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Foto: Tobias Schrenk

Vor fünf Jahren startete das Golden Leaves, Darmstadts geheimniskrämerisches Liebhaberfestival, mit unkonventionellem Konzept (geheimer Veranstaltungsort, Spenden statt Tickets) in einem privaten Hinterhausgarten. 200 Gäste feierten ihre Liebe zu guter Musik. Mittlerweile lockt das spätsommerliche Open Air der Bedroomdisco-Macher mit seiner familiären und liebevollen Atmosphäre sowie einem geschmackssicheren Line-up aus Indie, Pop und Folk rund 1.000 Besucher, teils aus ganz Deutschland und sogar aus dem fernen Ausland. Zum ersten kleinen Jubiläum, das zwischenzeitlich komplett auf der Kippe stand, quatschten wir mit zwei der Macher des goldenen Festival-Sommer-Finales.

Fünf Jahre Golden Leaves Festival. Bedeutet das für Euch „business as usual“ oder habt Ihr auf das Jubiläum hingearbeitet?

Fred: „Business as usual“ gibt’s bei uns eigentlich nie, weil wir jedes Jahr die Location wechseln. Wir haben also jedes Mal die Herausforderung, auf einem neuen Gelände die Infrastruktur zu stellen und das ganze Festival schön und liebenswert zu machen.

Tobi: Es ist eher so ein persönliches Ding. Wir freuen uns einfach, dass es schon zum fünften Mal stattfindet.

Ihr könnt’s selbst gar nicht glauben, was?

[beide lachen] Ja, ein bisschen!

T: Wie jedes Jahr wollten wir für uns und für das Publikum einfach wieder ein schönes Line-up zaubern.

F: Tatsächlich haben wir zum Fünfjährigen versucht, Künstler aus der Wohnzimmerkonzert-Reihe zu holen, die schon mal gut angekommen sind, um dem Ganzen einen jubilatorischen Charakter zu verleihen.

Das Line-up scheint auch mit dem Festival gewachsen zu sein. Statt Fokus auf Singer-Songwriter-Musik gibt‘s ein geschmackssicheres Programm mit verschiedenen Pop- und Indie-Gitarren-Bands.

F: Klar, wir haben mit vier Bands pro Tag angefangen. Drei, vier Songwriter kannste dir mal anschauen, aber, das muss man ganz ehrlich sagen, acht oder neun Tränen-Herzschmerz-Musiker gibt sich niemand am Stück. Da haben wir auch den Anspruch an uns selbst – wir hören privat auch nicht nur solche Musik – ein abwechslungsreiches Programm zu bieten. Zum einen für uns, aber auch, um verschiedene Leute abzuholen.

Dieses Jahr wäre das Festival auf Grund einer fehlenden Location fast ins Wasser gefallen. Ist Euer Konzept mittlerweile an seine Grenzen gestoßen?

F: Ich würde nicht sagen, dass das unbedingt am Konzept liegt. Dadurch, dass wir gewachsen sind, ist es generell schwierig, in oder in der Nähe von Darmstadt einen Veranstaltungsort mit der passenden Größe zu finden. Jedes Festival, das mit 1.000, 1.500 oder gar 2.000 Besuchern plant, würde hier vor denselben Herausforderungen stehen. Dieses Jahr haben wir es gewuppt bekommen, weil wir erstmals auf dem Schirm der Stadt Darmstadt waren – und dort auch endlich Unterstützung erfahren haben. Das war für uns ein Novum. Sonst hätten wir es dieses Jahr nicht mehr hinbekommen.

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Foto: Tobias Schrenk

Was schade gewesen wäre, denn nach dem Ende des Open Airs am Steinbrücker Teich vor drei Jahren wäre Darmstadt dann wieder mal ohne subkulturelles Musik-Open-Air-Festival gewesen. Ist es schwierig, ein Festival wie Eures gerade in einer Stadt wie Darmstadt auf die Beine zu stellen?

