Foto: Cora Trinkaus

Unweit von Darmstadt, eine eher ländliche Gegend mit vielen Feldern, ab und an ein Bauernhof. Wir sind in Allmendfeld. Etwa 600 Einwohner zählt der Stadtteil von Gernsheim. Hier lebt seit diesem März die Darmstädter Schauspielerin und Regisseurin Anouschka Sarafzade in ihrem selbst gebauten Tiny House.

Zuvor lebte Anouschka in einer Zweier-WG in Darmstadt. „Mir war klar: Irgendwann werden wir auseinanderziehen und ich kann mit meinem Einkommen die Wohnung nicht halten.“ So kam der Gedanke mit dem Tiny House. Doch bevor die Idee in die Tat umgesetzt wurde, beschäftigte sich Anouschka intensiv mit dem Thema, schaute Videos im Netz dazu und besuchte Tiny-House-Workshops. So stieß sie auf Leopold Tomaschek, „den deutschen Tiny-House-Pionier“, der bereits mit 16 Jahren sein erstes mobiles Minihaus baute. „Ich wollte unbedingt mit ihm bauen, weil ich ihn so inspirierend fand“, erzählt sie. Zweimal habe er abgelehnt, beim dritten Mal kam die Zusage. Doch zuvor wollte der Schüler noch sein Abitur machen und Anouschka musste gut ein Jahr warten, bis Planung und dann Bau beginnen konnten. Rückblickend war es gut zu warten, erinnert sie sich, denn in diesem Jahr veränderte sich das Konzept vom Tiny House zur Tiny Stage. Ihr wurde klar, dass sie dem Künstlerischen den Vorgang geben wollte und lieber in ihrem Atelier, ihrer Bühne wohnen wollte als umgekehrt. „Dann habe ich Entscheidungen getroffen, die immer für das Künstlerische waren und nicht für das Wohnen.“ So geht die Terrassentür nun nach innen auf, was für das Wohnen eher unpraktisch ist, für Aufführungen aber schöner ist, wenn man die Türen von außen nicht sieht. Auch gibt es im Tiny House weder eine Toilette noch eine Dusche. „Ich will, dass das Tiny House alles sein kann: Es soll mal Bühne sein, mal Atelier, mal Gästehaus und ich will darin wohnen können. Vielleicht wird es mein Alterswohnsitz. Ich bin da offen.“

Foto: Cora Trinkaus
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Ankunft in Allmendfeld

Im September 2018 begann zusammen mit Leopold in Frankfurt der Bau des Tiny House. Nach zwei Monaten Bau rollte das fertige Haus dann erst einmal nach Ober-Ramstadt, bis im März dieses Jahres der Umzug nach Allmendfeld folgte. Nun steht Anouschkas Tiny House auf circa 1,5 Hektar Land und ist umgeben von viel Natur. Auf dem spitz zulaufenden Grundstück stehen bereits ein Wohnhaus, Stall, Schuppen sowie unzählige Obstbäume und Wiesen. Anouschka hat viele Ideen, wie sie das Grundstück nutzen möchte. Momentan ist der Verein Allmendina e. V. in Gründung, der sich mit Themen wie Kunst und Ökologie und Gemeinsinn beschäftigen wird: „Es soll im Grunde ein großes Experimentierfeld sein. Hier ist genug Raum zum Experimentieren, zum kreativen Arbeiten. Wenn jemand zum Beispiel schon immer ein Buch schreiben wollte oder einen Bus ausbauen, dann ist hier der Ort.“ So möchte sie Menschen, die schon immer diesen einen Traum hatten, hier die Möglichkeit geben, diesen in die Tat umzusetzen. „Es sollen Workshops unterschiedlicher Art stattfinden. Es soll alles sein können – und natürlich auch ein Ort zum Feiern“, sagt sie lachend. Im Wohnzimmer des alten Wohnhauses sollen Kinoabende und Wohnzimmerkonzerte stattfinden. „Ich gebe mir ein Jahr, das auszuprobieren, ob es finanziell auf stabilen Füßen stehen kann. Aber ich bin optimistisch, dass das klappen wird.“

