Es gibt täglich – na ja, sagen wir wöchentlich – neue Phänomene, nicht naturwissenschaftlicher, sondern kultureller Art. Manche führen weiter, andere zurück, teils belustigen sie einen, teils tun sie uns ängstigen. Kinder-Arbeitshosen scheinen all diese Attribute zu vereinen.
Erst hörte ich nur davon, jetzt habe ich sie live gesehen: Kinder in Messebauer-Uniform! Wie pervers ist das denn? Wer zieht denn so was seinen Zöglingen an? Arme Leute nicht, so viel ist klar, denn die Dinger sind scheißteuer. Wobei ich mich da auch irren könnte, denn wie jeder weiß, stellen gerade die finanziell schwächsten Elternteile alles auf den Kopf und ihre eigenen Bedürfnisse hintan, um ihr Kind glücklich zu sehen.
Jedenfalls halten diese textilen Farcen momentan Einzug in die Kinderzimmer. Arbeitshosen! Ausgerechnet! Würden die Kinder in Arztkitteln zur Schule geschickt, so fände ich das nicht so schlimm, denn Ärzte retten Leben und leben auch teilweise in funktionierenden Beziehungen. Das sieht man doch so oft an den getünchten Häuserwänden, auf den dort angebrachten Schildern, versehen mit den Namen des Arztes, seiner Spezifikation und dem Doppelnamen seiner Frau drunter. Messebauer würden ihre Frauen nie mit auf den Schriftzug ihres Sprinters nehmen, da ihre Ehen ja alle scheitern. Nie zuhause, immer unter Zeitdruck, die Selbstständigkeit, die bösen Auftraggeber, die unfähigen Untergebenen, die laute Radio-Beschallung und die unsäglichen Klimabedingungen in den Messehallen. Ja, der Messebauer hat es nicht leicht!
Dass er all das nicht verarbeitet bekommt, ist sein Problem und das Ende seiner Beziehung. Aber deswegen seinem Kind Arbeitshosen schenken, über die sich der Filius natürlich freut, ist zwar nicht das Letzte, aber nicht weit davor. Unsere Kleidung wird ja nur in Drittweltländern von Minderjährigen unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellt. Und von einer Hundertschaft (ich glaube: schwäbischer) Frauen sowie einem Schimpansen. Ich fasse konsterniert zusammen: Kinderarbeitshosen, die in Kinderarbeit hergestellt wurden und von Vätern auf den Gabentisch ihrer Buben gelegt werden, die noch nicht mal mehr wissen, wie der mechanische Ablauf des Nagel-in-Holz-schlagen funktioniert! Dazu passend Zollstöcke, Akkuschrauber und Messepforten-Passierscheine, alles aus Plastik.
Schicken die Polizisten und Müllmänner ihre Kinder auch bald uniformiert in die Schule? Doktorspiele sind so alt wie die Kinder-Arztkoffer, Polizeizubehör ein Klassiker in jedem Spielzeug-Fachgeschäft, Warnwesten gibt es in jedem Auto. Doch bei diesen Berufsgruppen legen Gottseidank noch die Mütter morgens die Kleidung für die Sprösslige raus. Aber was soll die vereinsamte Messebauer-Exgattin denn auch tun, wenn der kleine René-Spax seinem Vater nacheifern will? Sich scheiden lassen und einen Lehrer heiraten! Kleidungstechnisch freier geht es nicht – und der Mann ist auch mal zuhause.