Grafik: André Liegl

Liebe Leser, liebe Darmstädter,

Ihr kennt das: Man hat einen mehr oder minder wichtigen Termin, muss also recht eilig von A nach B, um einen Bus, einen Zug oder ein Raumschiff zu erwischen und wird sogleich vom Universum auf die Probe gestellt.

„RECHTS STEHEN – LINKS GEHEN!“ Menschenskinder! Es gibt diese eine Rolltreppenregel – das kann doch nicht so schwer sein. Es ist schön, dass Ihr Zeit zum Trödeln habt, doch, das freut mich wirklich für Euch. Aber bitte, bitte nehmt Rücksicht auf jene Menschen um Euch herum, die wegen ihrer eigenen Trödelei beim Kaffeekochen am heimischen Herd in Eile sind und es nicht gebrauchen können, dass Ihr mit Euren Rollkoffern bestückt nebeneinander stehend die Rolltreppen dieser Welt verstopft. Über die man – oben angekommen – zudem auch noch stolpert, weil Ihr seelenruhig am Ende stehen bleibt, um nach dem nächsten McDonald’s, Starbucks oder „Nanu Nana“ Ausschau zu halten.

Abruptes Stehenbleiben ist ohnehin das Unnötigste, was Ihr machen könnt; wo wir gerade dabei sind, Ihr, Ihr, Ihr … Fußgänger! Es kommt Euch ein anderer Fußgänger in freier Wildbahn entgegen? Nur keine Panik! Hektische links-rechts-links-rechts-Ausweichmanöver anzudeuten ist vollkommen überflüssig, denn: Wenn ein jeder der beiden aufeinander zusteuernden Fußgänger immer nach rechts ausweicht, kann ein Zusammenstoß ebenfalls immer verhindert werden.

Insbesondere dann, wenn man beim Gehen gerade wichtig auf sein Smartphone schauen muss und von seiner Umwelt ohnehin nur mäßig viel mitbekommt, ist es von enormer, geradezu überlebenswichtiger Notwendigkeit, schon mit einem kurzen, flüchtigen Blick nach vorne das „nach rechts Ausweichmanöver“ automatisch einzuleiten.

Überhaupt! Ihr und Eure Telefone! Nee, stört überhaupt nicht, dass sie ständig Euer wichtigstes Beschäftigungselement sind, dass ihr Eure Musik über den geräteinternen Kacklautsprecher laufen und alle anderen an Eurem fragwürdigen und zudem meist grässlichen „Musikgeschmack“ teilhaben lasst.

Es ist auch super interessant, was Ihr so in Eure Telefone schreit, während Ihr Euch im öffentlichen Raum bewegt. Erzählt bitte mehr davon!

„Ja, ich sitze gerade im Zug. Hm. Hm. Ja. Hat Verspätung. Weiß ich nicht. Nudeln? Okay. Dann muss ich aber nochmal kurz zu Rewe. Silke kommt um acht. Ja, ohne Frank. Ja, doch. Der ist doch jetzt mit der Brigitte zusammen. Nein, nein. Mit Brigitte. Hallo? H-A-L-L-O-O-O? Hörst Du mich? Nein, der Frank ist mit der Brigitte zusammen! B-R-I-G-I-I-I-I-I-T-T-E! Hallo? [leise zu sich selbst] Och, jetzt ist das Netz weg. [kurz darauf:] Ja, ich bin’s nochmal …“ Uff.

Oder: „Hey, schön, dass Du zurückrufst. Jo, ich bin gerade bei ’ner Lesung …“ Ja, super! Voll cool, dass Du Dich zu einer Kulturveranstaltung aus Deiner Komfortzone gewagt hast! Da kann man schon mal klatschen. Nein, nicht für Dich. Für den Künstler, der da vorne am Mikrofon sitzt. Für den alle anderen Anwesenden Eintritt gezahlt haben, weil sie hören möchten, was er vorzutragen hat. Ach wie schön, dass Deine Begleitung jetzt auch da ist. Nee, ist nicht schlimm, dass sie zu spät ist – kann ja jedem mal passieren. Bahn wahrscheinlich. Kennt man ja. Ist auch okay, dass Ihr Euch jetzt erst mal sämtliche Tagesereignisse mitteilt. Klar, kein Problem. Ach, ein Salat zum Mittag? Toll! Ich wundere mich auch, warum da vorne einer vor Publikum ins Mikro quatscht – hat der kein Facebook und Twitter?

Apropos Facebook … Mann, Leute! Einmal weiter als bis zur Toilettentür denken! Das wünscht man sich sehnlichst. So wie die beiden Jugendlichen es neulich am Bahnsteig ihrem Kumpel erklärten: „Yo, Bruder! Erst die Leute aussteigen lassen und dann einsteigen. Dann ist im Zug doch viel mehr Platz.“ „Stimmt! Knigge, Digga!“

In diesem Sinne, liebe Leser und Darmstädter: Wer Rücksicht nimmt, bekommt ganz viele gute Karma-Punkte in den Lieblingsstoffbeutel gesteckt.

Hält Euch stets die Tür auf,

Eure Moppel

 

Wer ist diese Moppel?

Moppel Wehnemann hat in Frankfurt für das „Caricatura – Museum für Komische Kunst“ gearbeitet und ist aktuell als Fotografin und Bloggerin aktiv. Der Pop-Redakteur Linus Volkmann nennt sie „eine beliebte und prominente Akteurin aus der Titanic-Clique.“ Ihre Hobbys: Bier, American Football, Postkarten und Satire. Außerdem ist Moppel Initiatorin der erfolgreichen Open-Air-Reihe „Bier trinken und Joggern gute Tipps zurufen“. Seit Sommer 2017 bereichert Moppel unseren Kolumnisten-Pool mit ihren Beobachtungen des Alltagswahnsinns.

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