Foto: Luan Papageorgiou

Beim Flanieren durch die Stadt kann es durchaus passieren, dass man plötzlich diesen zwei etwas dümmlich grinsenden Gestalten über den Weg läuft. Die aus rotem Sandstein gearbeiteten Steinwesen verharren regungslos am Rand eines kleinen Brunnenbeckens und fristen dort friedlich ihr Dasein.

Der Stier in all seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen gehört zu jenem erlauchten Kreis von Tieren, der es in fast allen Kulturen in die vordersten Ränge der Darstellungspraktiken und sogar bis tief in den Kosmos geschafft hat. Sternbilder wurden nach ihm benannt; nicht nur im Westen, auch im Osten. Nach chinesischem Mondkalender nehmen wir in diesem Februar Abschied vom Jahr des Ochsen – der ja auch ein Stier ist, lediglich kastriert. Und schon stolpert man in ein etwas merkwürdiges Feld, wenn man sich den Moment Zeit nimmt. Einerseits haben wir hier ein Tier, das offensichtlich auf der ganzen Welt für seine Form bewundert und verehrt wird. Andererseits hat die Menschheit eben jenem vierbeinigen Naturwunder so oft die Hoden zerquetscht, dass sich für das reproduktionsunfähige Resultat ein eigenes Wort etabliert hat.

Diese Art der gegenläufigen Haltungen und Handlungen scheint etwas extrem Menschliches zu sein. Wir sind Meister des Widerspruchs auf allen Ebenen: als Individuen, Pärchen, Familien, Gesellschaften und erst Recht als Gesamtpaket Menschheit. Wir können ohne Probleme aufrichtig und voller Ernst den Klimawandel anerkennen und trotzdem mit dem Auto zum Bäcker um die Ecke fahren. Um diesen Wahnsinn auszuhalten, braucht man Ambiguitätstoleranz. Mit Blick auf die vergangenen Jahre und mit vorsichtigem Blick in die Zukunft eine Fähigkeit, deren Erwerb sich als extrem hilfreich erweisen könnte. Kunst eignet sich dafür übrigens hervorragend als Lernmaterial.

 

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.