht. Jeder, der diese Sportarten ausübt, hat viel Disziplin und Durchhaltevermögen. Ich selbst finde, dass ich mich ganz gut geschlagen habe fürs erste Mal. Und ich muss auch dazu sagen: Obwohl es sehr anstrengend war, hatte ich richtig Spaß an der Sache. Das Wichtigste ist, dass man sich nicht an den anderen misst. Die sind ja auch teilweise seit Jahren schon dabei oder haben vorher eine vergleichbare Sportart gemacht. Der eigene Weg ist der wichtigste. Taekwon-Do eben.

Foto: Jan Ehlers

Taekwon-Do: „Ein Körper – ein Leben – eine Gesundheit“

„Ein Körper – ein Leben – eine Gesundheit“ lautet der Leitgedanke, nach dem die Darmstädter Taekwon-Do-Schule sich richtet. Zum besseren Verständnis sollte man wissen, was Taekwon-Do übersetzt bedeutet: „Tae“ ist der Fuß, „Kwon“ die Faust und „Do“ der Weg. Zusammengefasst bedeutet es also so viel wie: „Der Weg der Hand und des Fußes“. Anders als bei der wettkampforientierten Sportart Taekwondo ist das traditionelle Taekwon-Do nicht dafür gedacht, sein Gegenüber k. o. zu schlagen. Es geht vielmehr darum, die Philosophie zu leben; seine inneren Stärken nach außen zu tragen. Schritt für Schritt lernt man seinen Körper kennen und ihn zu beherrschen. Das ist auch der Grund, warum hier Taekwon-Do mit einem Bindestrich geschrieben wird. Der Weg, zu sich selbst zu finden, ist die eigentliche Essenz, die permanente Aufgabe: „Fordere Körper und Geist, indem Du Deine Grenzen immer wieder erweiterst und Du wirst merken, dass Du allen Situationen im Leben mit mehr Selbstbewusstsein gegenübertreten kannst.“ Das alles dauert natürlich seine Zeit. Die Hauptsache ist, dass man anfängt, seinen Körper (und damit seinen Geist) zu trainieren, denn: „Man hat eben nur einen Körper – ein Leben – eine Gesundheit“, wie es Meister Young-Kul formuliert.

Sein Lehrsystem richtet sich nach Großmeister Kwon Jae-Hwa, zu dem Meister Young-Kul enge Verbindungen hat. Was ziemlich beachtlich ist, denn Kwon Jae-Hwa ist eine Legende in der Welt des Taekwon-Do. Er ist der Mann, der diese Kampfkunst nach Deutschland brachte und sogar von Choi Hong-Hi, dem Erfinder des Taekwon-Do, gelehrt wurde. Meister Young-Kul hat alle seine Dan-Prüfungen bei Kwon Jae-Hwa abgelegt und stand schon bei zahlreichen Lehrgängen und Veranstaltungen dem Großmeister zur Seite.

 

Mitmachen!

Es gibt zwei Standorte der hiesigen Taekwon-Do-Schule, eine in Darmstadt-Bessungen, die andere in Griesheim. Da das traditionelle Taekwon-Do auf Gesundheit ausgerichtet ist, ist es egal, ob man 5 oder 50 ist; jede Altersklasse ist willkommen. Einfach vorbeikommen und reinschnuppern. Übliche Sportkleidung genügt. Meister Young-Kul bietet ein zweiwöchiges kostenloses Probetraining an. Wird anschließend ein (monatlich kündbarer) Vertrag abgeschlossen, ist in der Aufnahmegebühr ein Taekwon-Do-Trainingsanzug enthalten. Für Familienmitglieder gibt’s einen Rabatt.

Mehr Infos und Preise online unter: www.taekwondo-darmstadt.de