Illustration: Anna-Lena Cychy

 

In den letzten Wochen habe ich viel mit Freunden über die jetzige Corona-Situation und diesen langen Winter gesprochen. Regelmäßige soziale Kontakte und ein wenig Frischluft sei wohl gut für uns, da sind wir uns einig. Schwieriger ist es aber offen zu sagen: „Ich fühle mich allein“ oder „mir geht es nicht gut“. So kann die momentane Zeit für Menschen mit einer bereits bestehenden psychischen Erkrankung (wie auch bei bisher gesunden Menschen) in besonderem Maße Stress und Unsicherheit verursachen. Ebenso können sich Betroffene schämen, die aktuelle Zeit nicht gut bewältigen zu können. Ein kurzes Statement dazu, weshalb es schwierig ist und wie jede*r vielleicht helfen kann.

Menschen mit einer psychischen Erkrankung leiden meist unter einer „zweiten Erkrankung“: der Stigmatisierung. Die Ausgrenzung und Diskriminierung psychisch Kranker erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen: im Rahmen zwischenmenschlicher Beziehungen, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, durch die Politik, private Versicherungsanbieter oder allein durch eine diskriminierende Darstellung seelisch Kranker in den Medien. Die Ausgrenzung findet dabei nicht immer in offener Ablehnung und Benachteiligung statt, sondern auch verdeckt und schleichend. Betroffen davon sind nicht nur die Kranken selbst, sondern häufig auch ihre Angehörigen. Sie erfahren ebenfalls Ablehnung oder müssen die Ausgrenzung der ihnen nahestehenden Menschen miterleben.

 

Aus Ausgrenzung folgt Selbststigmatisierung

Hinzu kommt, dass betroffene Menschen teilweise als weniger kompetent angesehen und behandelt werden. All diese Komponenten können dazu führen, dass Betroffene Stigmatisierung gegen sich selbst richten, hierbei spricht man von einer Selbststigmatisierung. Dieses Konstrukt beschreibt, dass betroffene Menschen Vorurteile gegenüber der eigenen psychischen Erkrankung teilen. Selbststigmatisierung ist für Betroffene oft eine weitere große Belastung und kann ein verringertes Selbstwertgefühl nach sich ziehen.

 

Das kann jede*r Einzelne tun, um Stigmatisierung zu verringern (Empfehlungen des Aktionsbündnisses für Seelische Gesundheit):

Politiker*innen können mit ihrem Handeln nicht nur gesetzliche Verbesserungen auf den Weg bringen, sie können darüber hinaus Vorbildcharakter haben.

Journalist*innen sind in der Lage, durch eine differenzierte und ausgewogene Berichterstattung zu mehr Verständnis, Offenheit und vor allem Sachlichkeit gegenüber Betroffenen beizutragen.

Arbeitskolleg*innen verbringen viel Zeit miteinander; sie erkennen frühzeitig, wenn sich der andere schwer tut oder verändert. Sie können darauf eingehen und Hilfe anbieten.

Arbeitgeber*innen können eine Arbeitsatmosphäre fördern, die zu weniger seelischen Belastungen und Stress für die Mitarbeiter*innen führt.

Lehrer*innen unterrichten Jugendliche nicht nur in Mathematik und Englisch, sie haben auch großen Einfluss darauf, wie Schüler mit vermeintlich „Schwachen“ umgehen. Sie sehen Veränderungen bei den Jugendlichen und können Hilfe anbieten.

Allgemeinmediziner*innen können in ihren Praxen Informationsmaterial auslegen und ihre Patient*innen im Verdachtsfall auf die Möglichkeit einer psychischen Erkrankung ansprechen.

Schüler*innen, Studierende und Auszubildende können im Umgang miteinander vorsichtig sein und eine Person, die an einer psychischen Störung erkrankt ist, unterstützen.

Eltern können Sorge dafür tragen, dass ihre Kinder, sollten sie an einer psychischen Störung leiden, ärztlich oder psychologisch betreut werden und sich gut über die Krankheit des Kindes informieren.

Kinder psychisch erkrankter Eltern können sich gut über die Situation ihrer Eltern informieren und versuchen, einen gesunden Abstand dazu zu gewinnen, aus dem heraus sie die Eltern unterstützen können.

Alle Menschen können darauf achten, welche Medien sie konsumieren und welches Bild von psychisch Erkrankten dort gezeichnet wird. Im Falle von stigmatisierender Berichterstattung kann man den entsprechenden Sender oder die entsprechende Zeitung meiden. Außerdem ist generell ein respektvoller und aufmerksamer Umgang mit psychisch erkrankten Menschen wünschenswert, wozu auch gehört, selbst eine Beratungsstelle aufzusuchen oder einer nahestehenden Person zu helfen, psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Telefonische Krisenhilfe

Telefon-Seelsorge Darmstadt

(0800) 111 0 111 und (0800) 111 0 222

Erreichbarkeit: 24 Stunden täglich, auch an Sonn- und Feiertagen

Psychiatrischer Notdienst Darmstadt

(06151) 1594900

Erreichbarkeit: Fr bis So und an Feiertagen von 18 bis 23 Uhr

Krisentelefon Projekt „Anna“ (für Kinder und Jugendliche sowie ihre Angehörigen, Freund*nnen, Familienmitglieder und Lehrer*innen)

(0800) 6688100

Erreichbarkeit: Mo bis Fr von 13 bis 15 Uhr, außerhalb dieser Zeiten: Weiterleitung an die Telefonseelsorge Darmstadt (siehe oben)

 

Beratende (Erst-)Anlaufstellen

Sozialpsychiatrischer Verein Darmstadt

Dreibrunnenstraße 11

(06151) 2794100

sozialpsychiatrischer-verein.de

Gemeindepsychiatrisches Zentrum der Caritas

Wilhelminenplatz 7

(06151) 60960

caritas-darmstadt.de/darmstadt/gemeindepsychiatrisches-zentrum

Sozialpsychiatrischer Dienst des Gesundheitsamtes

Niersteiner Straße 3

(06151) 330929

gesundheitsamt-dadi.de/psyche/sozialpsychiatrischer-dienst

Psychotherapeutische Beratungsstelle für Studierende der TU und der Hochschule Darmstadt

Steubenplatz 12 (1. OG)

(06151) 1629862

studentenwerkdarmstadt.de/index.php/de/beratung/psychotherapeutische-beratungsstelle

 

Im Notfall

Notfallamublanz des evangelischen Krankenhauses Agaplesion Elisabethenstift

Landgraf-Georg-Straße 100 (in der zentralen Notaufnahme)

(06151) 4030

rund um die Uhr besetzt

Alle Adressen und Institutionen in der Stadt Darmstadt oder dem Landkreis Darmstadt-Dieburg, die Hilfsangebote für seelisch Erkrankte anbieten, findet Ihr (ebenfalls als PDF) in dem vom Gesundheitsamt Darmstadt herausgegebenen Sozialpsychiatrischen Wegweiser.

 

Psychologie-Kolumne im P

Unsere Autorin Lea Sahm studiert Psychologie in Darmstadt, war als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin tätig und hat dabei unter anderem in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Im P schreibt sie über Gefühle, mentale Gesundheit sowie den Zusammenhang von Leib und Seele.