Hörspiel Weller Atze
Foto: Jan Ehlers

Das Diskotheker-Duo, das heute auf der Hörspiel-Couch Platz nimmt, könnte man auf die einfache Formel „Darmstadt + Frankfurt = Soul Love“ bringen. Schließlich sind Matthias Westerweller, besser bekannt als Weller, und sein Partner Atze Knauf langjährige Gastgeber brillianter Soul-Weekender sowie Labelchefs von Sundae Soul Recordings (siehe Label-Portrait in P-Ausgabe 23 vom April 2010). Doch die passionierten Musikliebhaber sind über den Soul hinaus auch in allen möglichen anderen Genres zu Hause. Was uns die Möglichkeit gibt, das Hörspiel zu nutzen, um an ihrem enzyklopädischen Wissen teilzuhaben.

 

Bevor wir loslegen, habe ich an Euch als gestandene DJs eine Eingangsfrage: Was ist für Euch der ultimative Song, um eine Party in Gang zu bringen?

Atze: „Ain’t No Mountain High Enough“ von Marvin Gaye und Tammi Terrell , auch wenn ich dafür immer geschlagen werde, weil der Weller sagt, das sei ein Hit, das müsse man sich aufsparen.

Weller [grübelt lange]: Von Fozzy oder Fonzi Thornton „I Work For A Living“, eine Chic-Produktion.

A: Ja ja, natürlich, der Fozzy-Bär.

Den Typen google ich und wehe, den gibt‘s gar nicht! [Anm. d. Red.: Doch, den gibt’s.]

 

Jan Hammer Group „Don’t You Know“

Eine entspannt groovende Nummer des Miami-Vice-Theme-Komponisten von dem ebenso entspannten „Too Slow To Disco“-Sampler.

W: Krautrock meets neunziger Jahre. In England.

A: Jetzt klingt‘s ein bisschen wie Belle & Sebastian, also irgendwie schottisch. Ist mir phasenweise viel zu fuddelig, aber der Gesang ist klasse. Aber kein Song, um eine Party zu starten.

 

Ringo Starr with Stevie Nicks „Lay Down Your Arms“

Der Beatles-Drummer und die Fleetwood-Mac-Chanteuse versuchen sich erfolgreich an einem Song des John-Lennon-Kumpels Harry Nilsson.

W: Bill Drummond, KLF, Yellow Magic Orchestra? Die Stimme kenn ich, Kevin Rowland [von Dexy’s Midnight Runners]?

A: Hill, Du machst mich fertig! Die Stimme ist mir ganz bekannt. Jazz Butcher? Rockingbirds?

Ein Tipp: Der Sänger ist eher als Schlagzeuger bekannt und hat die Sixty-Four schon hinter sich.

W: Ringo Starr!

A: Aber mal Hand aufs Herz: Er ist zwar eine der Pop-Ikonen schlechthin, doch ich hör mir seine Soloplatten nicht an.

Und zur anderen Sängerin: Warum muss man sich nicht schämen, Fleetwood Mac zu hören?

W: Weil sie saugeile Songs geschrieben haben, die top produziert, aber nicht überproduziert sind.

A: Man muss sich ja so gut wie für nix schämen, außer für U2. Ich hätt‘s nicht erkannt, da hättest du mich nackisch an den Lautsprecher binden können!

 

The Sheets „Peter Ran“

Ein bis vor Kurzem noch unveröffentlichtes Kleinod der in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern aktiven Darmstädter Gitarrenpop-Combo um Jörn Elling Wuttke und Lolo Blümler.

So, jetzt wird‘s einfacher für Euch.

A [hört aufmerksam zu]: Jingle-Jangle-Gitarrenpop! Hab ich lang nicht mehr gehört. Oh Gott, jetzt bräucht‘ ich den Uwe W. aus Berlin als Joker [Jingle-Jangle-Gitarrenpop-Experte und Labelchef von Firestation Records].

W [flüstert kaum hörbar]: Das sind die Sheets.

Genau. Erklärt mal den P-Lesern, welche popkulturelle Relevanz die Sheets besitzen.

A: Da könnt‘ ich jetzt weit ausholen. Ganz allgemein natürlich gar keine, aber in unserem kleinen Popkosmos Ende der Achtziger hatten die eine sehr hohe Relevanz. Damals hat in Darmstadt das deutsche Gitarrenpop-Herz geschlagen! Viele Grüße an Lolo!

W: Viel interessanter ist aber doch, was aus den Sheets geworden ist.

A: Ja, Alter Ego [Jörn Elling Wuttkes Acid-House-Projekt] ist ’ne interessante Band. Ich nehm‘s den Sheets heute noch krumm, dass die ihr Album so lange nicht veröffentlicht haben.

