Foto: TU Darmstadt, Jannik Hoffmann (ULB Schloss)

Wer beim hiesigen Uni-Leben nur an einen ständigen Hustle zwischen ewigem Lesen und Lernen, Pendeln und Präsentieren denkt, der verpasst die Chance, das große Potenzial dieses Ortes auszuschöpfen. Denn der Darmstädter Campus besteht aus weit mehr als grauen Gängen, vielen Treppen und komplizierten Raumbezeichnungen: Hier gibt’s auch Bibliotheken – und zwar für alle!

Allein in der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) der TU Darmstadt lagern vier Millionen Printmedien. Dieser Wissensschatz verbringt seinen Alltag in wohl temperierten Räumen, unter optimalen Lichtverhältnissen, in Regalen über Regalen, nur darauf wartend, gelesen zu werden. Und trotzdem sind die Universitätsbibliotheken kein beliebtes Ausflugsziel der Bürger:innen. Um das zu ändern, folgen hier ein paar schmackhafte Einsichten in die größte offen zugängliche Büchersammlung der Stadt.

Offen für alle

Zuallererst: Ja, die „Bibs“ sind offen. Für uns alle. Auch wenn die meisten hier Lesenden Studis sind (tief über das eine oder andere Buch gebeugt, manchmal wohlverdient schlafend, manchmal verloren aus dem Fenster schauend), ist das keine Voraussetzung. So versteht Michael Münzing, Bibliotheksleiter der Hochschule Darmstadt (h_da), die Bibliotheken als Ort für alle, denn sie „sind öffentlich zugänglich und somit für jede:n Interessierte:n nutzbar!“ Das sagt auch Simon Streib, stellvertretender Bibliotheksdirektor der ULB Darmstadt: „Die Bibliothek ist ein Ort, in dem alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Identität oder Herkunft gerne gesehen und willkommen sind. Wir haben Nutzende aus allen Altersschichten – und außerdem gibt es häufig auch Tourist:innen, die sich die schönen Gebäude ansehen wollen.“ Das hat in Darmstadt eine lange Tradition: Bereits 1817 wurde die sogenannte Großherzogliche Bibliothek (im Südostflügel des Schlosses) an fünf Tagen pro Woche für die Allgemeinheit geöffnet. Die Angst also, hier einfach „nicht hinzuzugehören“, ist ein Trugschluss. Wer sich angemessen benimmt (also leise ist, nur Wasser trinkt und die Bücher und anderen Lernenden respektvoll behandelt), ist ein gern gesehener Gast. So einfach ist das. Nachdem wir das geklärt haben, let’s go … rein in die Inhalte!

Die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (ULB) hat Anfang September 2023 im Südflügel des De-La-Fosse-Baus des Darmstädter Schlosses ihren dritten Standort eröffnet.Im Bild: Bestände der ULB Schloss im Gewölbekeller. | TU Darmstadt, Jannik Hoffmann (ULB Schloss)

Verschiedene Standorte

Zur ULB gehören die Standorte Stadtmitte, Schloss und Lichtwiese. Die Hochschule Darmstadt teilt sich in die Zentralbibliothek mit Lernzentrum und die Teilbibliotheken Dieburg, Soziale Arbeit (in der Adelungstraße) und Gestaltung (auf der Mathildenhöhe, von den Gestalter:innen stilsicher selbst eingerichtet). Somit verteilt sich das Wissen quer über die Stadt.

Die wohl gängigsten Zugänge zu den Bibs sind: sich erstens vorzubereiten und zweitens einfach reinzuspazieren. Beide haben ihre Reize! Wer auf der Suche nach bestimmter Literatur ist, sollte vor dem Besuch die Online-Suchfunktion konsultieren. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es in der Stadtmitte das Buch „Mit Nadel und Faden durch die Jahrhunderte: aus der Kulturgeschichte vom Sticken, Stricken und Häkeln“ gibt und werde mir das bei Gelegenheit auf jeden Fall ansehen! Online steht dann genau, wo Ihr das Buch findet.

Die Bibliothek der Hochschule Darmstadt | Foto: Nouki
Innenarchitektur des ULB-Neubaus der TU Darmstadt, der im November 2012 eröffnet wurde. Um das zentrale überdachte Atrium sind in den vier Obergeschossen umlaufende Galerien angeordnet, über die die Freihandbereiche erreichbar sind. | Katrin Binner (ULB Campus Stadtmitte)

Wer sich lieber durch die Bibliothek treiben lassen möchte, schleicht einfach so lange durch die Regale, bis etwas Spannendes auffällt. Dann geht es an die Sitzplatzwahl. Ganz klassisch sind natürlich die Arbeitsplätze, hier gibt es Licht, Strom und eine Fläche zum Ausbreiten der Bücher. Das ist zwar effektiv, aber auch recht starr – und es geht auch bequemer, wie Simon Streib betont: „In allen Bibliotheken gibt es Bereiche mit gemütlichen Sofas, Couch-Ecken oder Lehnstühlen. Hier könnt Ihr am besten in ein Buch reinlesen und entspannen.“ An regnerischen Nachmittagen vergeht die Zeit hier wunderbar schnell. Wer ein Buch ausleihen möchte, braucht einen Bibliotheksausweis, aber der ist schnell beantragt. Formulare dazu gibt es für TU und h_da online, der Ausweis muss vor Ort abgeholt werden.