Foto: Cora Trinkaus
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Schauspiel und der Weg nach Darmstadt

Lange pendelte die Schauspielerin mit iranischen Wurzeln von Hamburg nach Rom, bis ein Angebot als Regieassistentin sie nach Darmstadt zog. Nach Hamburg erschien ihr Darmstadt erst zu provinziell und sie fand keinen richtigen Zugang zu der Stadt, erinnert sie sich. Doch der Besuch bei einem Koch-Event in der „Klause“ sollte alles ändern. Hier lernte sie ihren Lebensgefährten kennen und engagiert sich nun auch für der Initiative „Essbares Darmstadt e. V.“. Durch die Arbeit in der Initiative verbinde sie sich noch mal ganz neu mit der Stadt, so Anouschka. Fast zwölf Jahre arbeitete sie hier als Schauspielerin im Theater Neue Bühne in Arheilgen und spielte unter anderem die Hauptrolle Momo. Neben dem Theater sammelte sie auch cineastische Erfahrungen in verschiedenen Spiel-, Kurz- und Kinofilmen. In ihrem aktuellen Stück „Inneres Ensemble“ kombiniert sie Film und Theater miteinander. Es ist ein sehr persönliches Stück geworden, denn sie untersucht darin die vielen Facetten ihres eigenen Ichs: „Alles, was im Stück ist, bin ich. Ich wollte nichts erfinden.“ Anouschka hat vor, das Stück jedes Jahr zu spielen, „bis ich 90 bin“. Es werde sich mit der Zeit auch verändern, wenn sie neue Aspekte ihrer Persönlichkeit entdecke und diese in das Stück mit einfließen lässt, erzählt sie. Doch vorerst pausiert sie mit dem Stück und beschäftigt sich mit ihrem neuen Projekt, dem „Äußerem Ensemble“. „Vielleicht wird jetzt im „Äußeren Ensemble“ das Grundstück der Protagonist sein. Es wird sich alles entwickeln“, sagt Anouschka sprudelnd vor neuen Ideen.

Foto: Cora Trinkaus
Foto: Cora Trinkaus

Tiny House und Tiny Stage

In Zukunft möchte sie ihr Tiny House auch für Performances, Lesungen, Interviews oder Vorträge nutzen. „Ich will, dass die Dinge eine Leichtigkeit haben, wandelbar sind und alles sein können, nicht festgelegt sind“, erklärt sie. Schon früher habe sie alles auf Rollen gesetzt, damit es beweglich ist, erinnert sie sich lachend und fügt hinzu: „Ich finde es fürchterlich, in einer Wohnung zu leben, wo alle Sachen so stehen bleiben, wie sie sind und sich nichts mehr verändert.“

So ist auch die Küchenzeile in ihrem Tiny House auf Rollen gebaut und kann so schnell in verschiedene Konstellationen gerückt werden. Das Bett lässt sich elektrisch bis zur Decke befördern, so gelangt Anouschka auch durch das Dachfenster auf ihre Dachterrasse.

In der Mitte des Tiny Houses kann eine Schaukel oder ein Hängesessel in verschiedenen Richtungen aufgehängt werden. An einer Wand des lichtdurchfluteten Innenraums hängt, eingerahmt von zwei Bilderrahmen, Anouschkas Ohrringe-Sammlung. Draußen befindet sich ein externes Spülbecken. Es stand auch schon auf einem Sockel direkt unter dem Fenster, so konnte sie von innen durchs Fenster abspülen.

Anouschka hat noch viele kreative Ideen, wie ihr zukünftiges Wohnen aussehen könnte. Ein weiterer Traum von ihr ist, ein bewohnbares Baumhaus zu bauen. Den passenden Ort dazu hat sie auf dem Grundstück bereits gefunden: zwischen zwei Kastanienbäumen, einem ihrer Lieblingsorte auf dem Gelände, an dem sie gerne im Liegestuhl entspannt und die Natur genießt.

 

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