Fotos: Nouki Ehlers, nouki.co

Wie reimte einer meiner besten Freunde schon Ende der 80er: „Wir hassen die Heag sehr. In Darmstadt fährt die Heag und die mögen wir nicht mehr. Doch nach Traisa fährt nur der Bus, den der Gerald nehmen muss.“

Nun, den Bus nach Traisa nehme ich noch immer und gerne, aber seit fast 30 Jahren nur noch, um meine Eltern zu besuchen, ansonsten fahre ich viel Straßenbahn. Und dieses freundliche Verkehrsmittel (die Schmähungen der Jugend sind längst vergessen) erfuhr ein tüchtiges Makeover.

Nichtsahnend stieg ich neulich erstmalig in eine Bahn der neuesten Generation. Von außen war ich beeindruckt: modern im Schnitt und nicht so zugeklebt kam sie daher. Doch nur einen Schritt weiter, und ich stand konsterniert drinnen, bass erstaunt, wie karg die Ellebembel von innen aussah. Ich erwartete nicht, in die 70er zurückversetzt zu werden, mit einer Art Kneipentresen als Fahrkartenschalter sowie der Steuereinheit im Heck. Aber was dieses Toi-Toi auf Achsen an Wohlfühl-Gefühl und Sicherheit ausstrahlt, spottet wirklich jeder Beschreibung. Da ich es aber mit spöttischen Beschreibungen schon zu einiger Reputation geschafft habe, teile ich Euch offen mit, wie es darin aussieht: weiß und hell, das Licht ähnlich dessen, was man mit OP-Sälen in Verbindung bringt. Oder mit Autobahnurinalen. Diese Ungemütlichkeit im Beleuchtungssektor wird in seiner Sterilität noch durch das völlige Weglassen von Sitzpolstern potenziert. Einfach mal gar keine bunten Sitze mehr, sondern Schein-Laminat, Fichtendekor, in einer ansonsten nur in Alpina-Gletscher-Polar-Weiß gehaltenen Atmosphäre. Dazu einige Armaturen aus Stahl.

Fährt man darin, so tut man dies beklommen, weil man A.: Angst hat, man wäre in ein einem von Trump gestalteten Abschiebe-Zug nach Mexico gelandet. Oder B.: Angst hat, dass sich gleich einer neben einem erleichtert. Oder C.: Gleich der Doktor reinkommt und in seinem rollenden Druckraum mal nach seinem Klientel schaut.

Zurück zu den Geschehnissen: Ich gelte als hilfsbereit, aber der Rollstuhlfahrer wollte gerne vom Personal die Rampe ausgeklappt haben. Die neue Rampe ist allerdings das Pendant zum neuen Auto-Ersatzreifen. Sie wird nicht mehr majestätisch aus dem Boden umgeklappt (war wohl zu viel Material), sondern dient in Warteposition als Anlehnhilfe und wird bei Bedarf einem Falk-Plan gleich ausgefaltet und zum Einsatz gebracht. Billig!

Ich weiß nicht, wo und von wem diese Straßenbahn gebaut wurde, geplant wurde sie in jedem Falle so, dass das Reinigen des Fahrgastraumes mit dem Kärcher in fünf Minuten getan ist. Man braucht ja keine Sitze mehr zu reinigen. Über dieses abstruse Schein-Laminat als Polster-Ersatz wird einfach keimfrei drüber gewischt. Halten die uns für einen Trupp inkontinenter Polytoxikomanen, welche zwischen Alsbach und Arheilgen oder Griesheim und Bölle hin und her eiern? Der Clou des Ganzen ist aber die Tresor-Sicherheitstür, welche uns von der Fahrerkabine durch Stahl und Sichtschutz trennt, und suggeriert: „Du interessierst hier niemanden!“ Früher stieg ich gern in eine leere Bahn. Diese neue hingegen macht mir schon ein wenig Angst.

Liebe Tina, Barrierefreiheit muss auch anders gehen!