Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Es wird immer mehr geradelt in Deutschland – natürlich auch in Darmstadt. Warum und womit? Im letzten Teil ging es um lokale Hersteller und Trends, diesmal beleuchten wir die hiesige Verkehrssituation.

Darmstadt liegt leider nicht in den Niederlanden. Damit will ich nicht darauf anspielen, dass wir hier in Deutschland mit unseren Drahteseln auch mal einen Berg überwinden müssen, sondern auf die wunderschön breiten, ebenerdigen Fahrradwege in unserem Nachbarland, die überall dort zu finden sind, wo man sie eben benötigt.

In der Heimat der Heiner gestaltet sich die Situation in dieser Hinsicht eher umgekehrt: Gerade bei der Benutzung wichtiger Hauptverkehrsstraßen wie etwa der Heidelberger Straße fällt auf, dass es mal Radwege als Teil des Bürgersteigs gibt, dann wieder Radstreifen auf der Fahrbahn, oft aber auch weder das eine noch das andere, so dass man sich als Radler fragt, wo man eigentlich hin soll – und ob man überhaupt erwünscht ist.

Wenn dann noch löchrige Straßenbeläge und die bescheidenen Ampelschaltungen dazukommen (die einen durchaus auch als Radler nerven), dann ist es wohl verständlich, dass die Darmstädter, wenn sie nach der Verkehrssituation für Radfahrer gefragt werden, oft negativ reagieren.

Eine Spinne aus sicheren Wegen

Die grün-schwarze Stadtregierung, darunter einige passionierte Radler wie etwa unser Oberbürgermeister Jochen Partsch, hat die Situation erkannt und nun versprochen, bis 2014 über 40 besonders dringende Stellen anzugehen. 1,3 Millionen Euro sollen direkt in Maßnahmen für den Radverkehr fließen. Zudem werden für 17,5 Millionen neue Wege gebaut, die auch Lücken im Radwegenetz schließen sollen. Das Motto ist: „Bestehende Wege verbessern, neue erstellen.“ So soll am Ende eine „Spinne“ aus sicheren Wegen entstehen, die die Heiner gern mit dem Rad befahren.

Erste Veränderungen sind auch schon zu erkennen – wie etwa in der Bleichstraße (zwischen Grafenstraße und Steubenplatz), wo durch Markierungen ein neuer Radstreifen eingerichtet wurde, und in der Hochschulstraße am Herrngarten (gerade im Umbau). Ich kann es kaum erwarten, dort das erste Mal entlangradeln zu können, ohne mir beim Rennrad dank der tiefen Löcher fast das Hinterrad auszukugeln.

Wenn man die geplanten Maßnahmen der Stadt genauer betrachtet, sieht man, dass hier nicht nur kosmetische Veränderungen gemacht werden, sondern wirklich bewusst auf die Radfahrer eingegangen wird. So werden an manchen Stellen bisherige Fahrstreifen für Autos zu Fahrradstreifen umgebaut – wie etwa in der Heidelberger Straße, der Bismarck- und der Bleichstraße.

Vieles ist in Planung

Des Weiteren sollen mehrere Einbahnstraßen für den Fahrrad-Gegenverkehr geöffnet, ein Fahrrad-Vermietsystem eingerichtet und die Möglichkeiten, sein Fahrrad in der Innenstadt abstellen zu können, stark erweitert werden. Bis 2014 sollen zudem acht bis neun „Park & Ride“-Anlagen für den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) im Stadt- und Landkreis genutzt werden können. „So soll die hohe Verkehrsbelastung im Stadtgebiet weiter reduziert werden“, erklärt die Darmstädter Verkehrsdezernentin Brigitte Lindscheid, . Es geht also nicht nur darum, denjenigen das Fortbewegen einfacher zu machen, die ohnehin schon radeln, sondern auch denen mehr Anreize zum Umstieg auf Rad und ÖPNV zu bieten, die noch mit dem Auto innerhalb Darmstadts unterwegs sind. Dass dies ein guter und dringlicher Ansatz ist, beweist fast jeder Wochentag auf dem überfüllten City- oder Rhön-Ring.

Nochmal zurück zu den Ampelschaltungen, die oft als „Rote Welle“ deklariert werden: Diese wie auch andere Aspekte der Verkehrssituation in Darmstadt werden oft kritisiert, obwohl die Situation leider in vielen Fällen nur sehr oberflächlich betrachtet wird. Es ist einfach zu fordern, dass eine bestimmte Ampel zur gleichen Zeit grün zeigen soll wie die Ampel danach oder davor – bloß wird hier nicht beachtet, dass dies dann wieder Auswirkungen auf kreuzende oder parallel verlaufende Straßen hat, bei denen eventuell dann noch längere Standzeiten anfallen. Das Darmstädter Verkehrsnetz ist eben nicht einheitlich geplant, sondern im Laufe der Jahrzehnte zu dem zusammengewachsen, was es nun ist: nutzbar, aber nicht optimal – und auch nicht mehr perfekt optimierbar. Es ist also lobenswert, dass die Stadt den Fahrradverkehr fördern will, denn dieser entlastet im Idealfall auch den Autoverkehr, der Darmstadt zeitweise lähmt.

15 Prozent zu Fuß oder per Rad

Norbert Stoll vom Straßenverkehr- und Tiefbauamt hat die derzeitige Situation analysiert: „Momentan sind die Bürger der Stadt zu 25 Prozent mit dem ÖPNV unterwegs und jeweils zu 15 Prozent zu Fuß oder per Rad. Unser Ziel ist es, die letzte Zahl zu verdoppeln auf 30 Prozent.“ Brigitte Lindscheid ergänzt: „Wenn alle Maßnahmen umgesetzt und die Lücken geschlossen wurden, gibt es ein supergutes Angebot.“ Wir sind gespannt und bleiben an dem Thema dran!

 

Radrouten und Stadtradeln

Für Schüler hat die Stadt Darmstadt einen speziellen Radroutenplaner entwickelt, der ab November auch online nutzbar sein soll. Infos dazu unter www.radroutenplaner.hessen.de/schule.

Im Herbst 2013 nahm Darmstadt zum zweiten Mal am „Stadtradeln“ teil, einer Kampagne des europaweit aktiven Klima-Bündnis e.V.. Beim Stadtradeln geht es darum, zum Zwecke des Klimaschutzes in Teams verstärkt das Rad im Stadtverkehr zu nutzen und so auch CO2 zu vermeiden. In diesem Jahr radelten 680 Darmstädter insgesamt 124.769 Kilometer. Wer nächstes Jahr mitmachen will, meldet sich am besten per Mail an darmstadt@stadtradeln.de.

www.stadtradeln.de