„Game, Set & Match!“ Die Darmstädterin Andrea Petkovic ist aus deutscher Sicht so etwas wie der Shootingstar der weiblichen Profi-Tennisszene. Nach einem Kreuzbandriss bei den Australian Open im Januar 2008 und achtmonatiger Verletzungspause hat die Griesheimerin serbisch- bosnischer Herkunft mit ihrem ersten Turniersieg auf der WTA-Tour (WTA = Womens Tennis Association) Ende Juli in Bad Gastein und kurz darauf als Semifinalistin in Istanbul einen Riesensatz in der Tennisweltrangliste auf Platz 58 gemacht. Und sie hat sich selbst bewiesen, dass ihr Schritt in Richtung Tenniskarriere richtig war.
Anfang Oktober in Tokio bezwang Andrea Petkovic die russische Weltranglistensechste und French-Open-Siegerin 2009 Svetlana Kuznetsowa. Ein Ausrufezeichen! Die 22-Jährige verfolgt aber nicht nur auf dem Tennisplatz ehrgeizige Ziele: „Die nächsten fünf bis zehn Jahre sehe ich mich noch auf der Tour. Hier werde ich versuchen, jeden Tag das Beste aus mir rauszuholen, um am Ende sagen zu können, ans Limit gegangen zu sein. Danach sehe ich mich am ehesten in der Politikwelt tätig“, erzählt Andrea. Dass ihre Ambitionen durchaus Substanz haben, unterstreicht ein bereits absolviertes Praktikum bei Hessens Landesregierung sowie ihr Studium der Politikwissenschaft an der Fernuni Hagen, das sie auch parallel zur Tenniskarriere bewältigt. Dabei sei offen, ob es nun in Richtung Politikerin oder Journalistin gehe, erklärt die sympathische junge Frau, die nebenbei auch noch für die FAZ ein Tennistagebuch online publiziert.
Goethe-Fan Petkovic lässt keinen Zweifel daran, die großen Ziele auch erreichen zu können. „Erfolg ist mir sehr wichtig, alles ist darauf ausgerichtet – Studium, Sport, Journalismus. Erfolg und Willens stärke sind mein Lebenselixier“, sagt die ehemalige GBS-Schülerin, die als Hochbegabte eine Klasse übersprang und trotz Tennis souverän ein Einser-Abitur hinlegte.
In diesem Jahr wird Andrea fast 30 Wochen rund um den Globus unterwegs sein. „Wenn Du im Ranking schlecht stehst, musst Du viele kleinere Turniere spielen, um in die großen Turniere rein zu kommen“, erklärt sie. Aufgrund ihrer aktuellen Position habe sie es nun leichter mit der Jahresplanung. Darmstadt sei wichtig für sie, um vom Hin und Her zwischen Hotels und Spielen wieder ein Stück Alltag im Kreis von Freunden und Familie zu erleben und vom Trubel abzuschalten: „In Darmstadt muss ich auch nicht nachdenken, ob jemand Fremdes wichtig für mich ist.“ Bei Turnieren, bei denen sie es ständig mit neuen Menschen zu tun hat, müsse sie das. Ihr persönliches Umfeld garantiere ihr zudem die nötige Bodenhaftung.
Viele Kreative tummeln sich da: Fotografen, Texter, DJs – und vor allem Musiker. „Musik – das ist das Tor zu einer ganz anderen Welt, quasi das Gegenextrem zu meinem Tennisalltag“, beschreibt Andrea. Das Pendeln zwischen beiden Polen sorge dafür, dass sie mit beiden Füßen auf dem Boden stehe. Mit Philipp Rittmannsperger („Phil Fill“), einem bekannten Darmstädter Musiker, ist sie schon länger zusammen. Er hat ihr auch eine eigene Musikproduktion beschert: „Ich will ’ne Band sein“ heißt der 80s-gefärbte Elektro-Pop-Song, der auf ihrer Homepage und bei MySpace veröffentlicht wurde. Die Anekdote dahinter: „Philipp und seine Bandkollegen haben bei einem Frühstück nach einem Gig völlig aufgedreht auf dem Tisch rumgetrommelt. Da mich das irgendwann genervt hat, habe ich gesagt: Ich will auch ’ne Band sein.“
Andrea, die Gitarre und Schlagzeug spielt, sagt zwar, sie könne nicht singen. Produktion Nummer zwei ist dennoch schon in der Pipeline: „Diesmal was im Balkansound“, passend zu Andreas Wurzeln, die ihr wichtig sind: „Meine Eltern haben ein Haus in Serbien gebaut, da fahre ich jedes Jahr hin.“ Auch auf Turnieren hängt sie „gerne mit Serben rum, weil die einfach cool und entspannt sind“. Im Tennis-Circuit unterscheidet sich Andrea aufgrund ihrer Persönlichkeit von den „blonden Ja-Sagerinnen“, wie sie betont. Der Begriff „tennisspielender Rock’n’Roller“, wie sie sich selbstbewusst auf Twitter beschreibt, passe da ganz gut als Alleinstellungsmerkmal – auch wenn der Ausdruck von ihrem Kumpel „Carlos“, bürgerlich: Lukas Lehmann, dem Betreuer ihrer Website, stamme.
Gibt es etwas, wovor Andrea Petkovic Angst hat? „Vor Haien – sobald ich das Meer sehe. Keinen Plan, warum das so ist. Vielleicht ist das so ’ne Art Symbol. Und auf privater Seite: mich selbst oder Freunde zu enttäuschen. Wenn ich Dinge, die ich versprochen habe, nicht einhalten würde. Dumm zu handeln oder meinem Eigen bild nicht zu entsprechen – das wären persönliche Niederlagen.“ Nach auskurierter Verletzung stehen bald die nächsten Turniere an. Danach heißt es Urlaub und Stressabbau: „Ausgelassen feiern bis acht Uhr morgens, Schlaf bis zum Nachmittag und dann Burger ‚frühstücken‘. Eigentlich bräuchte ich nach diesen zwei Wochen im November Urlaub vom Urlaub, denn dann bin ich ein Wrack, “ sagt Andrea lachend. „Das ist ein Traum, einfach mal die Disziplin über Bord schmeißen zu können.“
Andrea Petkovic ist auch auf Facebook, Twitter und MySpace vertreten.