Foto: Jonas Drotner Mouritsen

Seit jeher fürchte ich Sportarten, bei denen etwas durch die Luft fliegt. Und generell finde ich Sport immer nur dann gut, wenn ich ihn gerade hinter mich gebracht habe. Entsprechend skeptisch war ich, als ich Ende 2012 gefragt wurde, ob ich Lust auf „Rollschuhfahren mit Schubsen“ hätte – und in der ersten Darmstädter Roller-Derby-Mannschaft mitmachen will.

 

 
Da ich zuletzt mit Zehn auf Rollen stand und schon immer eher der Typ Mädchen war, der beim Sport als letztes ins Team gewählt wird, sah ich mich auch bei dieser sportlichen Aktivität (wie bei den meisten bisher ausprobierten) von vornherein als Verlierer – und in diesem Fall dann wohl als schwer verletzter Verlierer. Während ich also noch meine Ängste und Zweifel hegte, passierte an der Darmstädter Roller-Derby-Front einiges: Sie entstand aus dem Nichts. Die Hauptrolle dabei spielt Eva Pelikan und ihr Traum von einem Team in Darmstadt. Seit Jahren verfolgt sie den Sport fasziniert, fährt auf Bouts (so heißen die Spiele in Derby-Sprache) in ganz Deutschland und weiß in der Theorie bestens Bescheid. Aber auf Rollschuhen hatte auch sie bis dahin ewig nicht gestanden.

Derby-Welt, hier sind die Riot Rollers Darmstadt!

Plötzlich ging’s ganz schnell: Anfang des Jahres fanden sich aus dem Umfeld der „Vegan in Darmstadt“-Szene (wir berichteten in der P-Ausgabe 10/2012) die ersten Derby-Begeisterten zusammen. Per Mundpropaganda wurden es schnell mehr. Ein paar Jungs sind mittlerweile übrigens auch am Start, die sich zum Referee ausbilden lassen wollen. Und mich hat die Neugier dann auch in die Rollsporthalle am Orpheum getrieben, zum Zuschauen und unverbindlich Rumrollern. Aber nix da! Bäääm – das Derby-Fieber hat mich sofort gepackt, keine Zeit für Sorge um meine Knochen!

Dank Evas Bemühungen gab’s Unterstützung von vielen Seiten: Während andere Derby-Teams zu Beginn in Parkhäusern trainieren mussten, hatten wir von Anfang an den Luxus, die Halle des RSC Darmstadt nutzen zu dürfen – samt Equipment. Und inzwischen sind wir ganz offiziell Teil des Rollsportvereins. Im Vereinspaket wurde uns Larissa Heger mitgeliefert, Rollhockey-Girl und FSJ-lerin des RSC, für die es ein nicht enden wollender Quell der Genugtuung zu sein scheint, uns leiden zu sehen. Das Resultat: fieser Muskelkater und Gefluche, hinter dem sich in Wahrheit eine unbändige Dankbarkeit für Laris Qualitäten als Drill-Instructor verbirgt. Herzlich aufgenommen wurden wir ebenfalls von der Derby-Community: Einige erfahrene Rollergirls gaben uns wertvolle Tipps, Dr. Frankenskate von Skaterebels hat uns beim eigenen Equipment unterstützt und überhaupt sind bis heute alle Teams, mit denen wir Kontakt haben, super-hilfsbereit. Auch toll: Unsere Facebook-Seite verzeichnete innerhalb von zwei Tagen stolze 200 Likes.

Die blauen Flecken und Prellungen sind’s wert!

