Foto: Jan Ehlers

Sport, der in Darmstadt betrieben wird und – Trommelwirbel – nicht Fußball ist? Vor lauter Lilienfieber ist’s ein bisschen in den Hintergrund geraten, aber: Jawohl, das gibt’s. Hier stellen wir sie vor, die Sportarten, die (noch) nicht von einem großen Publikum bejubelt werden. Zum Beispiel, weil sie bislang kaum jemand kennt. Oder weil sie eben einfach zu speziell sind, um die Massen zu begeistern. Oder vielleicht, weil man lieber unter sich bleibt? Wir gucken uns das für Euch aus der Nähe an. In dieser Ausgabe: Kanupolo.

Es ist früh, zu früh für meinen Geschmack an einem Samstagmorgen. Um 7.45 Uhr stehe ich vor dem Trainingsbad am Woog, um Kanupolo zu spielen. Vor dem Schwimmbad parkt ein VW-Bus mit Anhänger. Trainer Thomas und vier junge Spieler laden Kanus, Tore und sonstige Utensilien ab. Die ganzen Gerätschaften können nur teilweise im Bad gelagert werden, der Rest ist in einer Garage untergebracht und wird zu jedem Training angekarrt.

Kurze Zeit später betrete ich in Badeanzug und mit einem T-Shirt bekleidet das Schwimmbad und bin gespannt auf das Training. Bevor es aufs Wasser geht, muss ich erst einen passenden Helm finden. Dann ziehe ich eine Schwimmweste an und eine Spritzdecke aus Neopren über, die fest um die Hüfte sitzt. Endlich kann ich mich ins Kanu setzen. Aber erst mal am Rand des Schwimmbeckens, denn die Fußstützen im Kanu müssen richtig eingestellt werden. Ich klettere in mein wackeliges Bötchen. Die Spritzdecke wird von hinten um den Sitzbereich gezogen. Dabei brauche ich etwas Hilfe, denn der Stoff ist ganz schön starr, es soll ja auch nichts verrutschen. Anschließend geht es aufs Wasser!

Die halbe Eskimorolle

Damit ich im Falle eines Falles nicht in Panik verfalle, muss ich nun mein eigenes Kanu absichtlich kentern. Die Spritzdecke hat eine Schlaufe an der Vorderseite, an der ich fest ziehen muss, um sie zu lösen und dann unter dem Kanu hervorzutauchen. Ein bisschen Überwindung kostet es mich schon, mich ins Wasser zu stürzen. Aber bevor ich zu viel darüber nachdenken kann, schwimme ich auch schon wieder mit dem Kopf über dem Wasser im Becken. Alles gut, nur auf die gratis Nasendusche hätte ich verzichten können. Thomas erzählt mir, dass alle am Anfang diese „Übung“ einmal machen müssen, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Wenn man während des Spiels kentert, muss man selbst aus dem Kanu herauskommen können. Sollte einem dies gar nicht gelingen, klopft man mit den Händen an die Seiten des Bootes und bekommt Hilfe von außen. Für einige ist nach dem Eigen-Kentern die Kanupolo-Karriere schnell beendet, aber ich fühle mich bereit fürs erste Training.

Das Wasser von der Überlebens-Übung ist aus dem Kanu gekippt und ich sitze wieder sicher in meinem kleinen Boot. Nun bekomme ich ein Paddel und übe die Fortbewegung. Ich soll mich „einfach mal“ geradeaus bewegen und finde mich ständig am Beckenrand wieder. Zum Glück weiß Thomas, wie man Anfängern das Paddeln beibringt. Nach einigen Versuchen und Tipps funktioniert das schon besser: Ich kann Kurven fahren und lenke mit meiner Hüfte das Boot mit. Das Paddel hält man mit einer Hand fest (bei mir ist es die rechte), die andere dreht immer locker mit, denn das Ruder hat leicht versetzte Schaufeln.

Paddeln, ohne darüber nachzudenken

Aber ich lerne ja nicht einfach nur Kanu fahren, sondern möchte auch Polo spielen. Also bekomme ich von Thomas einen Wasserball, den ich während des Paddelns aus dem Wasser fischen muss. Als das klappt, werfen wir uns den Ball zu. Dabei muss das Paddel zum Fangen und Werfen losgelassen werden; ansonsten wird aktiv weitergepaddelt. Thomas nennt diese Art des Anfänger-Trainings „paddeln lernen, ohne darüber nachzudenken“. Und tatsächlich: Während man sich auf den Ball konzentriert, klappt es auch irgendwie mit der Fortbewegung im Boot.

