Esoterik und ich – wir haben es miteinander versucht und sind grandios gescheitert. Ich gestehe unumwunden: Mir fehlt die nötige Bewusstseinsreife. Was auch immer ich mir reinpfeife, Sensorik und Intellekt scheitern spätestens an der Hirnschwelle – ich bin wohl 1fach zu dumm dafür. Einen letzten Versuch wagte ich Anfang Oktober, als ein in Darmstadt ansässiger und bundesweit agierender Verlag zu einer dreitägigen „Messe für Spiritualität und Bewusstsein“ in die Böllenfalltorhalle lud. Und fast hätten sie mich … aber nur fast.
„Mehr als 50 Aussteller und 120 kostenlose Vorträge sowie Mediationen und Konzerte“, versprach die Pressemappe. Die Vorträge umfassten Sternstunden der Esoterik wie „Lichtfeldheilung“, „Meditation mit Bibelölen für die Zirbeldrüse“, „Jenseitskontakte“ und „Himmlische Berührung mit Einhörnern“. Am ersten Tag fühlte ich mich mental noch nicht stark genug für die Messe, am zweiten auch nicht, am dritten … aber hilft ja nix: drei Bier stürzen, Nase schnäuzen und durch.
Bereits am Empfang: weiche Farben, warme Gerüche und sanftmütige Klänge. Die Suggestionsspirale begann ihren Dienst. Meine Frage, ob es auch „Tantra-Sex“-Workshops gebe, wurde von der Dame am Einlass müde belächelt. Miserabler Einstieg. Ich musste auf der Hut sein, mir drohte die Enttarnung als Troll. Langsam und zunehmend benebelt wälzte ich mich von Stand zu Stand, die das übliche absurde Eso-Spektrum darboten: „Aura-Fotografie“, „Chakren-Analyse“, „Energie-Pyramiden und Heilsteine“, „Reise nach Atlantis“, blablabla. Sehr viele Messe-Aussteller mit Heilkräften versprachen durch Handauflegen ewiges Leben ohne Krankheit – die meisten litten selbst an Schnupfen, Akne oder Augen-Zucken. Meine Zweifel wurden genährt, aber mein Bewusstsein ging langsam flöten. Ein Mann mit Augen wie Rasputin fixierte meinen Blick und bot mir an, mich in eine andere Dimension zu channeln. Ich war bereit. Nur heftiger Harndrang verhinderte meinen Abflug.
Dank meditativer Musik begann mein Hirn nach einer Stunde leicht zu wabern (oder das letzte Bier war schlecht). Sakrales Finger-Food, schamanisches Pilz-Ragout und illuminierte Linsensuppe besserten meinen Zustand kaum. Durch die Gänge schwebend landete ich letztlich bei den legendären Einhornessenzen, einem Stand mit ungefähr 40 Sprühflaschen, die nach billigstem Discounter-Parfüm, Schwimmbad-Chlor oder Einhorn-Pups rochen. Es ließ sich nicht verhindern, ich musste so ein Dings kaufen. Der sagenhaft reduzierte Messepreis von 25 Euro (statt 30!!) pro 100-Milliliter-Flasche war zu überzeugend. Ich entschied mich für eine Essenz vom Einhorn-Fohlen, die am wenigsten aufdringlich stank – und verließ verwirrt, aber angeheitert die Messe.
Zuhause angekommen hielt ich mich direkt an die Anwendung: „3 bis 4 x direkt in die Aura sprühen“. Nicht wissend, wo sich meine Aura genau befindet, nebelte ich mich von oben bis unten ein. Mein Hirn waberte noch mehr, meine Katzen nahmen kreischend Reißaus, meine Nachbarn riefen die Feuerwehr. Die nächsten Tage sind mir nur noch schemenhaft in Erinnerung, Elfen und Orks kreuzten meinen Weg, Hunter S. Thompson wollte mich erschießen und Barton Fink rettete mich aus einem brennenden Hotel. Die Eso-Messe hatte mein Hirn geknackt. Oder das letzte Bier war wirklich brutal schlecht.