Illustration: Martina Hillemann

Om. Tief einatmen. Om. Und ausatmen. Ich habe ein Date mit einem Buddhisten. Das schrieb er mir, eingestreut in Infos, die man vor einem Date so austauscht. Da ich schon immer ein Faible für den kapitalisierten, westlichen Ratgeber- und Kalenderweisheiten-Buddhismus habe, erschien mir ein Date mit einem seiner Vertreter als eine tiefgründige und horizonterweiternde Erfahrung.

Wir treffen uns im Habibi in der Landwehrstraße. Eines meiner Klischees, dass sich meditierende Menschen vegan ernähren, schien mir schon bestätigt. Ich setze mich draußen an einen der hübschen Tische mit den Sonnenschirmen und halte nach einem Yogi-Typ Ausschau. Bei den tierleidfreien Birkenstock- und MC-Hammer-Pants-tragenden Hipster-Gästen gar nicht so einfach, mein Date auszumachen. Vielleicht hätte ich als Erkennungsmerkmal eine Miniatur-Version der riesigen Sonne ausmachen sollen, die am Tresenbereich des Habibis über den Gästen prangt. Ich verrenke mir also den Hals und suche meinen sicherlich obligatorisch gekleideten Tantra-Mann.

Ja, ich weiß, meine Vorstellungen eines Buddhisten sind wahrlich etwas überdreht. Denn da steht er vor mir, mit einem süßen Lockenkopf, Jeans, Sneakers und Hemd. Enttäuscht biete ich ihm den Platz mir gegenüber an, bei dem Auftreten kann ich auch weiter Katholiken und Protestanten daten. Er fackelt nicht lange und zieht gleich sein Ass aus seinem Ärmel: Er hat mir etwas mitgebracht, ein Armband. Uiii, ich habe noch nie Schmuck geschenkt bekommen! Jetzt, liebe Leserschaft, weiß ich nicht, was schlimmer ist: Dass ich mit 24 noch nie Schmuck von einem Mann geschenkt bekommen habe, oder dass es sich bei dem ersten Teil um ein Stück dünne Schnur mit einem Knoten in der Mitte handelt. „Das hat ein Lama gesegnet, indem es seinen Atem in den Knoten geleitet hat.“ Aha, da hat also ein stinkendes Tier drauf gespuckt? Vielen Dank. Nein, erklärt er mir, während er es mir um das Handgelenk bindet, ein Lama sei ein hoher tibetischer Priester und das solle mir Glück bringen. Er trägt auch eins und weitere Meditationsarmbänder und Ketten, wie ich jetzt feststelle. Okay, also doch ein paar gut getarnte Erkennungsmerkmale gesichtet.

Während wir Hummus und Falafelbällchen verspeisen, erzähle ich ihm, dass ich vor kurzem einen dieser trendigen Achtsamkeitskurse gemacht habe, aber das mit diesem Meditieren … eieiei. Denn auch wenn ich Erwachsenenmalbücher ausmale und achtsam in meinen Körper einatme, hören meine Gedanken nicht auf zu arbeiten. Ich habe eher das Gefühl, in der Entspannung gehen sie erst so richtig ab. Habe ich ein paar Tipps wie „Alles eine Frage der Übung, Julia … bleib am Ball“ erwartet, öffnet mein Buddhist jetzt seine Weisheits-Chakren vor mir und fängt an zu referieren: „Den Bodyscan darfst Du niemals von unten nach oben durchführen, sonst gelangt die Negativität hoch in Deinen Körper. Immer von oben nach unten.“ Er ist bei der Meditation schon auf einer höheren Stufe angelangt. Das ist anscheinend wie bei Pokémon: Man erreicht verschiedene Level und der Endgegner ist die Meditation, in der man in den Todeszustand übergeht. Auf dem Weg dorthin gäbe es Phasen, da fühle man Eiseskälte, oder man denke, man stünde in Flammen, erzählt er. Es wäre ein ziemlich langer Prozess der Meditation, bis man diesen Punkt erreichen würde. Um alles loslassen zu können, um wahre Weisheit zu erlangen. Um dann auf Armbänder pusten zu dürfen, die Männer ihren Tinder-Dates schenken, um die Chancen für ein schnelles Happy End zu erhöhen.

Er mache gerade eigentlich eine Ausbildung zum Physiotherapeuten und Heilpraktiker (er ist schon Anfang dreißig, da sind noch ein paar andere abgebrochene Ausbildungen zu verzeichnen), aber das wäre ganz schön viel zu lernen, deswegen zieht er jetzt erstmal von zu Hause aus und in eine WG des Buddhistischen Zentrums. Er nimmt sein Lehrbuch mal mit, aber eigentlich will er die ganze Zeit an seinem Meditationsfortschritt arbeiten. Er hätte auch ganz vergessen, noch mal zur Bank zu gehen, ob ich vielleicht zahlen könne? Wenn es ein zweites Treffen gäbe, dann würde er bezahlen, Ehrenwort und so. Kurz vor Schluss unseres Dates kommt er noch mal kurz auf meine anfangs eingeleitete Meditationserfahrung zu sprechen und hält mir einen innigen Vortrag, dass alles eine Frage der Selbstidentifikation wäre. Dann lösen sich meine Blockaden und Ängste. Selbstidentifikation, alles klar. Das Erste, was ich demnach zu Hause mache, ist, mein „Traumgarten“-Malbuch in den Müll zu schmeißen und einer meiner Lieblingsbeschäftigungen nachzukommen: Fleisch anbraten. Namastè.