 

Bobby Womack „Across 110th Street“

Quentin-Tarantino-Fans kennen das Stück aus „Jackie Brown“, Soul- und Damon-Albarn-Fans kannten den 2014 gestorbenen Sänger schon vorher als einen der ganz Großen seiner Zunft.

W: Ah, Bobby Womack! Ich bin mal mit der U-Bahn an der 110. Straße vorbeigefahren, aber leider nicht ausgestiegen.

A: Das ist übrigens auch ein guter Song, um eine Party zu starten.

W: Und ich wollte letztes Jahr noch nach Paris fahren, zu seinem Konzert, doch dann ist er gestorben.

Was mich im Zusammenhang mit dem Song interessieren würde: Wo liegt denn genau der Unterschied zwischen Northern und Modern Soul?

A: Da gibt es immer Leute, die gerade die Definitionshoheit haben, wie bei allen Genres. Und die bestimmen, was dazugehört und was nicht.

A: Northern Soul ist flotter Four-To-The-Floor-Beat, die Musik geht ab.

W: Und „Modern“ ist alles ab 1972. Es ist ja auch so, dass die Northern-Soul-Leute sich geöffnet haben und heute auch mal ein Discostück durchgehen lassen.

A: Und das, was in den Siebzigern „Modern“ war, gilt heute oft schon als Northern Soul. Es gibt sogar Stücke von 1982, die als Classic Northern Soul gelten, obwohl das eigentlich gar nicht sein kann.

Wie steht ihr als Musikliebhaber und DJs eigentlich zur Tarantinisierung der Musik der Sechziger und Siebziger?

A: Es gab mal ’ne Phase, als der Film „Jackie Brown“ rauskam und man dieses Stück als DJ immer spielen musste, das hat mich dann genervt. Aber es ist ja auch ein toller Song. Generell finde ich die Tarantinisierung gut. Der hat einen guten Geschmack, die Songs von seinen Soundtracks kommen ja angeblich aus seiner eigenen Musiksammlung – ich find’s spitze!

 

Cassius Clay (alias Muhammad Ali) „Stand By Me“

Der große Boxer brachte 1964, als zünftige Sportler noch singen mussten, das Album „I Am The Greatest“ raus, zu einem Zeitpunkt, als er selbst noch nicht Boxweltmeister, sondern nur Herausforderer war.

W: Das Lied ist ja klar. Das ist, na, das Lied halt. Wie heißt‘s denn? „Stand By Me“!

Den Interpreten kennt man eher aus anderen Zusammenhängen.

A: Andere Zusammenhänge? Ein Schlauchbootfahrer? Oder Muhammad Ali?

Letzterer.

W: Ich hab mich mal 1974 von meinem Vater wecken lassen, um einen seiner Kämpfe zu sehen. Er war nicht nur ein großer Boxer, sondern auch ein cleverer Typ. Wie der mit Worten umgegangen ist, das waren ja schon damals richtige Raps.

A: Und der Song hier, den singt er richtig gut.

 

Lord Invader „Auf Wiedersehn“

Der als Rupert Westmore Grant auf Trinidad geborene Calypsonian Invader schrieb nicht nur den Klassiker „Rum and Coca Cola“, sondern er reiste auch viel herum, unter anderem nach Deutschland.

W: Das ist Trinidad Calypso.

A: Robert Mitchum.

W: Nein, ah, „Auf der Reeperbahn“, Lord Invader. Aber das hier ist die B-Seite.

A: Calypso ist eine Musik, die ich in den letzten fünf Jahren absolut schätzen gelernt habe. Der Sound ist so entspannt. Das hab‘ ich leider lange nicht erkannt. Weller, wie ist denn deine Definition von Calypso?

W: „Calypso Is Like So…“ [Titel des gleichnamigen Albums von Robert Mitchum]. Hat teils explizit sexuelle, teils politische Inhalte, aber immer in entspannter Form.

 

Und das war’s auch schon wieder. Noch eine abschließende Frage: Welcher ist der ultimative Song, um eine Party zu beenden?

A: Das kann ich aus der Pistole beantworten: „Midnight Train To Georgia“ von Gladys Knight. Das ist Gesetz!

W [grübelt schon wieder]: Ich hab verschiedene, zum Beispiel „Teach Me Tiger“ von April Stevens oder die Peter-Sellers-Version von „A Hard Days’s Night“.

 

Atze & Weller leesche uff

An den Plattentellern kann man die beiden Herrschaften demnächst in Frankfurt erleben: beim Brilliant Soul Allnighter # 5 am Samstag, dem 21.03. im Restaurant Club 1880 (Feldgerichtstraße 29). Zu Gast ist einer der bekanntesten und gefragtesten Modern-Soul-DJs Europa, Terry Jones aus London.

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