Illustration: André Liegl

Liebe Leser, liebe Darmstädter,

in diesem „Internet“, das Euch als emsige Printmedien-Nutzer sicherlich ebenso gut bekannt ist, ist derzeit ja so einiges los. Facebook hat Daten verkauft. Buhuuuu. Ganz neuer Inhalt. Überraschung. Na ja. Aber wir wollen an dieser Stelle niemandem den Schwarzen Peter zuschieben. Nein, hier kommt eine andere Geschichte, die auch einmal erzählt werden sollte.

Ostern 2018. Wie ihr, liebe Leser und Darmstädter wisst, veranstalte ich regelmäßig die allseits beliebte Open-Air-Veranstaltung „Bier trinken & Joggern gute Tipps zurufen“. Angefangen hat alles im Frühjahr 2016, als ich mich mit meinen Freunden im Park treffen, zusammensitzen und ja, Bier trinken, nicht aber dazu jeden einzeln anrufen wollte. Denn ich telefoniere nicht besonders gern. Zu diesem Zwecke habe ich also eine Veranstaltung mit schmissigem Veranstaltungstitel erstellt. Ganz klare Nummer: Ich selbst trinke gerne Bier und beobachtet währenddessen die Jogger im Park. Warum also das Angenehme (Bier) nicht mit dem Nützlichen (Tipps) verbinden? Gesagt. Getan. Bereits des Öfteren in unterschiedlichen Städten mit unterschiedlichen Titeln und ebenso unterschiedlichem Andrang.

Ich komme also am Ostersamstag im besagten Park an besagter Stelle an und es ist: niemand da. Ich öffne ein Bier, mache ein Foto, das ich gedenke auf der Facebook-Veranstaltungsseite hochzuladen. Nicht ohne einen super Spruch, den ich mir natürlich schon seit drei Wochen zurecht gelegt habe. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass niemand kommt. Immerhin: Über 3 Millionen Zugriffe, 4.000 bestätigte Teilnehmer, 31.000 Interessierte, die in 1.500 geteilten Inhalten auf die „Veranstaltung“ hingewiesen haben und zahlreiche Kommentare in der Diskussion – da muss doch was gehen! Ich habe geschätzte fünfzig 30-Liter-Müllbeutel dabei, man möchte ja keinen Unrat hinterlassen. Bin bereit.

Sitze also mit meinem Stoffbeutel, der bis zum Rand mit „Bier trinken & Joggern gute Tipps zurufen“-Bierdeckeln gefüllt ist (eine Kooperation mit der Föhrer Satire-Zeitung „Alles, alles Gute“) und: warte. Nach ein paar Minuten erscheinen drei sehr gut gelaunte junge Männer mit einem Kasten Pfungstädter (0,33). Ich rufe ihnen zu. Sie kommen zu mir und lachen mich an (oder aus), als ich ihnen offenbare, dass ich der Veranstalter des „Events“ bin, zu dem sie extra 350 Kilometer und mehr angereist sind. Wir trinken. Da die Jogger an dieser Stelle des Parks offensichtlich nicht gerne vorbeijoggen, wechseln wir auf Geheiß der Jungs den Standort. Es soll mir recht sein. Bin eh froh, dass überhaupt jemand da ist. Meine Freunde, für die dieses Event ursprünglich gedacht war, sind bei ihren Familien. Ist ja Ostern. Konnte ich ja nicht ahnen, als ich mir das Frühlingswochenende ausgesucht habe.

Nach dem Standortwechsel kommen immer mehr Menschen, die ich nicht kenne und die „im Internet davon gelesen“ haben, zu unserer Gruppe. Und sie tun das, was in der Veranstaltungsbeschreibung steht: Sie trinken ihr selbst mitgebrachtes Bier, unterhalten sich und rufen den vorbeijoggenden Joggern extrem gute Tipps zu. Auf der Seite der Tippgeber sind beispielsweise die beiden Mädels, die direkt von ihrer Schicht nach Frankfurt gefahren sind. Einen Kasten Oettinger und zwei schicke schwarze Sessel im Gepäck. Und die anfangs erwähnten Jungs, die Seifenblasen, Knallfrösche und gute Tipps, die sie sich aus dem Internet heraussuchen und vorlesen, mitgebracht haben. Auf der anderen Seite gibt es den einen Jogger, der nach der dritten Runde ein Bier dabei hat und im Vorbeilaufen mit den Tippgebern anstößt. Prost! Und Rudi. Rudi ist mindestens zehnmal an uns vorbeigelaufen. Hat sich mit jeder Runde mehr über die (durchaus auch alkoholbedingt) besser werdenden Tipps gefreut. Blieb am Ende für das ein oder andere Getränk. Und erzählte, dass wir, die da zu 50 Personen stehen, nicht die einzigen im Park seien. Überall stünden kleinere Grüppchen, tränken Bier und würden gute Tipps rufen. Genau so soll es sein: Menschen, die einander nicht kennen, kommen zusammen und haben eine gute Zeit.

Ohne Facebook, so gemein und datenkrakig es auch sein mag, wäre dieses Zusammentreffen so wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Kommt doch auch mal vorbei – und: Nicht immer alles schwarz-weiß sehen, liebe Leser und Darmstädter!

Man sieht sich,

Eure Moppel

 

Wer ist diese Moppel?

Moppel Wehnemann arbeitet in Frankfurt für das „Caricatura – Museum für Komische Kunst“, außerdem als Fotografin und Teilzeit-Bloggerin. Der Pop-Redakteur Linus Volkmann nennt sie „eine beliebte und prominente Akteurin aus der Titanic-Clique.“ Ihre Hobbys: Bier, American Football, Postkarten und Satire. Außerdem ist Moppel Initiatorin der erfolgreichen Open-Air-Reihe „Bier trinken und Joggern gute Tipps zurufen“. Seit Sommer 2017 bereichert Moppel unseren Kolumnisten-Pool mit ihren Beobachtungen des Alltagswahnsinns.

www.facebook.com/moppelmett.de