Sechs Darmstädter waren, sind und gehen auf Reisen, um mit Leidenschaft und Liebe an verschiedenen Orten der Welt zu helfen. In sechs Ausgaben des P- Magazins werden die persönlichen Erfahrungen aus sechs verschiedenen Ländern von sechs unterschiedlichen Menschen aus Darmstadt und Umgebung vorgestellt. Helfen ist nicht selbstverständlich und muss deshalb an dieser Stelle unbedingt im P erwähnt werden!
Christine (20 Jahre) startete Anfang März 2012 von Darmstadt aus zu ihrem sechsmonatigen Freiwilligendienst nach Ghana. Die Ghanaer sagen gerne: „Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit.“ Doch die Zeit lief schnell, Christine wollte helfen und dabei keine Zeit verlieren: „Ich wollte eine fremde Kultur kennen lernen und aktiv helfen, am liebsten in Afrika, weit weg von meinem bequemen Zuhause.“ Nach dem Abitur schloss sie sich daher der Organisation Nima e.V. in Münster bei Dieburg an. Hier absolvierte sie erst ein sechsmonatiges Praktikum, um Einblick in die ehrenamtliche Sozialarbeit zu bekommen, bevor sie aktiv als Helferin nach Ghana ging.
Hilfe zur Selbsthilfe
Nima e.V. ist ein gemeinnützig anerkannter Verein, der 2006 gegründet wurde und – unter dem Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe – vor allem hilfsbedürftigen Kindern und Jugendlichen in Ghana den Weg in eine bessere Zukunft ebnen möchte. Unabhängig von Geschlecht, Religion und Herkunft sollen sie durch eine adäquate schulische und berufliche Ausbildung zu selbstständigen Erwachsenen werden.
Durch Vorstandsmitglied Amin Zaaki, der selbst in Ghana geboren wurde, besteht ein sehr enger Kontakt zur ghanaischen Bevölkerung. Eine Kombination aus ghanaischen und deutschen Mitarbeitern macht die Umsetzung der Hilfsprojekte im westafrikanischen Staat erst möglich. Die Zusammenarbeit zwischen Ghana und Deutschland, die vorwiegend per Telefon, E-Mail oder über persönliche Besuche läuft, basiert auf Vertrauen und Respekt gegenüber der jeweils anderen Kultur.
Spielerisch Lernen
In Ghana lebte Christine in einem kleinen Dorf namens Tuba in der Nähe der Hauptstadt Accra, wo Armut für viele Menschen zum Alltag gehört. Morgens arbeitete Christine in der Créche, einer Kindertagesstätte für ungefähr 150 Kinder, nachmittags im Waisenhaus „One love Children’s Home“ für 23 Kinder. Sie lebte mit drei weiteren Freiwilligen in einem benachbarten Haus. Die Créche ging jeden Tag bis zwölf Uhr am Mittag. Christine war für die Programmgestaltung der Kindertagesstätte zuständig. Gemeinsam mit den anderen Helfern entschied sie sich, die sechs Klassen im Sommer zu teilen. Jeden Tag war eine andere Klasse an der Reihe: Für die Hälfte dieser Klasse ging es auf das nahe gelegene Feld zum Spielen und Sporttreiben, Singen und Tanzen. Die andere Hälfte blieb mit zwei Betreuern im Klassenraum und machte auf spielerische Weise Unterricht: Unter anderem lernten sie die Namen der Früchte und der Farben kennen, außerdem gab es Unterricht in Körperkunde und über ihre Heimat Ghana. Nur während der Regenzeit konnten die Kinder nicht draußen toben. „Da wären sie beim Spielen im Feld vor lauter Matsch versunken“, erklärt Christine.
Schlagen ist verboten
„Am Anfang war es für mich echt schwer, Respekt von den Kindern zu bekommen. Normalerweise sieht ghanaischer Unterricht so aus, dass die Kinder stur auswendig lernen müssen, die Lehrer einen „Cain“, also einen Stock in der Hand haben und die Kinder damit pausenlos bedrohen“, sagt Christine. Glücklicherweise war und ist in ihrer Kindertagesstätte Schlagen untersagt.
