Foto: Georg Schuster

Seit 1997 trägt Darmstadt den Beinamen Wissenschaftsstadt im Titel und auf den Ortsschildern. Mit ihren Ideen, Projekten und Lösungen füllen Forschende an TU und Hochschule Darmstadt oder den Fraunhofer-Instituten dieses Label mit Leben. Das P zeigt Ausschnitte ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit: Projekte, die sich auf Gesellschaft, Umwelt und Alltag auswirken – und die Menschen dahinter.

Vor etwas mehr als 75 Jahren wurden die Chorfenster der Kirche Sankt Elisabeth bei einem Luftangriff zerstört. Jahrzehntelang musste die katholische Kirchengemeinde mit einem Provisorium aus einfachen Glasfenstern leben. Jetzt strahlt das Licht wieder durch 216 künstlerisch außergewöhnlich gestaltete Scheiben in den Chorraum.

Für eines der bundesweit aktuell größten Kirchenfenster-Projekte ging die Gemeinde einen außergewöhnlichen Weg: Im Rahmen eines studentischen Wettbewerbs bezog sie Prof. Kris Scholz und seine Studierenden aus dem Fachbereich Gestaltung der Hochschule Darmstadt (h_da) ein. Die Gemeinde entschied sich 2014 für den Gestaltungsentwurf von Markus Hau, der nun gemeinsam mit dem Darmstädter Glasgestalter Hans Grobbauer umgesetzt wurde.

Früh war dem Kirchenteam klar, einen eher außergewöhnlichen Weg gehen zu wollen und junge studentische Künstler in die Fenstergestaltung einzubinden. Bei einem Projektvolumen von immerhin 420.000 Euro keine Selbstverständlichkeit. „Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass unsere Gemeinde diesen Weg mitgegangen ist“, sagt Pfarrer Karl Heinrich Stein. „Die vier besten studentischen Entwürfe wurden dann in der Kirche ausgestellt und die Gemeinde konnte sich zu ihnen äußern. Der Entwurf von Markus Hau hatte sich hierbei als Favorit herausgestellt.“

Foto: Pfarrei St. Elisabeth

Zuvor hatten Professor Kris Scholz und seine Studierenden drei Semester an den Entwürfen gearbeitet und sich mit dem Großprojekt vertraut gemacht. „Wir hatten zum Beispiel gemeinsam die Kathedralen in Reims und Köln besucht, um ein Gefühl für die Dimensionen von Kirchenfenstern zu erhalten“, erläutert Markus Hau. Auch Glashütten wurden besucht, in denen das Glas für die Kirchenfenster mundgeblasen wird. Eine körperliche Höchstleistung.

Die studentische Gruppe beschäftigte sich zudem mit christlichen Farbsymboliken, der Geschichte der Kirche Sankt Elisabeth und dem Selbstverständnis der Gemeinde. Um die spätere atmosphärische Wirkung der Kirchenfenster beurteilen zu können, entstanden Computersimulationen, die nachvollziehbar machen, wie das Licht im Tagesverlauf in die Kirchenfenster fällt. Hierfür wurde die Kirche mit spezieller Technik vermessen.

Professor Kris Scholz lobt Markus Haus Entwurf dafür, dass er sich „durch eine große Eigenständigkeit auszeichnet, er ist gestalterisch und technisch modern und radikal. Er verzichtet auf figurale Anspielungen, ist nicht narrativ, sondern im weitesten Sinne abstrakt. Er ist nicht auf die Gestaltung einzelner Fenster angelegt, sondern entwickelt sich über den gesamten Chorraum.“

Foto: Georg Schuster

So experimentell und außergewöhnlich der Entwurf von Markus Hau, so technisch komplex erwies sich dessen Umsetzung. Die Kirchengemeinde beauftragte hierfür den Darmstädter Glasermeister Hans Grobbauer und als Lieferanten der Echtantikgläser zunächst die bayerische Glashütte Lamberts. Nach Produktionsschwierigkeiten ging der Auftrag schließlich an die französische Glashütte Saint-Just aus Saint-Just-Saint-Rambert in der Auvergne.

Eine besondere Herausforderung für die dortigen Glasbläser war die Größe der einzelnen Gläser. Normalerweise sind Scheiben für Kirchenfenster eher kleinteilig aufgebaut, einzelne Scheiben messen maximal 60 Zentimeter im Durchmesser. Der Entwurf von Markus Hau machte eine Größe von 80 Zentimetern nötig. Mit einer Dicke von nur drei bis zehn Millimetern kamen die mundgeblasenen Gläser dann nach und nach in Darmstadt an, behutsam verpackt in großen Holzkisten. Hans Grobbauers Aufgabe war es nun, die einfarbig gelieferten Gläser nach der Vorlage Markus Haus zu gestalten.

„Unzählige Menschen haben zum Erfolg dieses Projekts beigetragen“, bilanziert Pfarrer Karl Heinrich Stein. „Das zeigt sich auch daran, dass 200.000 Euro und damit die Hälfte der Gesamtkosten durch Benefizkonzerte und weitere Spendenanlässe gestemmt wurden. Das Chorfensterprojekt hat uns alle bewegt – und durch den Einbezug von Studierenden sicher bundesweit Vorbildcharakter.“

 

Gastbeitrag

Simon Colin ist Redakteur und Pressesprecher der Hochschule Darmstadt (h_da). Einen längeren Beitrag und weitere Bilder zum Thema findet Ihr in der aktuellen Hochschulzeitung „campus_d“ und auf www.h-da.de/impact.