John Cage, 2. von links bei den Darmstädter Ferienkursen 1990.Foto: Manfred Melzer
John Cage, 2. von links bei den Darmstädter Ferienkursen 1990.Foto: Manfred Melzer

Ein vibrierender Spielzeugfisch liegt im Piano, Radios fallen vom Tisch und hin und wieder quietscht ein Gummi-Entchen. Was für manche klingt wie die Nachmittagsgestaltung in der Klapsmühle, ist eigentlich ein Musikstück. Genauer gesagt: eine Musik-Performance des Komponisten John Cage, die den Namen „Water Walk“ trägt. Cage war einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Musik. Eines der weltweit wichtigsten Treffen für Vertreter dieser Musikströmung sind seit dem Jahr 1946 die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik. Vom 14. bis 28. Juli 2012 werden sie wieder einige Musik-Touristen aus aller Welt nach Darmstadt locken.

Aber was ist überhaupt Neue Musik? Das neue Album von Lady Gaga etwa? „Zunächst einmal ist das ein sehr weiter Begriff“, versucht Thomas Schäfer eine Erklärung. Schäfer ist Leiter des Internationalen Musikinstituts Darmstadt, das die Ferienkurse alle zwei Jahre veranstaltet und damit im Jahr 2010 Künstler und Musikbegeisterte aus 50 Nationen angelockt hat. „Neue Musik zählt – im Gegensatz zum Pop – zur Ernsten Musik, die Stücke müssen im weitesten Sinne komponiert sein“, so Schäfer.

Wie man jedoch an John Cages „Water Walk“ erkennen kann, müssen dabei nicht immer die gängigen Musikinstrumente verwendet werden. Bei Cages Stück „4,33“ wird überhaupt kein Instrument gespielt: Der Musiker setzt sich an das Piano und schließt die Klappe zu den Tasten – nach vier Minuten und 33 Sekunden öffnet er die Klappe wieder und das Stück ist zu Ende. Das klingt nach nichts, meint aber alles – Cage will damit erreichen, dass die Hörer in dieser Zeitspanne alle Geräusche ringsherum bewusster als sonst wahrnehmen. Und so ergibt es einen Sinn. Es kann auch vorkommen, dass die eigentlichen Instrumente oder Spielarten verändert werden, beispielsweise durch Bälle im Klavier oder einen anders herum gehaltenen Cello-Bogen.

Der Übergang von Musik zu anderen Kunstformen war schon immer fließend. Die Mathildenhöhe veranschaulicht dies derzeit mit der Ausstellung „A House Full Of Music“, die auch vom Internationalen Musikinstitut unterstützt wird. Dort lässt sich die Verbindung zwischen bildender Kunst und Musik bestens nachvollziehen: Bei Paul Klee werden Notenlinien zu Strommasten – und die Konzerte der experimentellen Punkband Einstürzenden Neubauten sind gleichzeitig Kunst-Performances.

Auch die Veranstaltungen während der zweiwöchigen Ferienkurse sind möglichst offen gehalten: Im sogenannten „Open Space“ darf jeder Teilnehmer seine Texte lesen, Proben abhalten oder diskutieren. „Wir haben den Open Space bei den vergangenen Ferienkursen zum ersten Mal angeboten, allein daraus sind 110 einzelne Projekte entstanden“, erklärt Schäfer begeistert.

Seminare, Workshops, Konzerte, Diskussionen und Proben wird es ab dem 14. Juli an verschiedenen Orten in ganz Darmstadt geben. Das „Atelier Elektronik“ hat seinen Platz im 603qm. Hier wird über verschiedenste Arten elektronischer Musik referiert und diskutiert – vor allem aber ausprobiert. „Die Ferienkurse sind im Grunde ein zweiwöchiges Labor, in dem man experimentieren kann“, so Thomas Schäfer. Der Leiter des Internationalen Musikinstituts hat dieser Tage alle Hände voll zu tun, denn neben den Ferienkursen beginnt am 14. Juli ein weiteres Großprojekt in Darmstadt: Der Hauptbahnhof wird zum John-Cage-Bahnhof: „Cage100“. Denn sowohl Cage als auch der größte Darmstädter Bahnhof haben 1912, also vor 100 Jahren, das Licht der Welt erblickt. Außerdem nahm Cage selbst zwei Mal an den Ferienkursen teil.

Einen Monat lang sollen im Hauptbahnhof fünf Klanginstallationen von verschiedenen Künstlern präsentiert werden und ein „temporäres Irritationszentrum“ bilden. Auf der Wiese vor dem Bahnhof wird die „CageStage“ errichtet, auf der immer um 18 Uhr Texte von und über Cage gelesen werden. Unter anderem wird dort auch Bürgermeister Jochen Partsch als Performer im Geiste Cages auftreten.

Außer den Kursen und Workshops sind alle Konzerte und Veranstaltungen öffentlich. Renommierte und spannende Künstler wie Matmos, Ensemble Modern, Frank Bretschneider, Markus Popp (Oval), Bill Fontana, R. Murray Schafer und dutzend andere werden auftreten. Wer also Lust auf ein Hörerlebnis der etwas anderen Art hat, sollte die Website des Internationalen Musikinstituts besuchen, dort werden alle Veranstaltungen der 46. Ferienkurse für Neue Musik angekündigt:

www.internationales-musikinstitut.de