Normalerweise müssen im Fanshop der „Lilien“ T-Shirts erhältlich sein, die von dieser historischen Leistung künden. Denn wann hat es das in Darmstadt zuletzt gegeben, dass ein neuer Trainer in seinem ersten Spiel gleichmal den Deutschen Meister schlägt? Jaja, sauber, Jürgen Seeberger, Eintracht Braunschweig 1:0 vom Platz gefegt. Das entsprechende T-Shirt muss folglich heißen: „Deutschermeistervonneunzehnhundertsiebenundsechzigbesieger“.
Wie? Eine Mannschaft von 1967 als Referenz zu bemühen, sei nicht statthaft? Blödsinn. Meister ist Meister. Sowas hält ewig. Beim nicht mehr unter uns, sondern sich in Duisburg befindenden Kosta Runjaic wurde ja binnen einer Woche auch das neue Synonym „der in Wien Geborene, mit serbischen Wurzeln“ zu Tode bemüht und abgeschrieben. Das klingt würdevoll international und der Hinweis auf Wien so voll ernsthappelmäßig.
Dass Kosta Runjaic weniger Wiener, sondern in erster Linie Rüsselsheimer ist, dort auf dem Immanuel-Kant-Gymnasium Schüler von Lehrer Herbert Dörenberg war (jaja, Dörenberg, sechs Jahre lang „Lilien“-Spieler) und bei Eintracht Rüsselsheim Fußball gespielt hat, ist näher dran an der Wahrheit. Auch wenn weniger weltläufig. Wien und Rüsselsheim – da gibt es wenig Gemeinsamkeiten.
Nun ist Coach Kosta weg, und er hat gleichmal bei seinem neuen Anhang antichambriert und kumpelhaft um die richtige Anrede gebeten: „Für Euch bin ich Coach Kosta.“ Kosta ist halt für alle da, je nachdem. Spannend wird nur noch, welche Gürtelschnalle er für seine Duisburger Zeit findet. Ein metallenes Zebra muss her, die Lilie geht ja nicht mehr (allenfalls zu privaten Dispositionen). Auf seinem ersten Foto als neuer MSV-Coach trug er eine Schnalle, die aussah, als gehörte sie zum Sortiment eines Shops für Western-Fans.
Und Seeberger? Optisch im Türsteher-Look daherkommend, halsaufwärts: Glatze, Kinnbart. Letzeres trägt man gut zehn Jahre nicht mehr, aber da sollten wir großzügig sein, der Mann war eine Weile ohne feste Anstellung, da verliert man schnell den Anschluss an den Zeitgeist. Eh wurscht, mit ihm kam der Erfolg zurück. Wer einen Deutschen Meister schlägt, kann nicht nur jeden schlagen, der kann einfach alles. Nicht weniger ist nämlich gefragt, bei den Leserbriefschreibern bei Echo-Online. „Ich hoffe, der Herr Seeberger kann Berge versetzen, oder zumindest dicke Bretter bohren“, hieß es da.
Im Prinzip hat Seeberger schon mal Erdreich verschoben, denn an seinem ersten Arbeitstag wurde gleich neuer Rollrasen auf dem Trainingsgelände verlegt. Darüber hinaus legte der neue Sportchef noch ein Bekenntnis ab über seine handwerklichen Fähigkeiten: Er sei sich nicht zu schade, auch Bälle aufzupumpen und sich die Hände schmutzig zu machen. Und der Schweizer „Tagesspiegel“ lobte den ehemaligen Trainer des FC Schaffhausen geradezu hymnisch: „Schaffhausen hat in den vergangenen drei Jahren in der Super League manchen Farbtupfer gesetzt, als Nobody oft das Maximum aus seinen Möglichkeiten herausgeholt. Schaffhausen, das war Trainer Jürgen Seeberger, der das Team aus der 1. Liga in die Eliteklasse geführt hatte.“ Folglich kann es nur ein T-Shirt für ihn geben: Indieeliteklasseführer.