Otto Röhm Plexiglas
Foto: Evonik Röhm GmbH

Otto Röhm war wahrscheinlich schon als kleiner Junge einer, der lieber daheim im Geräteschuppen rumbastelte, als draußen mit den anderen „ Cowboy und Indianer“ zu spielen.Wie lässt sich wohl sonst erklären, dass der 1876 in Öhringen bei Heilbronn geborene Schwabe im Laufe seines Lebens an über 70 Patenten als Erfinder oder Miterfinder beteiligt war?! Eine davon ist: Plexiglas.

Die Vorgeschichte: Röhm studiert in München und Tübingen Pharmazie und Chemie, arbeitet anschließend bei den Stutt-garter Gaswerken und gründet mit dem Kaufmann Otto Haas 1907 in Esslingen das Unternehmen Röhm & Haas. Ziel der Firma ist damals die Vermarktung von Enzymen, die vor allem in der Leder- und Waschmittelindustrie zum Einsatz kommen sollen. Im Jahr 1909 zieht es die Firma mit Sack und Pack nach Darmstadt, um effizienter mit den damals sehr bekannten Lederfabriken des Rhein-Main-Gebiets arbeiten zu können.

In Darmstadt beginnt nun die eigentliche Erfolgsstory: Neben den revolutionären Erkenntnissen für die Leder- und Waschmittelindustrie ist Röhms größter Coup die Entwicklung eines glasklaren, alterungsbeständigen und harten Kunststoffs auf der Basis von Polymethylmethacrylat – uns allen besser bekannt als Plexiglas. Als man Plexiglas 1937 auf der Weltausstellung in Paris mit dem Grand Prix und einer Goldmedaille prämiert, steht Otto Röhm auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Doch die glanzvolle Zeit hat einen sehr faden Beigeschmack, denn im Zweiten Weltkrieg wird Röhm als Teil der Rüstungsindustrie zur Verglasung von Flugzeugkanzeln eingesetzt. Das Geschäft floriert – zum Leidwesen der Menschen: Um die Produktion aufrecht erhalten zu können, greift die Firmenleitung zunehmend auf Zwangsarbeiter zurück.

1939 verstirbt Otto Röhm in Berlin, doch sein durchsichtiges Erbe lebt munter weiter: Zuerst in Kontaktlinsen, dann als Deckel von Radio-Plattenspieler-Kombinationen (zum Beispiel dem legendären „Schneewittchensarg“ von Braun) – und schließlich in der Medizin zur Stabilisierung von Implantaten im Knochen.

Plexiglas
Foto: Evonik Röhm GmbH

Heute ist Plexiglas – vor allem durch die vielen Möglichkeiten in Form- und Farbgebung – fester Bestandteil unseres Alltags. Man trägt es als Brillenglas auf der Nase, hängt es sich als Lampe an die Decke oder bekommt es als Zahnprothese in den Mund geschoben. Fahrrad-Reflektoren bestehen genauso aus Plexiglas wie Schmuck, Treibhäuser oder U-Boot-Druckkörper. Ja, richtig gelesen: U-Boot-Druckkörper!

Da man als Darmstädter Bauingenieur anscheinend besonders stolz auf die heimische Erfindung ist, errichtete man hier (genauer: über den Schlossgraben) im Jahr 2008 die „weltweit erste Brücke mit Plexiglas als mittragendes Element“. Dieses Bauwerk ist möglicherweise so überflüssig wie die neue Weiterstädter SuperMegaGiga-Einkaufsmeile, doch Otto Röhm wäre sicher erfreut. Und wer beim nächsten Date mit schlauen Sprüchen glänzen will: Polymethylmethacrylat entsteht durch Polymerisation des monomeren Methacrylsäuremethylesters – und die ineinander verflochtenen Polymerketten geben dem Plexiglas seinen Namen (lat. plectere = flechten). Ist doch (glas-)klar, oder?