Illustration: André Liegl

Liebe Leser, liebe Darmstädter,

der Frühling naht. In den ersten Monaten des Jahres geht dies zwar noch unscheinbar vonstatten, aber es wird passieren. „Durch diese kalte Hose wird er kommen!“, wie es so schön in „Ritter der Kokosnuss“ heißt. Dort will der Schwarze Ritter partout nicht zur Seite treten. Es kommt zum Kampf. Der Winter indes wird zur Seite treten müssen. Das tut er immer. Wenngleich ebenfalls nicht ganz kampflos.

Dass der Frühling naht, merkt man zunächst an dem bescheidenen Umstand, dass die Menschen auf den Straßen, in den Zügen oder bei Veranstaltungen von einer leichten Euphorie getragen werden, sobald sich die Sonne tagsüber – wenn auch nur kurz –am sonst tristen Winterhimmel zeigt. Sofern es auch nur einen Tag nicht regnet, stürmt, schneit oder scheißekalt ist, scheint sich das innermenschliche Tor zum Vitamin-D-Lager umgehend zu öffnen und jene chemischen Prozesse im Körper anzukurbeln, die für alles Glück der Welt verantwortlich sind. Schmetterlinge im Bauch. Klingt eklig, ist aber schlussendlich und recht simpel nur eine blumige Umschreibung für das, was Menschen irgendwie gaga erscheinen lässt.

Und urplötzlich sind sie überall präsent: die Pärchen dieser Welt. Sie treten aus ihren Höhlen und Löchern hervor, aus denen sie sich sonst nur zum städtischen Weihnachtsmarkt wagen, um sich miteinander kuschelnd am Glüh- oder Apfelwein zu laben. Es wird geknutscht, gefummelt, liebkost, Händchen gehalten, es werden verliebte Blicke ausgetauscht und der Rest der Welt wegignoriert, weil es nur noch sie selbst gibt. Diese beiden Menschen, die einander und somit den Seelenverwandten im Körper eines Anderen gefunden haben.

Aber auch in Beziehungen, die über das Schmetterlingsgefühl hinausgehen, kehrt der Frühling ein. Kürzlich sah ich ein Paar. Es war sehr kalt. Er stand an der Straße, rieb sich die Hände und schaute einer Frau nach, die seinen Weg kreuzte. Hinter ihm stand seine Freundin und versuchte umständlich riesige Mengen Papier- und Kartonreste in die dafür vorgesehene Tonne zu wuchten. Dann gab sie ihm zu verstehen, er möge ihr zur Hand gehen, was er, aus seinem Tagtraum gerissen und noch immer der davonziehenden Unbekannten nachschauend, tat. Nachdem die Müllentsorgung abgeschlossen war, schien die Frau angefressen und beide überquerten wild gestikulierend die Straße. Da erst bemerkte ich, dass sie einen lautlosen Streit in Gebärdensprache austrugen und fragte mich, welche Schimpfwörter sie sich zeigten. Ihren Gesichtern nach müssen es allerhand gewesen sein. (Memo an mich selbst: Gebärdensprache erlernen.)

Im Song „Ich hasse Pärchen“ der Band Monsters of Liedermaching wird im Wesentlichen beschrieben, dass man mit befreundeten Pärchen nicht mehr saufen gehen kann und sich auch sonst sehr überflüssig vorkommt, so man als Single Zeit mit ihnen verbringt. Vor allem dann, wenn Kinder auf der Bildfläche erscheinen. Ich kenne die Freunde des Texters vermutlich nicht, aber in meinem Freundeskreis sind Kinder kein Grund für die Eltern, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Auch hasse ich Pärchen nicht. Nicht mal dann, wenn sie sonderbare Dinge tun.

So sitze ich im Park, meinen Lieblingsstoffbeutel mit Bier vollgestopft, und beobachte Pärchen, die sich streiten oder super verliebt sind und denke mir: Ist am Ende eh alles Chemie. Vielleicht mache ich, so es wärmer wird und die Sonne öfter lacht, eine „Bier trinken und Pärchen gute Tipps zurufen“-Veranstaltung. Möglicherweise trifft man sich ja dort. Paare sind willkommen, um ihre Erfolgstipps beizusteuern.

So denn, liebe Leser und Darmstädter, Küsschen,

Eure Moppel

 

Wer ist diese Moppel?

Moppel Wehnemann arbeitet in Frankfurt für das „Caricatura – Museum für Komische Kunst“, außerdem als Fotografin und Teilzeit-Bloggerin. Der Pop-Redakteur Linus Volkmann nennt sie „eine beliebte und prominente Akteurin aus der Titanic-Clique.“ Ihre Hobbys: Bier, American Football, Postkarten und Satire. Außerdem ist Moppel Initiatorin der erfolgreichen Open-Air-Reihe „Bier trinken und Joggern gute Tipps zurufen“. Seit Sommer 2017 bereichert Moppel unseren Kolumnisten-Pool mit ihren Beobachtungen des Alltagswahnsinns.

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