Schließlich teilen wir uns in zwei Mannschaften auf und spielen. Begonnen wird mit einem Anstoß, bei dem der Ball in die Mitte des Beckens geworfen wird und zwei Gegenspieler von den gegenüberliegenden Seiten aufeinander zu rudern. Die beiden Spieler haben es richtig drauf und lassen ihre Kanus hemmungslos aufeinanderprallen. Einer von ihnen schnappt sich den Ball und es kann losgehen!

Foto: Jan Ehlers

Wir passen uns den Ball zu und versuchen ihn in das gegnerische Tor zu werfen. Das ist gar nicht so einfach, denn es hängt in zwei Meter Höhe und vom wackeligen Boot aus soll man trotzdem schnell handeln. Der Torwart verteidigt übrigens mit ausgestrecktem Paddel, mit dem er versucht, den Ball abzuwehren. Im sonstigen Spielverlauf sollte das Paddel regelkonform nicht zu hoch gehalten werden. Wer den Ball fängt oder aus dem Wasser fischt, muss ihn am besten direkt wieder zu einem Mitspieler passen. Im Kanu darf der Ball zwar abgelegt werden, dann darf man allerdings nicht weiter paddeln. Mit Ball fortbewegen kann man sich nur, indem man den Ball etwas vor sich ins Wasser wirft und ihn dann dort wieder aufsammelt.

Was mir sehr schwer fällt, ist die Verteidigung. Ich fühle mich etwas eingeschüchtert von den anderen Spielern, die sich viel geschickter mit ihren Kanus bewegen als ich. Thomas gibt mir Anweisungen, wie ich mich platzieren soll, doch anfangs dauert es immer zu lange, bis ich tatsächlich in der gewünschten Position bin. Nach ein paar Spielzügen funktioniert das aber auch schon besser. Meine Verteidigung besteht darin, mich unbeweglich als Hürde vor dem Tor zu platzieren. Gegen Ende des Trainings gelingt mir sogar ein erfolgreicher Torwurf und ich freue mich über diesen persönlichen Sieg.

Meine Arme sind unendlich schwer

Nach anderthalb Stunden auf dem Wasser und mit dem für mich neuen Sportgerät Kanu, sind meine Arme unendlich schwer. Ich bin froh, als wir aus dem Wasser steigen. Doch auch das schaffe ich mit meinen schweren Gliedern nicht mehr ohne Hilfe. Thomas lässt mich zum Glück nicht allein im Boot sitzen, sondern stabilisiert das Kanu, sodass ich einfacher „an Land“ komme.

Noch ist allerdings nicht Feierabend, denn die Kanus müssen aus dem Becken geholt und mit einem Schwamm getrocknet werden. Auch die restliche Ausrüstung wird wieder eingesammelt und verstaut. Diese Sportart benötigt eben einiges an Equipment. Ziemlich k.o., aber frisch geduscht und glücklich mache ich mich schließlich auf den Weg in den Samstagmorgen. Der ganze Tag liegt eigentlich noch vor mir – auch nicht schlecht.

Im Sommer – genauer: schon ab Mitte Mai – findet das Training draußen im Hochschulstadion statt, das macht dann sicherlich noch mehr Spaß!

 

Mitmachen

In der Sommersaison (ab 16. Mai 2019) wird immer montags und donnerstags von 20 bis 22 Uhr im Hochschulstadion trainiert. Im Winter findet das Training samstags von 7.45 bis 9.30 Uhr im Trainingsbad am Woog statt.

Alle weiteren Informationen gibt es auf der Webseite des Hochschulsports.

 

Kanupolo-Regeln, kurz und knapp

Gespielt wird auf einer 23 mal 35 Meter großen Fläche im Freiwasser oder Becken. Die Tore (1 mal 1,50 Meter groß) befinden sich in zwei Meter Höhe. Gespielt wird mit je fünf Spielern pro Mannschaft, jeder in seinem eigenen Kanu mit einem Paddel. Wechselspieler dürfen jederzeit eingesetzt werden. Für das Spiel werden Wasserbälle verwendet. Der Ball darf mit der Hand gepasst und aufs Tor geworfen werden. Mit dem Paddel darf der Ball nur aus dem Wasser gehoben, aber nicht in der Luft abgewehrt werden. Gespielt wird zweimal zehn Minuten mit einer Halbzeitpause von drei Minuten.

Besondere Herausforderung des Sports ist die Koordinationsfähigkeit durch die vielen verschiedenen Anforderungen von Kanu, Paddel und Ball. Anfänger genießen eine Zeit lang Welpenschutz und werden auch in Turnieren nicht gekentert, was erfahrene Spieler durch Schubsen am Oberkörper der Gegner teilweise im Spieleinsatz machen.