Artikel-Illustration: Pauline Wernig

Long time no Kolumne. Das liegt zum einen natürlich daran, dass Leben passiert, während man andere Dinge erledigen will. Zum anderen war ich sehr beschäftigt. Ich brauchte nämlich einige Fachärzt:innentermine in Darmstadt.

Und dass das ein Vollzeitjob ist, konnte auch niemand vorher ahnen. Wenn meine Freund:innen darüber berichteten, wie schwer das sei, hielt ich das blauäugig für anekdotische Übertreibungen. Die haben sich sicher nicht genug angestrengt, waren nicht freundlich genug oder haben einfach nicht bei den richtigen Praxen angerufen. SO SCHWER kann das doch nicht sein.

Ich schäme mich heute für meine Naivität, meine überhebliche Dummheit. Spätestens, seit ich einen Termin beim Hautarzt brauchte. Vorsorge ist wichtig, daher rief ich bei einigen Praxen an oder schrieb eine Mail. Entweder landete ich direkt bei einer Bandansage, dass man leider, leider gerade niemanden mehr aufnähme. Oder ich bekam einen unwirschen Zweizeiler ins Mail-Postfach mit ebendiesem Inhalt. Na toll. Dabei WILL ich doch eine vorbildliche Kassenpatientin sein, mein Bonusheft füllen und gelobt werden.

Bin ich schon verplant?

Stichwort Krankenkasse: Dann sollen die eben aktiv werden, schließlich werben sie damit, dass sie innerhalb kürzester Zeit Abhilfe mit einem einwandfreien Fachärzt:innentermin schaffen. Und so wähnte ich mich in Sicherheit, war bereit, sofort in Bus, Auto oder aufs Fahrrad zu springen, um meinen ganz sicher sehr bald anstehenden Termin wahrzunehmen. Ich schaute im Kalender der nächsten zwei Wochen und hoffte, nicht ausgerechnet dann einen Zeitslot angeboten zu bekommen, wenn ich bereits verplant bin.

Überraschenderweise passierte: nichts. Rein gar nichts. Ein paar Tage später schickte mir meine Krankenkasse eine Mail, dass sie noch bei der Terminsuche seien und sich bald wieder melden. Okay, fair enough, wieso sollte es für die ein Spaziergang sein. Aber ich war zuversichtlich, es kann ja nicht mehr lange dauern. Vorsorglich sagte ich die Hochzeit enger Freund:innen, zwei Geburtstage und einen Kurzurlaub ab, denn jetzt wird es passieren und dann will ich frei sein. Nach zwei Wochen dann kleinlaute Ernüchterung, sinngemäß so: „Leider konnten wir keinen Termin finden. Tschüssi, bis bald und nerv‘ nicht weiter! Wie war diese Erfahrung? Wir freuen uns über eine Bewertung unseres Services!“

Bestechung?

Spätestens jetzt dämmerte es mir: Um etwas zu bekommen, was man noch nie hatte, muss man etwas tun, was man noch nie gemacht hat. Aber was? Wäre Bestechung eine Option? Ich könnte direkt in die Praxen gehen und heimlich Scheine über den Tresen schieben, wenn ich nach einem Termin frage? Oder lieber der Verkauf nicht lebenswichtiger Organe? Braucht man wirklich zwei Nieren, das ist doch schon fast unanständiger Luxus? Sollte ich vielleicht meinen Job kündigen, um mehr Zeit für die Fachärzt:innensuche zu haben? Wäre es eine Option, noch schnell Medizin zu studieren und eine eigene Praxis zu eröffnen? Mein theoretisches Erstgeborenes anbieten, alternativ meinen mittelalten Kater? Wie lange würde es dauern, mich mit Ärzt:innen anzufreunden, bis ich nonchalant von ihrer Berufung profitiere? Oder merken die das direkt?

Es ist verzwickt: Nicht nur, dass es ab gewissen Altersgrenzen sinnvoll ist, neue Vorsorgeangebote wahrzunehmen, es kann auch akut notwendig sein. Eine Erkrankung wartet schließlich nicht, bis die richtige Spezialistin für das Problem drauf schaut oder der Experte endlich Zeit hat.

Über die Stadtgrenzen hinaus

Ich wusste nicht mehr weiter, war verzweifelt und bevor ich auch noch einen Therapeut:innen-Termin brauche (hier hysterisches Lachen einfügen), entschied ich mich zur drastischsten aller Maßnahmen: Über eine App bekam ich nur drei Monate später einen Termin IN FRANKFURT!!! Ich würde für meine Gesundheit also die Stadtgrenzen unseres geliebten Heinertowns verlassen, das erste Mal seit 2007. Alternativlos fügte ich mich meinem Schicksal, denn es war klar: Ich wollte mein Leben zurück, das durch die Suche auf der Strecke blieb.

Halleluja, es ist geschafft. Und jetzt? Suche ich mir eine neue Wohnung in Darmstadt – kann ja nicht so schwer sein.

Du bist fies? Ich bin Fiesa!

Ich bin Isa, 36, spiele Roller Derby und mag Tierbabys aller Art. Ich wohne seit 2007 in Darmstadt, wollte nur kurz zum Studium bleiben … das hat ja hervorragend geklappt. Darmstadt war Liebe auf den zweiten Blick und ist Zuhause geworden. Die Schrullen und Besonderheiten der Stadt bringen mich zum Lachen, daran wollte ich Euch teilhaben lassen. Da ich keine echte Heinerin bin, ist das natürlich nie ganz ernst zu nehmen und mit einem Augenzwinkern zu verstehen.