Je länger sich Christine in Ghana aufhielt, desto mehr vertrauten ihr die Kinder. „Wenn sie mich sahen, riefen sie schon von weitem meinen Namen und rannten mir entgegen.“ Ein Beweis für ihre ghanaischen Kollegen, dass ein „Droh-Stock“ für den Unterricht nicht nötig ist. Die Lehrer vor Ort lernten von den Freiwilligen, was es heißt, Kindern einen kreativen und abwechslungsreichen Unterricht zu bieten.
Dabei durfte auch die Verschönerung der Klassenräume nicht fehlen: „Normalerweise sind die Räume in der Créche sehr dunkel und die Wände kahl und fleckig. Wir haben dann angefangen, mit den Kindern das Klassenzimmer zu gestalten und Bilder aufzuhängen“, erinnert sich Christine. „Die Kinder waren begeistert und feierten die Veränderung wie ein Event. Die Lehrer dagegen blieben zunächst skeptisch, bis eine Lehrerin mich um Tesafilm und Papier bat und mit ihren Kindern das ABC auf Blätter schrieb und im Klassenzimmer aufhing.“
Klare Regeln im Waisenhaus
Christines zweite Station war das Waisenhaus „One love Children’s Home“, ebenfalls im Dörfchen Tuba. Dort haben die freiwilligen Helfer die Aufgabe, mit den Kindern Hausaufgaben zu machen, zu basteln und Fußball oder Volleyball zu spielen. Nachmittags um halb fünf hieß es für die Kinder: aufräumen und duschen. Anschließend kamen noch einmal alle zusammen, um gemeinsam den Tag Revue passieren zu lassen. „Dabei kam auch zur Sprache, wenn ein Kind am Tag Unsinn gemacht oder zum Beispiel seinen Aufräumdienst nicht erledigt hatte“, so Christine. Weitere Regel: Nach dem Abendessen wurde jeden Tag eine Stunde gelernt, bevor es zu Bett ging. Viele der Kinder sind muslimischen Glaubens und integrierten in ihren Tagesablauf fünfmal zu beten.
Bummeln auf Ghanas Straßen
In Tuba sind die freiwilligen sozialen Helfer die einzigen Weißen. Das sorgt bisweilen für nachhaltige Erlebnisse. Christine erzählt von ihrem zehnminütigen Fußmarsch zum Stand der Dame, die ihr immer ihre Lieblingsfrüchte verkaufte: „Der Weg war eigentlich nicht weit, konnte aber eine halbe Stunde dauern. Überall grüßen dich die Leute, du bekommst einen Heiratsantrag, Kinder rennen vor Freude auf dich zu.“ Momente, die Christine mit nach Darmstadt nimmt – und Belege für die „super Gastfreundschaft“, die allen Helfern entgegengebracht wurde.
Zurück in Deutschland war die Umstellung schwer: „Darmstadt und Tuba sind komplett verschieden. Ein Beispiel aus dem Alltag: In Tuba wird vieles direkt auf der Straße gehandelt. Kaufe ich dort eine Ananas, wird sie von der Obstfrau direkt geschält und von mir verspeist, während ich bereits von neugierig blickenden Kindern, gierigen Ziegen und Hühnern umringt werde. In Darmstadt gehe ich in die Obstabteilung, kaufe mir die Ananas und gehe nach Hause“, beschreibt Christine die Unterschiede. Und: „In Tuba kannst du nicht einfach die Armut ausblenden oder wie in Deutschland am Fernseher wegschalten. Sie ist hier gegenwärtig und man muss sich mit dem Thema auseinandersetzen.“
Heute lebt Christine in Köln, studiert Soziale Arbeit und versucht die in Ghana gemachten Erfahrungen für ihr Studium zu nutzen. „Ghana ist für mich etwas ganz Besonderes“, erklärt sie: „Ich vermisse die herzlichen Menschen, die Gerüche, das Essen, alles ist so anders – so wunderbar! Ich habe gerne dort gelebt und geholfen.“
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