Das P berichtet von der härtesten Front des Kneipensports: Schonungslos gegenüber uns selbst ziehen wir von einem Kicker zum nächsten, überprüfen Temperatur und Geschmack der angebotenen Biere – und natürlich die Tische und Gegner.

 

K60 (Kasinostr. 60)

Wir beginnen den Abend beim Nachwuchs der Darmstädter Kicker-Landschaft. Ein bisschen außerhalb gelegen und durch das Parkhaus, in dessen fünfter Etage es sich befindet, für „autorisierte“ Menschen sehr gut zu erreichen. Doch auch Fahrrad fahren im Parkhaus macht Spaß – aber Vorsicht: Den Schwindel nach der Spiralfahrt nicht unterschätzen. Die beiden Kicker stehen in einem eigenen Raum, sind neu, sehr gut eingespielt und haben ordentlich Rumms. An der Bar läuft auf drei Monitoren und einer Leinwand Bundesliga und im Nebenraum trainiert der TV Darmstadt-Eberstadt auf gefühlt 300 Tischen Billard. Bloß nicht über die Queue-Taschen stolpern! Das Bier ist kalt und zischt, ein guter Start. Wir ziehen weiter ins…

 

Pillhuhn (am Riegerplatz)

Wohl temperiertes und diesmal heimisches Bier. Der Kicker ist okay, die Beleuchtung leider suboptimal. Bemerkenswert ist, dass der Sturm in die falsche Richtung schaut, was aber nur einen optischen Einfluss hat. Neben und in den Toren wurde aus Gründen des Schallschutzes Teppich an der Bande angebracht. Coole Ball-hochschnick-und-im-gegnerischen-Tor-versenk-Tricks sind hierdurch nicht möglich, aber Leute, die das können, gibt es eh nur im Internet und in der „Krone“. Die Wände sind mit barocken Kickermotiven dekoriert und es darf geraucht werden. Weiter zum nächsten Tisch, der steht im…

 

Hotzenplotz (Mauerstraße)

Okay, rund um und über dem Kicker Gartenlaubendeko. Das Bier läuft runter wie Öl, doch huch, da sind nur neun Bälle im Kicker. Schade. Der verwatzte Tisch ist zwar nix für Filigrantechniker, aber weckt das Kicker-Kämpfer-Herz in uns und so liefern wir uns ein körperbetontes und hochdramatisches Match. Nach zwei Runden trinken wir aus und ziehen weiter ins…

 

Café Chaos (Mühlstr. 36)

Hier steht der Kicker im Raucherraum. Dafür hängt gleich nebendran der Maoam-Automat, und zusammen mit dem schon wieder leckeren, kalten Bier ergibt das einen merkwürdigen Klumpen im Bauch. Die beiden Tische sind zwar top gepflegt, schick und neu, aber so richtige Emotionen kommen bei uns nicht auf, wir nennen es das Allianz-Arena-Syndrom. Außerdem kennen unsere potentiellen Gegner leider die Regeln nicht und so klappt das mit dem Spielen nicht sehr gut. Vielleicht haben sie aber auch nur noch ein bisschen mehr getrunken als wir. Ist ja auch schon spät, also schnell weiter ins…

 

An Sibin Irish Pub (Landgraf-Georg-Str. 25)

Auch hier steht der Kicker im Raucherraum. Für Raucher sicher super, für sportorientierte Kickerfreunde wie uns aber spielbehindernd. Naja, wir stinken eh schon! Der Kicker hat denn auch wie früher zwei Aschenbecher fest aufgeschraubt und sicherlich fällt auch immer mal wieder der ein oder andere Aschekrümel auf die Spielfläche. Die Stangen gehen ziemlich schwer und tun uns ein wenig Leid. Wie gerne würden wir ihnen ein bisschen Öl geben, wenn wir welches hätten! Die Zeit drängt, deswegen schnell weiter zur letzten Station dieses Abends in die…

 

Krone-Kneipe (Schustergasse 18)

Heimstätte des Darmstädter  Kickersports. Ach was, sicherlich sogar Geburtsstätte. Empfangen werden wir von einer Soundkulisse, die auch einem Ritterporno entstammen könnte: das metallische Klackern der Kickerstangen, angestrengtes Keuchen, jubilierendes Stöhnen und echte Gefühlsausbrüche. Im Hintergrund noch die „Krone“-Band mit leierndem Dixieland-Sound. Perfekt! Die Qualität und der Zustand der Kickertische verhalten sich antiproportional zu dem der Toiletten. Will heißen: Hier gibt‘s die am besten gepflegten und eingespielten Kicker, die wir getestet haben. Und die schwierigsten Gegner, die teilweise aus Überregional anreisen, um hier gleichwertige Gegner zu finden. Da es insgesamt fünf Tische gibt, findet hier aber jeder Gegner seines Kalibers. Die zahlreichen Kickerfreunde sind nett, kennen die Regeln und das manchmal verbissene Spiel wird durch teils erniedrigende Witze aufgelockert. Das gehört dazu. Nerdige Accessoires wie etwa Handschuhe oder „Handgriffkondome“ für besseren Grip bleiben glücklicherweise auch hier eine Randerscheinung. Unsere dem Gerstensaft geschuldete Selbstüberschätzung führt uns dann an einen der Profitische, schließlich haben wir ja den ganzen Abend geübt. Denkste. Unser letztes Spiel gerät zu einer Lehrstunde. Wenigstens das Krabbeln können wir dank eines Glückstreffers in letzter Sekunde verhindern, puh! Mittlerweile ist es auch eher wieder früh als spät und wir beenden unseren Kickermarathon an diese Stelle.

 

Zwei weitere Kicker stehen im Weststadtcafé, aber das hat ja leider gerade Winterpause. Wenn es weitere Kicker in Darmstadt gibt, von denen wir nichts wissen, schreibt uns: redaktion[at]p-verlag.de

 

Kickermann
Illu: Rocky Beach Studio
Kickerfrau
Illu: Rocky Beach Studio

* Regeln *

Gespielt werden kann nach verschiedenen Regeln. Durchgesetzt haben sich aber größtenteils die Fair-Play-Regeln. Danach fordert man mit seinem Partner das Siegerteam eines Tisches mit 50 Cent (entspricht elf Bällen) zu einem weiteren Spiel heraus. Unter Umständen liegen bereits mehrere 50-Cent-Stücke auf dem Tisch, so dass man weitere Spiele abwarten muss, bis man gegen das dann aktuelle Siegerteam spielt. Sieger ist das Team, das als erstes sechs Tore geschossen hat. Anstoß bekommt das Team, welches das letzte Tor kassiert hat. Torschüsse aus der Mittelreihe und „Leiern“ (also Drehen der Stange um mehr als 360 Grad) gelten als unsportlich. Ein Team, das ohne einen eigenen Treffer zu schießen verliert („Nullsche“), muss der Ehrerbietung wegen unter dem Tisch durchkrabbeln.

 

* Jet *

„Jet“ ist eine weltweit bekannte Schusstechnik, die von Hans-Friedrich Kircher, dem aus Darmstadt stammenden Tischfußballweltmeister des Jahres 2004, erfunden wurde. Hierbei wird der Ball durch eine schnelle Seitwärtsbewegung in eine ungedeckte Position gebracht und dann mit einer Rückwärtsdrehung der Spielfigur versenkt. Allerdings ist diese Variante aufgrund der 360-Grad-Drehung bei vielen Spielern verpöhnt. Der Name „Jet“ ergibt sich übrigens aus dem Wohnhaus des Erfinders, welches direkt neben einer Tankstelle liegt.