T: Es ist auf jeden Fall schwierig. Aber gerade dadurch, dass wir dieses Jahr einen engen Kontakt mit der Stadt hatten, glaube ich, dass viele Türen noch geöffnet werden können. Wir haben auch wirklich gemerkt, dass die Stadt Darmstadt Interesse an uns hat und Begeisterung da ist. Das war für uns auch ein schöner Moment, zu merken, dass sich das Ganze weiterentwickeln und auf ein gutes Fundament gestellt werden kann.

 

Die Finanzierung des Festivals erfolgt mittlerweile maßgeblich durch erfolgreiches Crowdfunding, zusätzlich zu den freiwilligen Spenden am Abend. Dieses Jahr konnte man sich aber auch erstmals richtige Tickets im Vorverkauf in ausgewählten Darmstädter Läden besorgen.

F: Das Schöne dabei ist, dass auch mehr Menschen das Festival wahrnehmen, weil im Laden ein Poster von uns hängt, dort Karten verkauft werden und die Leute drüber reden. Das ist ja auch eine schöne Sache mit diesem Do-it-yourself-Ding, wo ich uns auf jeden Fall noch verorte: Mundpropaganda und persönliche Empfehlungen wirken maßgeblich. Ansonsten rühren wir ja jetzt nicht gerade die riesige Werbetrommel …

T: Das Crowdfunding lief die letzten Jahre wirklich gut. Die Anmeldephase, die Finanzierung über Spenden, ist in der Kalkulation im Vorfeld für uns immer sehr schwierig, denn wir müssen mit einem Richtwert arbeiten. Mit den Spenden ist es so: Ist an dem Wochenende schlechtes Wetter, kommen die Menschen nicht und die Spenden fallen weg. Dass es jetzt auch Tickets im Vorverkauf in Darmstädter Läden gibt, war einfach ein Pilotprojekt. Bisher waren wir immer dieses „Spenden-Festival“ und wir wollten schauen, wie das ankommt. Gehen die Leute wirklich raus und kaufen sich Karten für das Golden Leaves Festival?

Und wieso setzt Ihr dann überhaupt noch auf Spenden, wenn knapp zwei Drittel der Besucher sich den Einlass bereits im Vorfeld gesichert haben?

F: Uns ist wichtig, dass eine Wertschätzung der Kultur stattfindet und gleichzeitig die Barriere eines Eintritts genommen wird. Das ist dasselbe Prinzip, das wir bei den Wohnzimmerkonzerten verfolgen. Darauf gründet sich auch der Erfolg der Wohnzimmerkonzerte, woraus das Golden Leaves Festival entsprang. Deswegen wollen wir das auf gar keinen Fall komplett abstoßen.

Genau, die Wohnzimmerkonzerte der Bedroomdisco und das Golden Leaves Festival gingen immer Hand in Hand. Was bedeutet das jetzt bekanntgegebene, vorläufige Ende der Wohnzimmerkonzertreihe „Live at Bedroomdisco“ für das Festival?

F: Wir hören ja nicht ganz auf mit den Konzerten, es wird sie nur nicht mehr monatlich beziehungsweise regelmäßig geben.

T: Genau. Wir werden einfach alte Säcke.

F: Tobi kann die Boxen nicht mehr als einmal im Monat tragen!

T: Genau! Ich kann die Boxen nicht mehr tragen. In Hochzeiten gab‘s drei Konzerte im Monat. Mittlerweile sind wir alle berufstätig, jeder muss 40 Stunden arbeiten. Einige sind aus Darmstadt weggezogen. Hätten wir pflichtbewusst weiter monatlich Konzerte gemacht, hätten die Konzerte womöglich darunter eher gelitten.

F: Wir konzentrieren uns eher auf Highlights! Alle zwei, drei Monate, wenn es eine passende Gelegenheit gibt, soll es dann so schön werden, als würden wir es monatlich machen.

Und bezogen auf das Festival? Bedeutet das auch eine Priorisierung des Golden Leaves Festivals?

