War doch nett, das Derby gegen Offenbach. Die halbe Stadt wandert hinauf zum Bölle, die Lilien gewinnen 1:0 – und Hanno Behrens zertritt nach seinem Tor eine Werbebande. That’s entertainment! Und weil erwartungsgemäß eine Woche später sang- und klanglos 0:2 in Karlsruhe verloren wurde, bleibt nur eine Erkenntnis: Darmstadt ist keine Fußballstadt. Hier reichen ein paar schnuckelige Höhepunkte im Jahr, wie die Kicks gegen Offenbach, oder Aufstiegsfinals – oder, bestenfalls, der DFB-Pokal.
Doch ein handelsüblicher Ligaalltag? Gähn. Alle 14 Tage zum Böllenfalltor, volle Pulle spielen oder olé brüllen gegen Stuttgart II oder Babelsberg? Och nööö. Lieber Folkloreveranstaltungen wie Derbys. Bei denen alle zeigen können, was sie können. Mit Choreos und sonstigem Stimmungskanonengedonner. Und auch unser Polizeichef Denninger läuft zu Hochform auf.
„Fußballfeste“ hat Alt-Lilien-Präsident Hans Kessler solche Gemeinschaftserlebnisse schwärmerisch genannt – doch wie es so ist bei schönen Festen: Am nächsten Tag hat man einen Kater. Aber die Lilien müssen trotzdem tun, als seien sie dem professionellen Drittliga-Alltag gewachsen. Doch wer schon mit dickem Kopp im Büro saß, weiß, dass das nichts werden kann. Schon bitter, wenn bei Kunzens Peters Halbzeittorwandschießen um die Goldene Bohrmaschine trotz atemberaubend tollpatschiger Kandidaten mehr Tore fallen als bei der Mannschaft in den 45 Minuten zuvor und danach. Und dann sagt der Stadionsprecher auch noch falsche Namen an bei Spielereinwechslungen. Mittlerweile ist man ja schon froh, wenn er weiß, dass es sich um den SV Darmstadt 98 handelt. Also, bei der einen Mannschaft.
Kurzum: Die Lilien müssen zurück in die Regionalliga – und es läuft ja auch superb in dieser Hinsicht. Dort winken gleich mehrere Derbys: gegen Waldhof, Hessen Kassel und Worms (bisschen Derby). Eine Verdreifachung der Fußballfestivitäten. Da hat die Stadt was zum Aufregen und Denninger ordentlich zu tun. Dazwischen können sich alle erzählen, wie schön es wieder war. Und zugucken, wie Peter Kunz auf die faltbare Torwand ballern lässt, währenddessen die Sportskameraden aus Großaspach, Idar-Oberstein oder Pfullendorf mit Pausentee anstoßen.
Darmstadt ist mehr so die Fußball-Festspielstadt. Alle sechs Wochen eine große Show, juhu, der Oberbürgermeister kommt, der Sparkassendirektor auch – und Alberto Colucci singt. Irgendein Trainer sagt Sätze wie: „Hier riecht’s noch nach Fußball“ – oder will halt Aufbruchstimmung erzeugen. Reicht doch. Ein neues Stadion kann doch hier eh keiner finanzieren, die Millionen-Sponsoren gibt’s ja auch nicht. Dann lieber in der Bruchbude am Böllenfalltor kicken, das ist so wie die Techno-Raves in den Neunzigern, in alten U-Bahnschächten oder Tiefgaragen.
Warum sich verbiegen? Ehrlich mit dem Machbaren umgehen. Wem das nicht reicht, der guckt sich halt bei Youtube den ZDF-Sportspiegel „Unser schönes Bundesligajahr“ an, wie es so war, als die Feierabendprofis erstklassig waren, die Bayern hier aufspielten, und schon damals Präsident Schäfer Schorsch klagte, dass die Darmstädter Zuschauer lieber kommen, die Gegner anzusehen, als die „Lilien“. Zum richtigen Profifußball fahren wir heute nach Mainz oder Frankfurt – dorthin, wo auch die besten Talente aus der Lilien-Jugendabteilung unterkommen.
Rave on.