Wer – aus völlig unerfindlichen Gründen – einfach kein Interesse an Büchern hat, findet in den Bibliotheken vielleicht trotzdem einen hohen Nutzen: als persönlichen Arbeitsplatz oder spannenden Architektur-Rundgang durch Gebäude öffentlicher Nutzung. Die Lernatmosphäre der studentischen Bibliotheken kann durchaus den Homeoffice-Alltag versüßen, besonders, da es in den Bibs auch öffentliches WLAN gibt. Und manchmal ist ein Tapetenwechsel einfach sehr inspirierend. So könnt Ihr beispielsweise in der ULB Schloss, mit ihren hohen Decken, bogenförmigen Fenstern und einem Ausblick auf den Marktplatz, oder an der Lichtwiese, mit Blick über den Campus oder auf die Straßenbahnhaltestelle, sicher auf andere Gedanken kommen, als zu Hause. Nicht nur, dass es wirklich ruhig ist, auch seid Ihr hier nicht allein. Eine unerwartet hilfreiche Kombination, wie alle wissen, die sich schon mal vor einer Auf- oder Abgabe gedrückt haben. Was Studis hilft, kann für alle anderen doch auch nur gut sein, oder?

Vielseitige Gebäude

Die Gebäude selbst sind außerdem vielseitig genug, um in den wohlverdienten Pausen Ablenkung zu schaffen oder einfach bei einem Spaziergang durch die Stadt etwas Neues zu entdecken. Architektonisch spannend sind sie alle, die großen Lesesäle und labyrinthartigen Regalreihen, besondere Highlights gibt es aber auch hier: Einzigartig ist der Gewölbekeller ganz unten im Schloss, in dem Ausgrabungen unter Glasplatten sichtbar gemacht wurden, und ganz oben Fenster, aus denen Ihr über Darmstadt und das Rhein-Main-Gebiet blicken könnt. Eine tolle Aussicht gibt es auch aus dem „Hochhaus“ der h_da, in dem die Bibliothek zwar nicht ist, doch in Laufnähe liegt. Das offiziell C10 genannte Gebäude ist mit 666,38 Metern das höchste Haus Darmstadts und bietet einen entsprechend weitläufigen Blick über das Umland. Die h_da-Zentralbibliothek befindet sich im benachbarten Gebäude D 10, in der Schöfferstraße 8.

Zurück zur TU: Während die ULB Stadtmitte an sich imposant gebaut ist, gibt es ganz besondere Schmankerl im Erd- und Untergeschoss. Hier könnt Ihr regelmäßig Ausstellungen zu verschiedenen Themen – und ganzjährig die (vielleicht echte) Totenmaske von William Shakespeare – bestaunen!

Foto: TU Darmstadt (ULB Lichtwiese)

Als Ort des Lernens bieten die Bibliotheken nicht nur Freiraum, Medien und Inhalte zu entdecken, sondern auch geführte Wissensvermittlung in Form von Vorträgen und Schulungen. Hier kann es sehr spezifisch werden, aber trotzdem spannend für die Allgemeinheit! So bietet die ULB beispielsweise eine Erfinderrechtsberatung oder Workshops zu Literaturrecherche mit Datenbanken und KI zum Erkennen von Fake News an. Daneben gibt es Bibliotheks- und Campusführungen sowie einen Rundgang durch das Universitätsarchiv. Ihr seht also: Für das kleine wie große Interesse ist eine Vielzahl an Angeboten vorhanden – und es gibt somit quasi keinen Grund mehr, die Bib zu meiden.

Passend enden wir unsere imaginäre Tour durch die heilgen Hallen des Lesens und Wissens mit einem schönen Gedanken von Michael Münzing: „Highlights möchte ich den Nutzerinnen und Nutzern gar nicht vordefinieren, da sowohl unsere Bibliotheken als auch die Nutzerschaft ganz individuell sind.“ Soll heißen: In den Bibs gibt es so viel zu entdecken, Ihr müsst einfach nur ein bisschen Zeit mitbringen und die Augen offen halten. Na dann, los geht’s!

ulb.tu-darmstadt.de

bib.h-da.de