T: Es ist schon so, dass das Golden Leaves Festival aus den Wohnzimmerkonzerten rausgewachsen ist. Und wir haben auch selbst gemerkt, dass das persönliche Augenmerk auf dem Festival liegt. Da steckt unser Herzblut drin. Wir arbeiten das ganze Jahr akribisch auf das Wochenende zu und fiebern darauf hin. Darauf wollen wir uns stärker konzentrieren. Die Liebe war eher beim Festival. Das Golden Leaves hat sich mittlerweile auch so emanzipiert, dass ich nicht glaube, dass es sich negativ auswirkt, wenn die Konzerte wegfallen.

Eine Schwierigkeit könnte werden, das Jahr über Euer Publikum zu pflegen und bei der Stange zu halten.

T: Die Masse der Menschen, die wir über die letzten Jahre irgendwie erreicht haben, unsere Fan-Gemeinde sozusagen, die verschwindet ja nicht einfach. Das konzentriert sich auch längst nicht mehr nur auf Darmstadt. Die Briefumschläge mit den Tickets der Crowdfunding-Kampagne gingen nach ganz Deutschland raus: Hamburg, Berlin, München und alles dazwischen. Wir hatten auch schon Besucher aus den Niederlanden, Irland, England und sogar Südafrika.

In den vergangen fünf Jahren seid Ihr mit kleinen Schritten gesund gewachsen. Wie ist Eure Perspektive für das Golden Leaves Festival?

F: Das ist für uns voll schwer einzuschätzen. Wir tasten uns da ja so langsam ran. Wir haben mit 200 Leuten auf einem kleinen Privatgelände angefangen, sind organisch gewachsen und haben relativ wenig überstürzt.

T: Das Gute bei uns ist, dass wir kein festgestecktes Fünf-Jahres-Ziel haben, sondern alles ganz entspannt angehen. Wir haben keinen Druck. Wenn in den nächsten fünf Jahren immer noch 1.000 Leute pro Tag kommen, sind wir trotzdem happy. Wichtig ist, dass wir etwas Schönes machen können.

F: Wovon wir ja schwärmerisch reden, also was toll wäre, wenn wir am Ende so etwas hätten wie 2.000 Gäste und einen Stand wie vielleicht das Haldern Pop-Festival. Gerade auch die Zusammenarbeit und Akzeptanz seitens der Stadt und die Bewohner der Stadt betreffend. Dass es eben nicht heißt: „Oh, das ist jetzt wieder dieses Festival. Das nervt mich.“ Sondern: „Hey, das ist cool, dass es das gibt!“ Und dass es im Darmstädter Kulturkreis komplett ankommt. Das wäre etwas, das uns sehr wichtig wäre.

Wir drücken die Daumen. Danke schön fürs Gespräch.

 

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Foto: Tobias Schrenk

„Wir freuen uns über jede helfende Hand“

Ob in der Vorbereitung oder am Festivalwochende: Das Golden Leaves Festival ist ein Non-Profit-Liebhaber-Projekt und lebt von dem Engagement vieler Helfer. Wenn Ihr Lust habt mitzumachen, meldet Euch bei: kontakt@goldenleavesfestival.de.

 

Golden Leaves Festival 2016

Ihr wollt das spätsommerliche Open Air mit international gefeierten Künstlern nicht verpassen? Wer beim Fünfjährigen dabei sein will, muss sich – wie von den Wohnzimmerkonzerten gewohnt – im Vorfeld per E-Mail anmelden. Infos dazu unter: www.goldenleavesfestival.de [Anm. d. Red.: Kurz nach Redaktionsschluss war das Festival mit dem Start der Anmeldephase in nur 29 Minuten restlos ausverkauft!]

Line-up 2016: Roosevelt, Charlie Cunningham, Me And My Drummer, Matthew And The Atlas, The Paper Kites, Alex Vargas, Enno Bunger, Rhodes, Evening Hymns, Lanterns On The Lake, Pins, Keoma, Pelzig, Axel Flóvent, Kat Frankie

Win! Win! Das P verlost die letzten Tickets für das Golden Leaves Festival 2016.

Irgendwo in Darmstadt | Sa, 17.09. + So, 18.09. | Eintritt gegen Anmeldung und Spende