Mal begeistert, mal kopfschüttelnd – aber interessiert sind eigentlich alle, die von Roller-Derby hören. Da gilt es reichlich zu erklären: … dass wir da halt auf Rollschuhen im Kreis fahren, mit dem Ziel, uns aneinander vorbei zu kämpfen … und ja, schon auch schubsen … keine Inliner, nein, Rollschuhe, wie die Disco-Roller früher … nein, die Mädels sind nicht alle aggressive, tonnenschwere Schlägerbräute … Knie-, Ellbogen- und Handgelenkschoner sind trotzdem Pflicht, genauso wie Helm und Mundschutz … und nein, die Jammerin ist nicht die, die sich dann um den Ball kümmert. Denn es gibt ja keinen Ball (halleluja!). Dafür Musik – und zwar laut. Und jeder hat ein Alter-Ego, einen Derbynamen. Kampfbemalungen sind durchaus üblich und blaue Flecken und Prellungen an der Tagesordnung. Aber das ist’s allemal wert. Wer will, trägt dazu Hotpants und Strumpfhosen. Und viele wollen. Klingt abgedreht – und ja, das ist es auch!

Derbylove!

Das ganze Drumherum gehört unbedingt dazu beim Roller Derby – und ist ein Heidenspaß. Außerdem neu für mich: Enthusiasmus, Motivation und Ehrgeiz können tatsächlich in Verbindung mit Sport entstehen. Ich fand dieses Mannschafts-Sport-Team-Gehabe ja immer eher übertrieben. Doch plötzlich empfinde ich nicht nur tatsächlich Freude am Sport, sondern fühle mich ein bisschen, als wäre ich in einer Gang. Wenn das das vermeintlich lächerliche Mannschafts-Gefühl ist, find ich’s dann jetzt doch auch gut.

Von Zirkeltraining bis Wäsche-aufhängen auf Rollen

Ich glaube, ich kann für alle Darmstädter Riot Rollers sprechen: Wir sind top-motiviert und haben Bock, durchzustarten. An drei Terminen in der Woche feilen wir an Ausdauer, Fahrtechnik und Muskelaufbau. Wir machen Trainingseinheiten, die sich „Black Widow“ nennen (because it kills you … is klar, ne!). Und um die Perfektion unserer Balance-Skills sicherzustellen, rollern wir auch mal daheim durch unsere Wohnungen. Anfang August veranstalten wir ein Bootcamp, bei dem wir ein komplettes Wochenende in der Rollsporthalle verbringen und uns von Derby-Profis aus ganz Deutschland in die Mangel nehmen lassen. Bis dahin wollen wir die „Minimum Skills“ draufhaben – das ist ein umfangreicher Katalog von Fahr-Skills, die alle im Team beherrschen müssen, um „boutfähig“ zu sein.

Und ja, nach wie vor ernten wir manchmal belustigtes Schmunzeln, wenn wir berichten, was wir da treiben. Aber wir haben große Pläne: erster offizieller Bout im Februar 2014, pünktlich zum ersten Geburtstag der Riot Rollers Darmstadt! Und dann zählen wir auf Euch: Support your local Derby-Team!

 

 

1. What the hell is Roller Derby?

Ein Vollkontaktsport (hauptsächlich für Frauen) auf Rollschuhen. Ursprünglich – in den 1930ern in den USA – war Roller Derby ein hartes Ausdauer-Rennen auf Skates, später hat es sich zu einer inszenierten Schau-Rempelei entwickelt. Heute ist Roller Derby ein leistungsintensiver Sport (ohne Ball!), bei dem das Regelwerk so kompliziert, wie der Spaß-Faktor hoch ist. Und er erfreut sich auch in Europa eines rasant steigenden Interesses. Jede größere deutsche Stadt hat mittlerweile ein Team, derzeit gibt es deutschlandweit über 30 gemeldete Mannschaften. Seit 2013 gibt es eine Bundesliga und Ende Juni 2013 fand die erste Deutsche Meisterschaft in Stuttgart statt.
 

2. Roller-Derby-Bout in Stichpunkten

Rollergirls Regeln
 

3. Fall in Derbylove!

Offenes Rollschuhfahren – einfach mal losrollern, immer samstags: Rollsporthalle Orpheum, Alfred-Messel-Weg 5-7, 11 bis 14 Uhr

www.facebook.com/RiotRollersDarmstadt 

www.rsc-darmstadt.de